Hooligans stürmen in Frankfurt nach dem 0:2 gegen Köln das Feld. Der Abstieg der Eintracht rückt immer näher

Frankfurt am Main. Die Szenerie hatte schon etwas Groteskes. An der Seitenauslinie lagen ein Dutzend platt gedrückte Werbebanden, eine Polizei-Hundertschaft in Kampfanzügen war aufmarschiert, überall stiegen Rauchschwaden empor. Und vor den Zäunen tobte der Mob. 150 Hooligans hatten mehrmals das Spielfeld gestürmt und ihre ganz eigene Abschiedsparty von der Bundesliga gefeiert, denn Eintracht Frankfurt zieht es buchstäblich mit Gewalt in die Zweite Liga.

Da griff der Zwei-Meter-Mann im blauen Anzug zum Megafon und hatte eine vermeintlich gute Idee: "Lasst uns gemeinsam 'Wir sind alle Frankfurter Jungs' singen." Ein rührender Versuch von Klub-Präsident Peter Fischer, zu retten, was nicht mehr zu retten war. Jedenfalls sang keiner mit, und er zog mit Tränen in den Augen von dannen.

Trotzdem erntete Fischer Lob von seinem Vizepräsidenten Axel Hellmann: "Der Präsident hat die Situation durch intensive Gespräche mit den Ultras gerade noch gerettet. Sonst wäre das hier alles eskaliert." Nun, eskaliert war es eigentlich schon, selbst wenn die Polizei keine Verletzten meldete. Trotz des Einsatzes von Schlagstöcken und Tränengas auf der einen und allerlei Wurfgeschossen auf der anderen Seite. Immerhin gab es drei Festnahmen, Ermittlungen gegen weitere Täter werden folgen. Nach der vergeblichen Bitte "Nun geht alle wieder in euren Block und beruhigt euch", drohte der Stadionsprecher: "Wir lassen uns das nicht gefallen, ihr kriegt alle Stadionverbot!"

"Das sind ganz schlimme Bilder, die wir in Frankfurt nicht sehen wollen", sagte Aufsichtsratschef Wilhelm Bender. Der Vorstandsvorsitzende der Fußball AG, Heribert Bruchhagen, rechnet damit, dass sie immer wiederkommen werden, nicht nur in Frankfurt: "Das wird jetzt Tradition bei Absteigern, das sind Modeerscheinungen in der Bundesliga. Ich erinnere nur an Berlin", sagte er der "Welt". Anhänger von Hertha BSC hatten im Frühjahr 2010, teils mit Eisenstangen bewaffnet, nach einer Niederlage den Platz gestürmt und erheblichen Sachschaden angerichtet.

In Frankfurt ging außer den Werbebanden nach ersten Mitteilungen nur eine TV-Kamera zu Bruch, deren Wert auf 600 000 Euro beziffert wird. Ein Hooligan zertrümmerte sie mit einem Eisenständer. Ein kleiner Transportwagen wurde in Richtung Polizeikräfte geworfen, während die geschockten Spieler mit dem Schrecken davonkamen. Nach der 0:2-Niederlage gegen den 1. FC Köln gewannen sie den Spurt gegen ihre Fans und flohen unversehrt in die Katakomben. Aber nach einer Dreiviertelstunde, als der Mob noch immer tobte, gingen sie unter Anführung von Trainer Christoph Daum wieder hinaus.

Daum sprach auf der verspätet begonnenen Pressekonferenz wie ein Polizeipsychologe. Man habe "deeskalierend gewirkt", "sehr viele gute Gespräche geführt", sagte er und nahm die Randalierer, wie viele Beobachter meinten, über Gebühr in Schutz. Kein Wort über die Unverhältnismäßigkeit der Frustausbrüche, immer nur Beschwichtigungen: "Nach so einem Spiel enttäuscht zu sein, ist das Recht von allen." Auch vom Verein war am Wochenende keine Stellungnahme zu den skandalösen Zuständen zu erfahren, auf der Homepage stand am Sonntag nur ein Spielbericht. Alles nur geträumt?

Der Kontrollausschuss des DFB werde sich mit den Vorfällen befassen, kündigte DFB-Mediendirektor Ralf Köttker an. Der DFB-Sicherheitsbeauftragte Helmut Spahn kritisierte die Vorfälle als "völlig inakzeptabel". Den "laxen Umgang der Eintracht mit gewaltbereiten "Fans", die beinahe regelmäßig bei Auswärtsspielen aus der Rolle fallen und dafür sorgen, dass der Klub die Tabelle nach Geldstrafen unangefochten anführt, hat unter der Woche auch die Polizei moniert.

Bruchhagen sagte dazu: "Das ist alles nicht so einfach. Man muss auch mal fragen, woher das kommt und wer das steuert." Ein Ende ist nicht in Sicht, und Vizepräsident Axel Hellmann malte das nächste Horrorszenario schon an die Wand: "Meine größte Angst gilt dem Spiel in Dortmund. Wenn die Borussen mit der Meisterschale vor unserem Block rumtanzen ..."

Auch aus sportlichen Gründen müssen sich die Frankfurter vor dem finalen Spiel Sorgen machen. Wer sechs Tore in der Rückrunde erzielt hat, kann bei der besten Abwehr der Bundesliga-Historie (gleichauf mit Bayern München 2008) kaum mit einem Erfolg rechnen. Auch dem als Motivator hochgelobten Trainer gehen die Argumente für ein Wunder aus. Daum sagte, er habe "keine Fakten mehr, nur Phrasen und Durchhalteparolen".

Er wird nicht mehr lange durchhalten müssen, die Partie am Sonnabend bei Borussia Dortmund wird höchstwahrscheinlich sein Abschiedsspiel. Dann muss sich die Eintracht einen neuen Trainer suchen, der Vertrag gilt nicht für die Zweite Liga. Marcel Koller soll bereitstehen. Immerhin betonten Leistungsträger wie Ioannis Amanatidis und Pirmin Schwegler, auch in der Zweiten Liga zu spielen.

Auch wenn der Kontrakt von Heribert Bruchhagen nicht für das Unterhaus gilt, ist er bereit, Verantwortung zu übernehmen: ".Ich bin der Hauptverantwortliche. Es wäre unsportlich, wenn ich mich jetzt vom Acker machen würde." Das sieht nicht jeder positiv.