Der Nationalstürmer spricht über den Frust in Köln und seine Erwartungen an die EM

Porto Cervo. Da waren sie am Ende doch, die Motive, die mit der Wortkette "Nationalmannschaft-Sardinien-Regenerationstrainingslager" assoziiert werden: rumalbernde Fußballprofis am Strand, die in Dreierteams ein Faltkajak zusammenbauen und danach im Mittelmeer um die Wette paddeln.

Viel mehr als eine nette Zerstreuung bei strahlendem Sonnenschein war die von einem DFB-Sponsor ermöglichte Freizeiteinheit allerdings nicht. Spieler wie Lukas Podolski werden die Tage in Italien als schweißtreibende Arbeit in Erinnerung behalten.

Nachdem ihn muskuläre Probleme zunächst daran gehindert hatten, mit den anderen Spielern auf dem Platz zu üben, gehörte der Kölner wie die 16 anderen Nationalkicker zu den Teams, die kurze Zeit vor dem Kajakwettbewerb auf einem Kleinfeld erstmals mit dem Ball üben durften.

Diese Spielform wiederum war alles andere als eine nette Abwechslung: In Bedrängnis auf engem Raum mit einem Ballkontakt den Mitspieler suchen, ihn anspielen und sich sofort wieder freispielen, das wird ein wesentliches Element während der Vorbereitung sein - gerade für Podolski. "Ich bin bereit und fit", formulierte der Stürmer gewohnt knapp - und gut gelaunt.

"Du musst nach vorne schauen", das ist eines der Leitmotive in Podolskis Karriere. Doch in den ersten Tagen bei der Nationalelf konnte er die Gedanken an den Abstieg mit dem FC nicht abschütteln. "Klar hatte ich damit einige Tage zu kämpfen. Wenn du in dem Verein aufgewachsen bist, ist so ein Abstieg schon bitter. Es hat wehgetan. Aber man muss als Sportler auch mit Niederlagen umgehen. Die Vorfreude auf das EM-Turnier ist da, gerade weil es auch in meinem Geburtsland stattfindet."

Nur auf den ersten Blick wirken die Aussagen des 26-Jährigen erstaunlich abgeklärt, aber: Podolski sieht zwar immer noch wie ein Lausbub aus, doch auch er spürt selbst die Reife und Erfahrung von 95 Länderspielen (43 Tore).

Dass er längst nicht nur blind dem Ball hinterherschaut, zeigt sich auch, als das Gespräch auf einen möglichen Besuch einer KZ-Gedenkstätte in Polen kommt: "Ich persönlich war noch nicht dort, würde aber auf jeden Fall mitmachen, wenn es möglich wäre."

In den Planungen Löws nimmt Podolski eine Hauptrolle ein, das wurde auf Sardinien mehr als deutlich. "Lukas soll in die Tiefe gehen, in die Schnittstelle der Abwehr und das mit höchstem Tempo", fordert der Bundestrainer, der heute mit seinem Team nach Südfrankreich umsiedelt. "Spieler wie Mesut Özil, die ihm den Ball in den Fuß legen können, haben wir. Und wenn Lukas das macht, dann ist er nur schwer aufzuhalten." Gerade was das Spiel ohne Ball betrifft, hätten, so Löw weiter, die Auswertungen der letzten Partien gravierende Unterschiede ergeben. In Hamburg gegen die Niederlande beispielsweise wären die Werte Weltklasse gewesen, in anderen Spielen aber unterdurchschnittlich.

Dass diese Schwankungen auch bei Podolski zu beobachten waren, ist wahrscheinlich, schließlich galt er in der Vergangenheit nie als Laufwunder. Doch anders als früher, zum Beispiel zu seiner (Reservisten-)Zeit bei den Bayern, wird vor seinem fünften Turnier seit der EM 2004 nicht über ihn diskutiert. An ihm hat es schließlich nicht gelegen, dass seine Kölner nicht den Klassenerhalt geschafft haben. Konkurrenten wie Leverkusens André Schürrle ("Natürlich hat Lukas die Nase vorn") äußern sich eher ehrfürchtig über ihn.

Dass er nach dem Turnier als Europameister bei seinem neuen Arbeitgeber Arsenal London starten will, sagt er am Ende so gelassen, als ob es eine Selbstverständlichkeit wäre. "Früher war schon das Halbfinale ein Erfolg, aber jetzt sind wir soweit, davon zu sprechen, dass wir um den Titel spielen wollen. So etwas kann auch zusätzliche Kräfte freisetzen."