Der Brasilianer wechselt nach fünf Jahren zu Inter Mailand. Auch Luca Toni muss um seinen Platz bangen.

München. Am Donnerstag lief Lúcio (31) noch einmal über den Übungsplatz an der Säbener Straße. Er war der Letzte, der zur morgendlichen Trainingseinheit auf den Rasen kam. Und weil der Rest schon auf ihn wartete, legte Lúcio die letzten Meter im Laufschritt zurück. Danach wärmte er sich mit der Mannschaft auf und dehnte sich, als sei es ein ganz normaler Trainingstag.

Für den Brasilianer Lúcio jedoch war es kein normaler Tag. Es war sein letzter Arbeitstag für den FC Bayern. Nach Ende der Übungseinheit verkündete Manager Uli Hoeneß den Wechsel Lúcios zu Inter Mailand. Noch in dieser Woche wird er die medizinische Untersuchung absolvieren, dann soll Lúcio beim italienischen Meister einen Dreijahresvertrag unterschreiben.

Nun kommt der Wechsel des Brasilianers nicht überraschend. Fünf Jahre hatte Lúcio für die Münchner den zuverlässigen Innenverteidiger gegeben, und dennoch war es zuletzt zu Dissonanzen zwischen ihm und den Vereinsoberen gekommen. Er fühle sich nicht genug wertgeschätzt, hatte er noch während des Konföderationen-Pokals eine Botschaft aus Südafrika nach München geschickt. Sein Name stehe auf einer angeblichen Streichliste, hatte er gezetert - das könne nicht sein. Die Bayern-Oberen dementierten umgehend, und dennoch gab Lúcio in der Folge den Beleidigten und forcierte seinen Abgang.

Sein Vertrag in München lief noch bis 2010. Er wollte einen langfristigen Kontrakt, von einem neuen Zwei- oder gar Dreijahresvertrag sprach Lúcio noch in der vergangenen Saison, den er sich wünsche. Doch in München ist die Politik eine andere. Beim FC Bayern wird mit Profis nach deren 30. Geburtstag nur noch für ein Jahr verlängert. Auch Kapitän Mark van Bommel hatte das in der vergangenen Saison erfahren, und Zé Roberto war deswegen gar zum HSV geflüchtet.

Doch nicht nur die Unstimmigkeiten in Sachen Vertragsverlängerung haben Lúcio zum Weggang bewogen. Unter Louis van Gaal, dem prinzipientreuen Niederländer, hätte er sich mit Martin Demichelis, Daniel van Buyten und Breno um eine Position bewerben müssen. Jene etatmäßigen vier Innenverteidiger haben einen guten rechten Fuß, hatte van Gaal schon zu seinem Amtsantritt doziert, also kämen sie nur für den rechten Part des Innenverteidigerduos infrage. Vier Spieler für einen Platz und er nicht gesetzt, das war zu viel für einen wie Lúcio. Und so kam das Angebot aus Mailand gerade recht, auch für die Bayern. Inter, so erzählte Hoeneß, habe "15 Spieler als Tauschobjekt" für Lúcio geboten, "doch wir wollten Cash haben, und jetzt haben wir Cash". Und Hoeneß lächelte dabei, als sei ihm ein wirklich gutes Geschäft gelungen.

Momentan, so erzählte er, sei nicht viel Geld im Markt. Und jene, die beim FC Bayern am liebsten Unsummen investieren wollen, sind in München nicht mehr gern gesehen. Eine 14-Tage-Frist hatten sich die Bayern im Fall des abwanderungswilligen Franck Ribéry gesetzt. "Die Frist ist Mittwoch abgelaufen", sagte Hoeneß. Alle beteiligten Vereine seien darüber informiert worden, insbesondere wohl Real Madrid. Die "Causa Ribéry" oder auch "Theater" oder "Drama" nannte Hoeneß jenen Hickhack, weil sich die täglichen Nachrichten des FC Bayern zuletzt vor allem um den kleinen Franzosen drehten und seine Wehwehchen und Verletzungen als Indizien für einen provozierten Abgang interpretiert wurden. Zum Saisonauftakt werde Ribéry für die Bayern auflaufen, sagte Hoeneß und fügte an: "Seine Berater müssen endlich begreifen, dass sie mit dem FC Bayern nicht so umgehen können wie mit anderen Vereinen."

Van Gaal werden die deutlichen Worte des Managers freuen, der den Verbleib Ribérys als "endgültig" bezeichnete. Auch wenn jener Ausdruck auf dem Transfermarkt ein sehr dehnbarer Begriff ist. Die Formation, mit der van Gaal die Bayern auflaufen lassen will, hat er jedenfalls auf Ribéry zugeschnitten. "Ich habe auch für ihn dieses System gewählt", sagte er. Jenes 4-4-2 mit einer Raute im Mittelfeld. Ribéry soll den zentralen Mann hinter den Spitzen geben.

Trotz der verbindlichen Entscheidung im Fall Lúcio sollte für genügend Gesprächsstoff im Trainingslager in Donaueschingen gesorgt sein. Denn Hoeneß ließ ein weiteres Mal wissen, dass er den Wünschen des Trainers, den Kader zu verkleinern, gern nachkommen wolle. Noch vier weitere Abgänge wären für van Gaals Trainingsplanung optimal. "Wir sind gesprächsbereit", sagte Hoeneß und meinte damit Problemfälle wie Tim Borowski, Christian Lell oder eben Luca Toni. Für den Italiener, der einen Stammplatz eingeforderte hatte, gab es gestern wenig freundliche Worte. Trainer van Gaal brummte nur: "Das kann er vergessen."