Danzig/Charkow. In Lwiw, wo die Dänen auf die Portugiesen treffen, sind die Temperaturen auf angenehme 18 bis 20 Grad gesunken. Auch in Posen und Danzig werden bei den nächsten EM-Partien morgen lediglich um die 15 Grad erwartet. Doch in Charkow, wo die deutsche Elf antritt, soll das Thermometer auf 35 Grad steigen. Gestern reiste der DFB-Tross aus dem Quartier in Danzig in die Ukraine - und vollzog so einen Klimawechsel. "Dadurch kann es zu einer Leistungseinschränkung kommen. Der Flüssigkeitshaushalt verändert sich dann auch", erklärt Oberarzt Joachim Latsch vom Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin der Sporthochschule Köln. Nicht zuletzt deshalb sieht es Latsch kritisch, dass Löw und Co. erst einen Tag vor dem Spiel nach Charkow gereist sind. "Bei normalen Sportlern ist das häufig noch abfangbar. Aber bei Leistungssportlern hat es durchaus Sinn, sich schon vorher zu akklimatisieren", sagt der Mediziner.

Wesentlich drastischer drückte sich der niederländische Leistungsdiagnostiker Adrie van Diemen aus. "Es ist absolut unverständlich, sein Lager 1300 Kilometer vom Spielort entfernt in Krakau aufzuschlagen", sagte er dem "Algemeen Dagblad". Nicht nur die Reisestrapazen, sondern auch die klimatischen Unterschiede könnten sich als Problem für die Elftal erweisen. "Im Hochleistungssport geht man stets an die Leistungsgrenze, die Vorbereitung muss ideal sein. Ich begreife überhaupt nicht, wie es ihnen in den Kopf gekommen ist, so etwas zu tun."

Nach Ansicht von Latsch sind die Probleme bei der EM aber nichts gegen das, was die Profis bei der WM 2022 in Katar erwartet: "Aus sportmedizinischer Sicht ist es gefährlich und hirnrissig, dort Leistungssport zu treiben", warnt er angesichts von Temperaturen von mehr als 40 Grad.