Zehntausende Münchner Fans jubeln Louis van Gaals Meistermannschaft zu, die jetzt das Triple schaffen will

München. Irgendetwas stimmte an dieser Szene nicht. Da saß Ivica Olic im Cabrio seines Sponsors, bereit zum Start des Autokorso. Olic, der Kroate, war ganz zünftig in bayerischer Tracht gekleidet, neben ihm lächelte Danijel Pranjic. Und was machte Olic? Er nahm einen kräftigen Schluck aus einer Wasserflasche. "Gestern zu viel Alkohol, heute Wasser", sagte er und grinste. Es war ein zu verschmerzender Fauxpas, den sich Olic gestern bei den Meisterfeierlichkeiten des FC Bayern leistete.

Von der Säbener Straße ging es für die Münchner zum obligatorischen Meisterauftritt auf dem Rathausbalkon vor zehntausenden von Fans auf dem Münchner Marienplatz. Angeführt natürlich von Louis van Gaal. Das zuvor angesetzte Training hatte er kurzerhand gestrichen. Dabei hatte van Gaal im Vorfeld noch streng verlauten lassen: Wer feiern könne, könne auch trainieren. Und: "Abends ein Mann, morgens ein Mann." Doch das selbsternannte "Feier-Biest" (van Gaal über van Gaal) hatte dann doch Erbarmen mit den Seinen und auch mit sich selbst.

Erst zum nachmittäglichen Autokorso hatte er die Mannschaft an die Säbener Straße beordert, damit vor dem zweiten Teil der Meisterfeier wenigstens noch ein paar Stunden Schlaf nach jener nächtlichen Feierorgie möglich waren. "Um vier Uhr morgens bin ich nach Hause", erzählte Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge, weil er am Sonntag Verpflichtungen hatte. Doch da war alles noch in vollem Gange. Zu diesem Zeitpunkt hätten die Profis van Gaal gerade bekniet, sich weiter mit ihnen ins Münchner Nachtleben zu stürzen, erzählte Rummenigge. Und so ging es gemeinsam vom Nobelrestaurant in die nächste In-Disco.

Es war ein Bild, das viel über das Verhältnis zwischen Trainer und Mannschaft aussagt. "Die Mannschaft stand immer hinter mir. Das ist das Beste, was ein Trainer bekommen kann", hatte van Gaal schon am Sonnabendnachmittag in Berlin gesagt und meinte damit auch jene Zeiten im Herbst, als es nicht so lief. "Wir haben zusammen immer daran geglaubt, dass wir es schaffen. Und das Resultat ist gekommen."

Mit 3:1 hatten die Münchner zuvor auch das finale Bundesligaspiel bei Hertha BSC gewonnen. Der Titel war ihnen schon vor dem Anpfiff sicher. Doch van Gaal wäre nicht van Gaal, wenn er nicht auch für den Trip nach Berlin ambitionierte Ziele ausgegeben hätte. Er wolle auch die beste Abwehr und den besten Angriff der Liga stellen, hatte er gesagt, immerhin lag man in der Offensiv-Wertung ein Tor hinter Werder Bremen. Die Seinen taten, was er ihnen aufgetragen hatte. "Ich bin unglaublich stolz", lobte van Gaal. "Unser Trainer will in allen Tabellen vorne stehen", sagt Bastian Schweinsteiger, und dass er den Spielern den von ihm gelebten Perfektionismus übertragen hat.

Es war eine selten ausgelassene Stimmung, die die Münchner in Berlin zelebrierten und die ein guter Gradmesser für die Bedeutung des Titels ist. Sie tanzten Polonaise mit der Meisterschale, sie schwenkten Fahnen, und Franck Ribéry trug eine orangefarbene Perücke wie zum Beweis, dass er und sein holländischer Trainer bestens harmonieren. Zuvor waren jene Fragen beantwortet worden, die an diesem Nachmittag als einzige höchste Spannung garantierten: Wer sichert sich den Weißbierskalp van Gaals, wie lange kann er seine Fönfrisur verteidigen?

Kurz nach der Pause hatte sich van Gaal seines Anzugs entledigt und im schlichten Trainingsdress auf der Bank Platz genommen. Er wusste, was ihn erwartete, auch wenn er vorher gemahnt hatte, er möge Bierduschen gar nicht, "dann stinkt alles." Es war ein wenig Koketterie, denn ein Entkommen gab es für ihn nicht. Und so spielten sich unterhaltsame Jagdszenen auf dem Rasen des Olympiastadions ab. Letztlich war es Kapitän Mark van Bommel vorenthalten, seinem Chef das Gebraute über den Kopf zu schütten. Jener nahm es mit Jubel. "Es ist gut, dass die Stimmung so prima ist. Wir haben ja noch einiges vor", sagte van Gaal.

Diese Tage in München sind ein Mix aus Party, Saisonbilanz, und Zukunftsplanung. Im Wochenrhythmus stehen für die Münchner noch zwei Spiele an, zwei Spiele bis zum möglichen Triple, das Pokalfinale am Sonnabend gegen Werder Bremen und das Endspiel um Europas Krone eine Woche später gegen Inter Mailand. "Wir können Historisches schaffen, das wäre unglaublich", sagte van Bommel. "Die Saison ist jetzt schon herausragend", sagt Uli Hoeneß, der Präsident. "Wir haben immer dem Trainer gesagt, die Deutsche Meisterschaft ist das Wichtigste, alles andere ist die Zugabe wie in der Oper." Er musste sich schon fragen lassen, wie es denn dann weitergehen solle, wenn es gar mit dem Triple klappen sollte? "Wenn wir das schaffen sollten", dozierte Hoeneß, dann wolle man die nächste unglaubliche Herausforderung annehmen und in der Höhenluft bestehen. "Das ist noch mal schwerer als nach oben zu kommen." Doch bis sich diese Überlegungen überhaupt stellen, werde man weiter "Schritt für Schritt" agieren.

So waren die Vereinsoberen gestern schnell bei aktuellen Personalien angelangt. Bei der von Franck Ribéry beispielsweise, dessen Zukunft sich erst nach der Saison entscheidet. "Ich bin ziemlich optimistisch, dass Ribéry nicht nur nächstes Jahr, sondern auch darüber hinaus für Bayern München spielt", sagte Rummenigge im "Doppelpass".