Kabarettist Steffen Möller, Autor des Buches “Expeditionen zu den Polen“ erklärt, was man bei einer kurzfristigen EM-Reise unbedingt beachten sollte

Hamburg. Im Land des EM-Gastgebers ist er populärer als die meisten Fußballer. Der Kabarettist und Schauspieler Steffen Möller, 43, geboren in Wuppertal, lebt seit vielen Jahren in Polen, moderiert dort bekannte Fernsehshows. Ein Fußballfan ist er obendrein. Für Lukas Podolski sang er am Montag auf dem Flug der deutschen Nationalmannschaft nach Danzig sogar ein Ständchen. Anschließend moderierte er vor 11 000 Fans das Auftakttraining. Für das Abendblatt hat Möller Tipps für EM-Touristen zusammengestellt.

Erster Tipp: Eins vorweg: Die Zahl der Autodiebstähle hat zwischen 1999 und 2010 um 75 Prozent abgenommen. Gründe dafür: gestiegener Lebensstandard und ein neuartiges, hochmodernes Autoregistrierungssystem. Man kann also seelenruhig mit dem eigenen Pkw nach Polen reisen. Wer trotzdem nervös ist, kann seinen Liebling in Warschau oder Poznan auf einem bewachten Parkplatz abstellen.

Zweiter Tipp: Ein Hobby der Polen besteht darin, dass sie Ausländer gerne mit einem berühmt-berüchtigten Zungenbrecher quälen, der viele Zischlaute enthält: "W Szczebrzeszynie chrzaszcz brzmi w trzcinie". Zu Deutsch: "In Szczebrzeszyn (einer Kleinstadt in Südostpolen) zirpt ein Käfer im Schilf." Doch der Aufwand lohnt. Wer diesen Vers auswendig lernt und an der Kasse einer Tankstelle aufsagt, rührt den Tankwart so zu Tränen, dass er vergisst, die Rechnung abzukassieren. Gesprochen wird das so: "W Schebscheschinnje chschontsch bschmi w tschinje."

Dritter Tipp: Obwohl Polen zusammen mit der Ukraine die Fußball-Europameisterschaft ausrichtet, ist das Interesse an diesem Sport relativ gering. Seit fast 20 Jahren hat sich kein polnischer Meister mehr für die Champions League qualifizieren können. Der wahre polnische Nationalsport ist deshalb das Pilzesammeln. Wer in Polen zwischen Juni und Oktober am Wochenende NICHT mit einem Pilze-Eimerchen durch die Wälder eilt, ist so seltsam wie ein Deutscher, der beim EM-Finale auf Arte umschaltet. Deshalb gilt: Wenn man gut sichtbar zwei, drei Plastikpilze mit sich führt, kommen sofort von allen Seiten Polen und fangen ein Gespräch an - etwa so, wie wenn man im Ruhrgebiet mit einer Schalke-Fahne herumläuft.

Vierter Tipp: Viele Deutsche fragen sich, ob sie Breslau oder Wroclaw sagen sollen. Mein Tipp: Beides verwenden! Am Anfang, offiziell, sollte man die polnische Version benutzen. Sobald man einem Polen aber einmal signalisiert hat, dass man den polnischen Namen kennt, darf man anschließend auch problemlos Breslau, Danzig oder Posen sagen. Die Polen wissen ja selbst, dass sich Ausländer bei ihrer Sprache ganz schön die Zunge verdrehen müssen.

Fünfter Tipp: Deutsche sind nicht gerade überschwänglich beliebt, werden aber respektiert. Man hält uns für langweilig, aber ehrlich. Anders sieht es mit russischen Touristen aus; die gelten pauschal als Chaoten und Trunkenbolde. Sollte man also in der Schule Russisch gelernt haben - bitte in Polen nicht damit brillieren! Richtig schlimm wird die Sache, wenn man in Polen die Meinung, dass die bekannte Rote-Rüben-Suppe "Borschtscht" heiße und aus Russland komme. Sie existiert nämlich auch in Polen, heißt "Barschtsch" (mit "a"!!), und es handelt sich um eine ur-polnische Erfindung!

Sechster Tipp: Zum Abschluss die wichtigste Information für Touristen: Obwohl sich die westlichen Piktogramme in immer mehr Restaurants durchsetzen, gibt es noch überall die traditionellen polnischen Toilettenzeichen. Während das Piktogramm-Symbol die Frauen immer mit einem Minirock darstellt (hallooo? Sexismus!), verwendet man in Polen schon seit 1928 abstrakte Symbole: Kreis und Dreieck. Spontane Tipps gehen häufig in die Irre, sodass ausländische Touristen aus Versehen immer wieder in die Damentoilette reinstolpern und als Stalker verhaftet werden. Hier die Lösung: Das Dreieck (das auf dem Kopf steht) symbolisiert Männer, der Kreis Frauen. Mit welcher Eselsbrücke man sich das merkt, ist eine höchst private Angelegenheit.

Und damit wünsche ich eine tolle Zeit in Polen. Noch zwei ganz konkrete Tipps für den Stadtbummel nach dem Fußball-Match: Gutes selbst gebrautes Bier gibt's in Danzig im Hotel Gdansk, direkt hinter dem Grünen Tor, und in Breslau auf dem Marktplatz im Restaurant Spiz. Na zdrowie!

Expedition zu den Polen, Malik-Verlag, 278 Seiten, 14,99 Euro