Borussia Dortmund feiert mit rund 400 000 Fans und einer fünfstündigen Triumphfahrt den Gewinn seiner siebten Meisterschaft

Dortmund. Am späten Nachmittag hatten die Feierlichkeiten in Dortmund unwiderruflich ihren Höhepunkt erreicht. Um 16.30 Uhr präsentierte sich der neue deutsche Meister noch einmal auf einer Bühne, die allein vom Ausmaß her an größere Rockkonzerte erinnerte, seinen Fans. "Ihr seid wahnsinnig", schrie Kevin Großkreutz ins Mikrofon und wirkte dabei ebenso glückselig wie die etwa 400 000 Menschen, die am Sonntag bei der wohl größten Party in der Geschichte Dortmunds die siebte deutsche Meisterschaft der Borussia feierten: "Diesen Titel habt ihr euch verdient."

Zuvor hatte sich die jüngste Meistermannschaft in der Geschichte der Bundesliga auf einem eigens dafür hergerichteten Truck den Weg durch eine Stadt im emotionalen Ausnahmezustand bahnen müssen. Fünf Stunden dauerte die Triumphfahrt vom Gelände des früheren Phoenix-Stahlwerks im Dortmunder Norden über den Borsigplatz bis hin zur Bühne vor den Westfalenhallen. Die Straßen waren von Menschen gesäumt, teilweise waren die Fans auf Bäume oder Laternen geklettert, um einen Blick auf ihre Helden werfen zu können. Die Spieler genossen derweil die Fahrt auf der Ladefläche des Trucks, tranken reichlich Bier und stimmten immer wieder Gesänge an.

"Diese Fahrt und besonders die Runden um den Borsigplatz werden unsere jungen Spieler nie vergessen", sagte Sportdirektor Michael Zorc, selbst gerührt von der fast schon kultischen Verehrung, die der von ihm und Jürgen Klopp zusammengestellten Mannschaft entgegengebracht wurde. Bereits am Vortag hatte sich angedeutet, welche Emotionen der unerwartete Erfolg der Borussen in der abgelaufenen Saison freisetzen wird. Nachdem BVB-Kapitän Roman Weidenfeller um 17.41 Uhr die Meisterschale überreicht bekommen hatte, gab es für die Fans kein Halten mehr. Vom eigentlichen Plan, die Flutung des Stadion-Innenraums zu vermeiden, musste schnell Abstand genommen werden: Die Anhänger strömten von der Südtribüne auf den Rasen. "Es ist trotzdem alles friedlich geblieben", sagte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke: "Das macht mich froh und stolz auf unsere Fans."

Was die Ursprünglichkeit der Freude anging, hatte die Titelfeier denen nach früheren Dortmunder Erfolgen aus den 90er-Jahren oder von 2002, als der BVB letztmals Meister geworden war, einiges voraus: Die jungen Spieler waren völlig losgelöst. Sowohl nach der Meisterehrung im Stadion als auch in der Kabine oder beim nachfolgenden Meisterbankett im "U-Turm", einem Kultur- und Kunstzentrum in der Innenstadt, gab es kein Halten mehr. "Das waren orgastische Gefühle", sagte Patrick Owomoyela, der einst bei Grün-Weiß Eimsbüttel das Fußballspielen lernte. "Wenn ich jetzt im Sommer zum Urlaub in Hamburg bin, bringe ich meine Meistermedaille mit und zeig sie ein bisschen rum. Aber Hamburg ist ja jetzt Handballmeister. Auf diesem Weg Grüße und Glückwunsch an Pascal Hens."

"Das ist durch nichts zu übertreffen. Das waren die schönsten zehn Jahre meines Lebens, ich werde jeden Einzelnen hier sehr vermissen", meinte Spielmacher Nuri Sahin, der zuvor nach zehn Jahren in Diensten des BVB tränenreich Abschied genommen hatte und ab der kommenden Saison bei Real Madrid spielen wird. Am Tag darauf flossen erneut Tränen. Dede, in den vergangenen 13 Jahren Publikumsliebling in Dortmund, nahm, auf dem Dach des Meistertrucks sitzend, die Ovationen der Fans entgegen. "Vor 13 Jahren habe ich ebenfalls nur geheult, weil ich Heimweh ohne Ende hatte. Da hat mein Vater zu mir gesagt: Beiß dich da durch, und werde ein Mann!", sagte der Brasilianer: "Jetzt bin ich ein Mann und muss wieder heulen."

Im Mittelpunkt der Feierlichkeiten stand auch Klopp. Der Trainer erschien, etwas gezeichnet von einer langen Nacht, mit Sonnenbrille. "Es war eine unglaubliche Saison, ich kann es immer noch nicht richtig fassen", sagte der frühere Mainzer Coach. Er genoss es besonders, den traditionsreichen Borsigplatz zu umrunden. "Es ist unglaublich, wenn man den Platz, der diesen Verein symbolisiert, umrundet und nur in glückliche Gesichter schauen kann", sagte Klopp. Am Borsigplatz war der BVB 1909 in der Gaststätte zum Wildschütz gegründet worden. Ein Verein, der eine Stadt in seinen Bann ziehen sollte. Getreu dem Motto, das Dortmunds selbst ernanntes Feierbiest Kevin Großkreutz der Meisterfeier gestern gegeben hatte: "Wir sind alle Dortmunder Jungs."