Mit den Bayern verpasste der Spieler Arjen Robben ganze drei Titel, heute will er gegen sieben Münchner Kollegen den K. o. vermeiden.

Krakau/Hamburg. Wer den Schaden hat ... Arjen Robben wisse, wie es sei, gegen die Bayern zu spielen, er habe es ja die ganze vergangene Saison getan, witzelte Entertainer Matze Knop in der ARD-Fernsehsendung "Waldis EM-Club" vor der Partie zwischen Deutschland und den Niederlanden. Hintergrund des knopschen Schmähs: Heute trifft der 28-Jährige auf gleich sieben Kollegen des FC Bayern München, davon fünf aus der Defensivabteilung: Manuel Neuer, Philipp Lahm, Holger Badstuber, Jerome Boateng, Bastian Schweinsteiger, Thomas Müller und Mario Gomez. Auf der Bank sitzt mit Toni Kroos ein weiterer Münchner.

Nach dem Vize-Tripel in der Meisterschaft, im DFB-Pokal-Wettbewerb und in der Champions League hatte sich Robben vor dem Beginn der EM-Vorbereitung in die Berge Österreichs zurückgezogen, um die jüngsten Bilder aus seinem Kopf zu verbannen und neue Kraft zu tanken. Denn die Bayern-Serie von schmerzhaften Niederlagen ist untrennbar mit dem Namen Arjen Robben verbunden.

Im entscheidenden Meisterschaftsspiel bei Borussia Dortmund (0:1) verschoss der Flügelflitzer einen Elfmeter, genau wie in der Verlängerung des Champions-League-Finales gegen den FC Chelsea, den bislang wohl wichtigsten Strafstoß seiner Karriere. Wen interessierte es da noch, dass er im Halbfinale bei Real Madrid getroffen hatte, genau wie im Pokalendspiel gegen den BVB? Genau, niemanden.

"Es ist im Moment fünf vor zwölf", sagte Arjen Robben gestern im "Algemeen Dagblad" und meinte damit in erster Linie die Ausgangssituation vor dem Spiel gegen den deutschen Erzrivalen. Noch nie ist die Niederlande bei einem großen Turnier schon nach zwei Gruppenspielen vorzeitig ausgeschieden. Punkten heute die Dänen gegen Portugal, ist bei einer Niederlage gegen die DFB-Elf alles vorbei - und sein persönlicher Bayern-Fluch würde seine Fortsetzung finden. Deshalb gilt seine Aussage genauso für ihn selbst.

+++ Gomez kann über Scholl-Kritik nur müde schmunzeln +++

Robben ist ohne Frage ein Ausnahmefußballer, sein Marktwert wird aktuell laut Transfermarkt.de auf 32 Millionen Euro taxiert. Doch um sich das Prädikat Weltklasse zu verdienen und auf eine Stufe mit den ganz Großen im Fußball aufzusteigen, fehlt ihm ein internationaler Titel. Und die Zeit läuft dem 28-Jährigen davon.

Nationale Meisterschaften hat er mehr als genug gesammelt während seinen Stationen beim PSV Eindhoven, bei Real Madrid, Chelsea London und Bayern München. Für einen Legendenstatus reicht das jedoch nicht. Dabei gab es genug Chancen für große Titel wie die beiden Champions-League-Finals mit den Bayern (0:2 gegen Inter Mailand 2010, 3:4 i. E. gegen Chelsea 2012) und vor allem das WM-Finale 2010 in Südafrika (0:1 n. V. gegen Spanien).

Die jüngsten Ereignisse haben Spuren hinterlassen. Bis vor einem Jahr galt Robben als ein Fußballer, der Spiele ganz allein entscheiden kann. Heute wird kritisiert, er unternehme auf dem Platz zu viel allein, was zu einer ausgiebig geführten Egoismus-Debatte in München geführt hat. Dass Robben aber kein Egomane sein will, sondern ein Führungsspieler, haben viele nicht begriffen, auch nicht seine Mitspieler. Weil der Ball nach der Einschätzung seiner Kollegen zu oft und zu lange an seinen Füßen klebt, haben sie Robben intern den Spitznamen "Aleinikow" verliehen. Mit Franck Ribéry, dem zweiten Ausnahmekicker in Diensten des FC Bayern, bildet Robben nur eine Zweckgemeinschaft für den Erfolg. In der Kabine kam es sogar schon zu handfesten Auseinandersetzungen. Aber auch sonst hat Robben, der gerade erst seinen Vertrag bis 2015 verlängert hat, keine echten Freunde in der Mannschaft. Privat mag es der Familienmensch (drei Kinder) zurückgezogen.

Die Zeit beim Oranje-Team glich für Robben in der Vergangenheit deshalb immer einem Aufenthalt in einer Wohlfühloase. Hier ist er allseits beliebt, die Fans stehen loyal zu ihm, anders als in München, wo er sich nach dem verlorenen Champions-League-Finale böse Pfiffe des Bayern-Anhangs anhören musste. Und in den ersten Tagen im polnischen Krakau schien Robben auch aufzublühen, er wirkte im Training munter, aufgeräumt.

Doch gleich im ersten EM-Spiel gegen Dänemark (0:1) hat ihn der Bayern-Fluch wieder eingeholt. "Ich fühle mich wie im falschen Film", sagte Robben nach dem Abpfiff in der Mixed-Zone. Einmal traf er den Pfosten, in einer anderen Szene spielte er ab, anstatt selbst den Abschluss zu suchen - was sinnvoller gewesen wäre. Den richtigen Rhythmus für sein Spiel hat Robben verloren. Nur ein schwacher Trost: Anders als andere Topstars wie Rafael van der Vaart, Klaas-Jan Huntelaar oder Dirk Kuyt hat Robben bei Bondscoach Bert van Marwijk, der seit der Startniederlage öffentlich abgetaucht ist, seinen Platz sicher.

"Wenn man allein die einzelnen Spieler sieht, glaube ich, dass wir fußballerisch besser sind", urteilt Robben vor dem brisanten Aufeinandertreffen mit Deutschland. Ob dies auch für die beiden Kollektive gilt, zweifelt wohl auch der Dribbelspezialist an, wenn er fordert, jetzt alle Einzelinteressen zurückzustellen: "Das Einzige, was jetzt zählt, ist die Mannschaft."

Das gilt auch für ihn. Wenigstens eine Pflicht lastet heute nicht auf seinen jetzt schon dick bepackten Schultern: Als Elfmeterschütze Nummer eins bei den Niederländern ist gegen Deutschland Robin van Persie vorgesehen.