Der Sportchef des HSV analysiert für das Abendblatt den deutschen EM-Gruppengegner, der das Testspiel gegen Brasilien im Volkspark mit 1:3 verlor

Hamburg. Endlich Urlaub. Bis zum 5. Juni will HSV-Sportchef Frank Arnesen mit seiner Frau in Südspanien entspannen. "So ganz raus aus dem Fußball geht für mich aber nicht mehr", schränkt der ehemalige dänische Nationalspieler ein. Am Sonnabend verfolgte er das 1:3 (Tore für Brasilien: Hulk (2)/Eigentor Zimling, Dänemark: Bendtner) seiner Landsleute gegen Brasilien in der mit 51 000 Zuschauern ausverkauften Imtech-Arena. "Super Stimmung, 40 000 Dänen, die die Mannschaft total unterstützt haben", freut sich Arnesen, der allerdings sportlich wenig Freude am Auftritt des deutschen EM-Gruppengegners der Deutschen hatte. Seine Analyse:

Torhüter: "Hier hat Trainer Morten Olsen das wahrscheinlich größte Problem. Thomas Sörensen war nicht gut drauf - was aber auch an seinen anhaltenden Rückenproblemen liegt. Die Ersatzkeeper Andersen, Lindegaard und Hansen sind okay. Aber es ist sehr schwierig, wenn man so kurz vor einem Turnier auf einer so wichtigen Position noch keine Sicherheit hat."

Die Abwehr: "Gegen Brasilien wurden die Schwächen im Aufbau und dem schnellen Umschalten auf Defensive deutlich. Allerdings macht ein Daniel Agger nur einmal so einen Fehler wie vor dem 0:3. Der Junge ist sonst top. Ich glaube auch, dass Olsen hier noch einiges umstellen wird. Agger kann Simon Poulsen, der nicht glücklich agierte und eigentlich eher ein Linksaußen ist, auf der Linksverteidigerposition ersetzen. Simon Kjaer, den ich lange nicht so gut gesehen habe wie jetzt, dürfte dann mit Andreas Bjelland die Innenverteidigung bilden, während der sehr erfahrene Ex-HSVer Lars Jacobsen für Daniel Wass die rechte Seite übernimmt. Dadurch werden wir an Sicherheit gewinnen. Wir müssen die Probleme im Aufbauspiel beheben, um nicht unter Dauerdruck zu geraten. Dass wir dem nicht standhalten können, war zu sehen."

Mittelfeld: "Olsen experimentiert hier noch sehr viel. Dass dann nicht alles klappt, ist klar. Zumal der aktuell formstärkste Mann mit Stuttgarts William Kvist fehlte. Zusammen mit Zimling könnte er die Doppelsechs besetzen. Mit Kapitän Christian Poulsen zusammen wäre es zu defensiv. Dennis Rommedahl, der erst eingewechselt wurde, ist genauso wie Kvist und Christian Eriksen gesetzt. Gerade Eriksen, der bei allen Topklubs Europas gehandelt wird, kommt eine wichtige Rolle zu. Er muss die Schnittstelle zwischen Mittelfeld und Offensive sein. Das hat gegen Brasilien nicht geklappt. Im 4-5-1-System ist er untergegangen. Das Mittelfeld ist in fast allen Bereichen personell offen, zumal Olsen auch schon ein 4-6-System gespielt hat, ohne positionelle Spitze. Da mussten alle flexibel spielen. Dennoch glaube ich, dass Morten auf Rommedahl als Rechtsaußen setzen wird, weil der wie kaum ein anderer gefährliche Flanken schlägt, wovon unser Angriff abhängig ist. Daneben agiert Eriksen als hängende Spitze im offensiven Mittelfeld, während Zimling auch auf links ausweichen könnte. Kvist und/oder Christian Poulsen als Abräumer, dann kann das passen."

Angriff: "Es ist kein Geheimnis, dass extrem viel an Nicklas Bendtner hängt. Der Junge ist auch stark, braucht aber mehr Unterstützung aus dem Mittelfeld. Er gewinnt fast jedes Kopfballduell, ist aber kein Spieler für die langen Sprints und ständiges Eins-gegen-Eins. Nicklas hatte dadurch wenig Anbindung, weil er sich die Bälle tief im Mittelfeld holen musste. Wenn wir es schaffen, ihn im Sechzehner mit Flanken zu füttern - über Rommedahl bin ich da ganz zuversichtlich -, dann wird es für jeden Gegner schwer, zu verteidigen. Auf Nicklas lastet offensiv sehr viel."

Arnesens Fazit: "Morten Olsen ist einer, der vor niemandem Angst hat - und das vermittelt er der Mannschaft. Daher ist alles drin. Wir sind wieder krasser Außenseiter, genau wie bei EM 1992 in Schweden, wo wir am Ende sensationell den Titel geholt haben. Wir werden schon sehr gute Tage brauchen, um gegen Portugal, Holland und Deutschland zu bestehen. Wir haben insbesondere defensiv noch sehr viel Arbeit bis zum ersten Spiel, das müssen wir ehrlich anerkennen. Klar ist aber auch, dass wir bei der EM ganz anders auftreten werden. Personell - und vor allem leistungsmäßig."