Trainer Prandelli ist vor dem Duell gegen Irland besonders als Psychologe gefragt

Posen. Italiens Trainer Cesare Prandelli muss sich in den vergangenen Wochen manchmal wie im Kindergarten vorgekommen sein, nur dass seine Schützlinge schon erwachsen sind - zumindest auf dem Papier. Da bringt sich Angreifer Antonio Cassano, 29, lachend und spaßend mit seinen Äußerungen über Homosexuelle um Kopf und Kragen. Sein Sturmkollege Mario Balotelli, 21, ächzt schwer unter der Last der riesigen Erwartungen und droht zugleich mindestens mit Abreise, wenn nicht sogar mit Mord, sollte er bei der EM rassistisch beleidigt werden.

Dazu schüren italienische Medien vor dem letzten Spiel gegen die Iren in einer mental alles andere als gefestigten Mannschaft Verschwörungsängste.

Mehr denn je ist der 54 Jahre alte Fußballlehrer Prandelli gefragt als Psychologe, als Beschützer, Beruhiger und Förderer, aber auch als strenger und durchgreifender Erzieher - und daneben soll er noch dafür sorgen, dass das Team guten Fußball spielt.

Letzteres ist den Italienern bislang meist gelungen. Der EM-Auftakt gegen Spanien war stark, das 1:1 hatten nur wenige erwartet. Auch die erste Hälfte gegen Kroatien war ansehnlich. Doch die zweite Halbzeit zeigte deutlich, wie dünn das Nervenkostüm ist. "Wir werden eine Mannschaft der 1000 Ängste, wenn wir anfangen, darüber nachzudenken, wie wir ein bestimmtes Ergebnis halten können", sagt Prandelli.

Auf das Ergebnis kommt es jedoch auch an, wenn man heute (20.45 Uhr, ZDFinfo) auf die bislang sieglosen Iren mit dem früheren italienischen Nationalcoach Giovanni Trapattoni trifft. 2004 war die Tabellenkonstellation bei der EM die gleiche. Damals gewannen die Italiener ihr letztes Gruppenspiel, schieden aber aus, weil Schweden und Dänemark 2:2 spielten und damit weiterkamen. "Wir müssen unsere Partie gegen Irland gewinnen. Über andere Resultate spekuliere ich nicht", stellt Prandelli klar. Es sind Versuche, den Druck von seinem Team zu nehmen.

Bei Balotelli hat Prandelli das auch lange versucht. Berichte über rassistische Beleidigungen des dunkelhäutigen Stürmers hat er immer auffällig schnell zurückgewiesen. "Da war absolut nichts", sagte er etwa nach dem Spanien-Spiel im Wissen um das labile Gemüt seines Angreifers.

Aber gerade bei Balotelli könnte die Geduld des Trainers nun am Ende sein. Immer wieder hat Prandelli verlangt, dass sich der Hochveranlagte in den Dienst der Mannschaft stellt - bislang ohne Erfolg. Gut möglich, dass der Stürmer, von dem viele bei der EM den Durchbruch zur Weltklasse erwartet hatten, sich im Spiel gegen Irland auf der Bank wiederfindet. Denn Prandelli ist zwar ein väterlicher Trainertyp, doch das bedeutet auch Konsequenz. "Das ist so ähnlich wie in einer Familie", sagte er einmal über seine Mannschaftsführung: "Was machst du mit deinen Kindern? Du stellst Regeln auf. Wenn du ohne Regeln aufwächst, wird alles sehr schwierig."