Hamburg. Beim 3:0-Sieg gegen die Eisbären Berlin beweist Hamburgs Eishockeyteam Zusammenhalt und Defensivstärke

Aus der Kabine dröhnte Helene Fischers „Atemlos“, das ein feierwütiger Geschmacksverirrter aufgelegt hatte, während Dimitrij Kotschnew auf dem Flur der Barclaycard-Arena auf die Euphoriebremse trat. Man möge doch die Kirche im Dorf lassen, mahnte der Torhüter der Hamburg Freezers, nachdem er beim 3:0 (2:0, 0:0, 1:0)-Sieg gegen Tabellenführer Eisbären Berlin am Sonntagnachmittag zum ersten Mal in dieser Saison ohne Gegentor geblieben war. Der schwache Saisonstart in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) mit fünf Niederlagen aus den ersten sieben Partien sei durch den überzeugenden Auftritt in Spiel acht keinesfalls getilgt. „Wir sind nicht in Panik verfallen, weil es hier ja nicht außergewöhnlich ist, schwach in die Saison zu starten“, sagte der 34-Jährige in Anspielung auf die vergangenen beiden Spielzeiten. „Aber wenn wir weiter das tun, was wir heute getan haben, dann werden wir wieder langsam nach oben krabbeln.“

Kotschnew, nach dem schweren Bandscheibenvorfall von Sébastien Caron einziger verbliebener Stammtorwart, hatte sich gerade seiner Feuerwehruniform entledigt, die er als wertvollster Spieler des Tages bei der Ehrenrunde vor den Fans hatte tragen dürfen. Die Lobeshymnen, die auf seine Leistung gesungen wurden, wehrte er ebenso kompromisslos ab wie die Schüsse der Eisbären zuvor. „Abwehrarbeit ist immer eine Aufgabe des gesamten Teams. Wir haben heute gewonnen, weil wir 20 Feuerwehrmänner auf dem Eis hatten“, sagte er.

Damit war die Partie gegen den Bruderclub aus der Hauptstadt – beide gehören der Anschutz Entertainment Group – treffend analysiert. Hatte die Gegentorflut von 3,4 pro Spiel in den vergangenen Tagen Anlass zur Sorge gegeben, so konnten sich die 10.189 Zuschauer am Sonntag davon überzeugen, wie stark die Hamburger auftreten können, wenn sie sich auf das konzen­trieren, was ihr Trainer Serge Aubin von ihnen will: Bedingungslosen Einsatz füreinander, 60 Minuten lang, und der Abwehrarbeit Vorrang geben vor dem Offensivspektakel. „Ich predige seit Saisonbeginn, dass die Defensive im Mittelpunkt stehen muss, wenn man Spiele gewinnen will, und dass wir uns 60 Minuten lang an unser Konzept halten müssen. Wenn wir, so wie heute, das tun, was die Hamburg Freezers ausmacht, dann sind wir sehr schwer zu besiegen“, sagte der Frankokanadier.

Aubin hatte mit seinen Personalrochaden großen Anteil am Sieg. Nordamerika-Rückkehrer David Wolf durfte beim Heim-Comeback auf seiner angestammten Linksaußenposition agieren, nachdem er beim 3:4 in München am vorvergangenen Sonntag und beim 1:4 in Augsburg am vergangenen Freitag Mittelstürmer gespielt hatte. Der 26-Jährige belohnte sich mit Vorlagen vor dem 1:0 durch Jerome Flaake (sechstes Saisontor) und dem 2:0 von Marcel Müller für seine Leistung. Herausstechend war aber vor allem das, was Wolf nicht tat. Als ihm nach Ende des ersten Drittels Berlins Spencer Machacek an den Kragen wollte, ließ Wolf statt der Handschuhe nur die Arme fallen und signalisierte den Schiedsrichtern, dass er an einem Kampf nicht interessiert sei. „Das zeigt, wie reif David geworden ist. Früher wären sofort die Handschuhe geflogen, jetzt weiß er, wann er sich zurückhalten muss“, lobte Aubin.

Die Rückkehr der Paradereihe Dupuis, Oppenheimer, Müller war wichtig

Ebenso wichtig wie Wolfs Umbesetzung war die Rückkehr der Paradereihe mit Marcel Müller, Thomas Oppenheimer und Phil Dupuis. In der Vorbereitung und beim 4:2-Auftaktsieg gegen Ingolstadt hatte das Trio nach Belieben gezaubert, danach jedoch „das Schummeln angefangen und nur noch ans Toreschießen gedacht“, wie der Trainer sagte. Daraufhin hatte er die Reihe gesprengt, um ihr nun gegen die Eisbären zum Comeback zu verhelfen. „Das Zeichen ist angekommen. Wir haben verstanden, was wir tun müssen, um erfolgreich zu sein“, sagte Müller.

Das zumindest ist die Hoffnung, die am Sonntag in allen Stellungnahmen mitschwang. „Dieses Gefühl, die Topteams der Liga souverän besiegen zu können, müssen wir konservieren“, sagte Müller, „aber schon am Freitag in Iserlohn geht alles wieder von vorne los. Dann müssen wir uns beweisen.“ Die Antwort auf die Frage, ob der Erfolg eine Initialzündung gewesen sein könnte, muss deshalb noch etwas zurückgestellt werden. „Für uns geht es jetzt darum, Konstanz zu schaffen. Wenn wir so zusammenhalten wie heute, dann sind wir kaum zu stoppen“, sagte Abwehrneuzugang Sean Sullivan, dem mit einem brachialen Schlagschuss zum 3:0 sein erstes Tor im Trikot der Freezers gelang.

Dass die Spieler in der Lage sind, ihre beste Leistung abzurufen, wenn es notwendig ist, sollte Mannschaft und Verantwortlichen Selbstvertrauen geben. Warum sie noch nicht in der Lage sind, dies in jedem Spiel zu tun, will Aubin in den kommenden Wochen herausfinden. „Wenn wir immer so spielten wie heute“, sagte der 40-Jährige, „dann bräuchte ich mir niemals Sorgen zu machen.“ Andererseits wäre sein Beruf dann auch langweiliger.

Tore: 1:0 (4:24) Flaake (Wolf, Liwing), 2:0 (11:44) Müller (Davies, Wolf) 5-4, 3:0 (49:01) Sullivan (Müller). Strafminuten: 8/10. Schiedsrichter: Haupt/Schukies (Kempten/Herne). Zusch.: 10.189.