Dänemarks Trainer Morten Olsen über die Aussichten seiner Mannschaft, das Alter und den deutschen Fußball

Kolberg. Gelöster kann die Stimmung in einer Mannschaft während einer Europameisterschaft kaum sein. Entspannt dirigiert Morten Olsen am Montag die dänischen Spieler durch das kleine Stadion im Küstenort Kolberg, lächelnd folgen die Profis seinen Anweisungen. Nach dem überraschenden 1:0 gegen den Titelkandidaten Niederlande geht der Europameister von 1992 mit guten Aussichten in das Duell mit Portugal am Mittwoch (18 Uhr, ZDF). Ein Sieg könnte schon vor dem letzten Gruppenspiel gegen Deutschland den Einzug ins Viertelfinale bedeuten.

Hamburger Abendblatt:

Herr Olsen, wie erleichtert sind Sie über den Start?

Morten Olsen:

Ich bin glücklich und stolz auf meine Mannschaft. Es war eine fantastische Leistung gegen eine niederländische Elf, die sicherlich nicht schlecht war.

Was kann jetzt gegen Portugal noch schiefgehen?

Olsen:

Wir haben uns in der ersten Partie einige Ballverluste im Mittelfeld geleistet, die wir künftig abstellen müssen. Zudem haben wir für meinen Geschmack häufig zu schnell versucht, den finalen Pass zu spielen. Gegen Portugal müssen wir uns noch einmal steigern.

Sie sind seit zwölf Jahren Dänemarks Nationaltrainer. Für wen war die Zeit anstrengender, für Sie oder Ihre Spieler?

Olsen:

Das müssen Sie die Spieler fragen. Wenn du so lange im Job bist, erlebst du immer Phasen, in denen es nach oben oder nach unten geht. Wir haben uns in der Zeit für vier Turniere qualifiziert, das ist ein großer Erfolg für den dänischen Fußball. Aber es war natürlich auch sehr anstrengend. Allerdings glaube ich nicht, dass das nur für den Trainerposten in Dänemark gilt.

Haben Sie in all den Jahren je daran gedacht, aufzuhören?

Olsen:

Natürlich gab es Phasen, in denen ich gezweifelt habe. Ich hatte vorher als Vereinstrainer Erfahrungen gesammelt und wusste, dass das ein völlig anderes Arbeiten ist. Als ich vor einiger Zeit aufhören wollte, haben mich die Spieler zum Weitermachen überredet. Die Nationalmannschaft war für mich immer die größte Herausforderung.

In Deutschland hat kürzlich der 73 Jahre alte Otto Rehhagel sein Comeback auf der Bank gegeben. Können Sie sich vorstellen, in dem Alter noch zu arbeiten?

Olsen:

Das weiß ich nicht. Was bedeutet Alter? Es gibt Spieler, die sind 21 und haben schon mehr Erfahrung als 35-Jährige. Genauso ist es bei Trainern. Ich halte mich an ein Sprichwort, das ich aus meiner Zeit in Deutschland kenne: Du bist immer so alt, wie du dich fühlst.

Und wie alt fühlen Sie sich?

Olsen:

Ich bin über 60 Jahre alt und habe jeden Tag mit jungen Menschen zu tun. Ich fühle mich sehr gut.

Als Sie den Posten als Nationaltrainer der Dänen vor zwölf Jahren übernommen haben, war in Deutschland gerade Erich Ribbeck entlassen worden. Wie bewerten Sie die Entwicklung des deutschen Fußballs seither?

Olsen:

Ich war in den 90er-Jahren Trainer in Köln und habe damals sehr kritisch über die deutsche Nationalmannschaft gedacht. Die Deutschen waren immer erfolgreich, keine Frage. Aber sie waren der Konkurrenz taktisch und technisch meist unterlegen. Andere haben sich früher professionalisiert. Damit meine ich den mentalen und physiologischen Bereich. Bei Deutschland ist das erst nach der EM 2000 passiert.

Warum?

Olsen:

Durch das frühe Aus haben die Deutschen endlich kapiert: So kann es nicht weitergehen. Dann haben der Verband und die Liga die Ausbildung umstrukturiert. Sie haben jetzt sehr gute Spieler, die Mannschaft ist fantastisch. Jedes ihrer Spiele ist Reklame für das Land und für den Fußball allgemein.

Ist es ein Vorteil, dass Dänemark im letzten Gruppenspiel auf Deutschland trifft?

Olsen:

Das weiß ich nicht. Aber: Die anderen drei müssen weiterkommen, wir wollen weiterkommen.