Hamburg. Trainer Serge Aubin lässt im Abendblatt die Saison 2014/15 der Hamburg Freezers Revue passieren und blickt in die Zukunft.

Serge Aubin ist überpünktlich, als er das Abendblatt im Restaurant Vesper in Eimsbüttel zum Interview empfängt. Der erste Schock über das Aus im Viertelfinale der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) ist verdaut. Der Trainer der Hamburg Freezers, die am Gründonnerstag ab 18 Uhr in der O2 World ihre Saisonabschlussfeier abhalten, spricht über seine erste Spielzeit als Cheftrainer, eigene Fehler und die Zukunft der „Eisschränke“.

Hamburger Abendblatt: Herr Aubin, das Motto des Clubs vor den Play-offs hieß „Ein Ziel, sonst nichts“. Wie fühlt es sich an, wieder eine Spielzeit mit „nichts“ zu beenden?

Serge Aubin: Mir geht es nach wie vor nicht besonders gut. Ich bin hier, um Titel zu holen. Daher kann ich mit dem Endresultat natürlich nicht zufrieden sein, wohl aber mit der Art und Weise, wie wir aufgetreten sind.

Wie schwer fällt es Ihnen als jemand, der als Spieler ein Siegertyp war, eine Saison ohne Titel als Erfolg wertzuschätzen?

Aubin : Das ist natürlich nicht leicht, aber ich sehe es so: Dieses Jahr haben wir gelernt, gegen Widerstände zu kämpfen. Man darf nie vergessen, wie viele Dinge auf uns eingestürzt sind. Trainerwechsel, diese unglaubliche Verletzungsseuche, Sperren. Wir sind alle als Männer gewachsen und nehmen unheimlich viel Positives mit aus dieser Spielzeit.

Dennoch hat es für das Halbfinale nicht gereicht. Was müssen Sie Ihrem Team im Nachhinein vorwerfen?

Aubin : Ehrlich gesagt gar nichts. Wir haben alles aus uns herausgeholt, was möglich war. Was keiner weiß: Neben unseren sechs Langzeitverletzten spielten in der entscheidenden siebten Partie Christoph Schubert und Mathieu Roy schwer angeschlagen. Sie konnten beide einen ihrer Arme kaum mehr anheben. Die Jungs haben sich aufgeopfert. Am Ende ist uns einfach das Benzin ausgegangen.

Wie war es für Sie als Co-Trainer, plötzlich als Chef im Fokus zu stehen und eine Mannschaft zu übernehmen, die nach vier Spieltagen sportlich und emotional am Boden lag?

Aubin : Es hat nicht lange gedauert, bis ich den Job lieben gelernt habe. Ich bin morgens aufgewacht und hatte große Lust, so schnell es geht in die Arena zu fahren, Ich habe unheimliche Freude empfunden, Spiele vorzubereiten, jedes kleine Detail herauszuarbeiten, das meine Mannschaft besser macht. Manchmal hätte ich am liebsten die Schlittschuhe geschnürt und hätte selbst gespielt. Aber ich bin jetzt da, wo ich hingehöre.

Dennoch hat es viele erstaunt, dass Sie keinerlei Anpassungsschwierigkeiten im neuen Job hatten.

Aubin : Ich habe so gecoacht, wie ich es als Spieler gewollt hätte, trainiert zu werden. Als ich das Team übernommen habe, hatte ich den Vorteil, jeden Spieler zu kennen. Sportlich, aber vor allem auch menschlich. Für mich war der Schlüsselmoment, als wir im Februar vier Spiele in einer Woche hatten und mit 13 gesunden Spielern nach Köln gefahren sind. Ich habe zu den Jungs gesagt: In diesen Tagen definiert sich, wer wir sind. Wir haben dann 4:1 gewonnen. Das war unglaublich. Ich gebe zu, dass ich auch mal laut werden musste. Das mag ich nicht, aber es muss manchmal sein. Ich erhebe meine Stimme nicht, um jemanden zu kritisieren, sondern um eine Reaktion der Spieler zu bekommen. Solche lauten Ansprachen verbrauchen sich aber schnell.

Welche Fehler werfen Sie sich vor?

Aubin : Ich bin sehr selbstkritisch, daher werde ich sicher auch meine Leistung aufarbeiten. In der Düsseldorf-Serie hätte ich vielleicht häufiger meine junge vierte Reihe einsetzen müssen. Die DEG hat viele wichtige Tore durch die Youngster erzielt. Aber in Spiel sechs und sieben hätte ich einem Sam Verelst oder Patrick Klöpper keinen Gefallen damit getan, sie in der wichtigen Phase aufs Eis zu schicken.

In welchen Bereichen sehen Sie bei sich selbst noch Steigerungsbedarf?

Aubin : Ich werde in Zukunft mehr Wert auf das Unterzahltraining legen. Da haben wir Nachholbedarf. Genauso stört es mich, dass wir zu oft nach einem eigenen Treffer im Gegenzug ein Tor kassiert haben. Aber ich glaube nicht, dass ich ein Spiel vercoacht habe. Das ist bei der Mentalität dieser Spieler auch schwer.

Was zeichnet den besonderen Charakter Ihres Teams aus?

Aubin : Keiner spielte, um seine Statistik aufzuhübschen, jeder hat seine Rolle im Team akzeptiert. Ich nenne Ihnen ein Beispiel, das genau das belegt. Unsere dritte Reihe hat einen Wechsel lang so hart gearbeitet, dass sie eine Strafe provoziert haben. Die Jungs fuhren dann zur Bank und sagten zu unseren Powerplay-Spielern: Los, bestraft sie für die Strafzeit. Als das Tor dann tatsächlich für uns fiel, riefen die Spieler auf dem Eis zur Bank hinüber: Das Tor war für euch, Jungs! Ein toller Moment. Das werde ich nie vergessen.

Sie loben Ihr Team in höchsten Tönen. Dennoch werden sich die Freezers von einigen Spielern trennen. Wie gehen Sie damit um?

Aubin : Ich liebe alle meine Jungs und würde am liebsten alle behalten. Aber frisches Blut ist notwendig. Interner Konkurrenzkampf ist wahnsinnig wichtig, um in der Entwicklung einen Schritt nach vorne zu machen.

Was brauchen die Freezers, um die Chancen auf den Titelgewinn zu erhöhen? Fehlte im Sturm ein „Drecksack“ der Marke David Wolf?

Aubin : Einen Spieler wie Wolf gibt es nicht oft auf dem Markt. Ich finde auch nicht, dass uns Härte gefehlt hat. Durch den kleinen Kader konnten wir in der Offensivzone gar nicht so aggressiv im Forechecking sein. Daher wirkte es vielleicht so, dass wir nicht so zweikampfstark nach vorne waren. Ich musste unser System den Gegebenheiten anpassen. Für die neue Spielzeit suchen wir Spieler, die Geschwindigkeit mitbringen. Das ist im modernen Eishockey gerade ein Schlüsselfaktor.

Sind Sie in die Verpflichtungen von Spielern involviert oder müssen Sie das Personal trainieren, das Ihnen Sportchef Stéphane Richer vorsetzt?

Aubin : Wir sprechen alles gemeinsam durch, aber die finale Entscheidung trifft bei den Transfers Richer. Im Mai werden wir gemeinsam zur Weltmeisterschaft nach Prag fliegen, dort Partien anschauen und mit Agenten und Trainern sprechen. Wir werden auch in der kommenden Saison wieder ein starkes Team aufbieten.

Freezers scheitern in den Playoffs

Enttäuschung bei den Freezers nach dem Playoff-Aus im Viertelfinale gegen die DEG
Enttäuschung bei den Freezers nach dem Playoff-Aus im Viertelfinale gegen die DEG © WITTERS | ValeriaWitters
Das entscheidende siebte Spiel der umkämpften Serie verloren die Freezers um Thomas Oppenheimer mit 1:2 vor heimischer Kulisse
Das entscheidende siebte Spiel der umkämpften Serie verloren die Freezers um Thomas Oppenheimer mit 1:2 vor heimischer Kulisse © WITTERS | ValeriaWitters
Auch Morten Madsen war sichtlich niedergeschlagen
Auch Morten Madsen war sichtlich niedergeschlagen © WITTERS | ValeriaWitters
Freezers-Torwart Sebastien Caron hielt viel, doch beim entscheidenden Treffer durch Düsseldorfs Travis Turnbull war er machtlos
Freezers-Torwart Sebastien Caron hielt viel, doch beim entscheidenden Treffer durch Düsseldorfs Travis Turnbull war er machtlos © WITTERS | ValeriaWitters
Kevin Clark erzielte zuvor den Ausgleich für die Freezers
Kevin Clark erzielte zuvor den Ausgleich für die Freezers © WITTERS | ValeriaWitters
Sebastien Caron bei einer Parade
Sebastien Caron bei einer Parade © WITTERS | ValeriaWitters
Unschöne Szene nach der Partie: Christoph Schubert verabschiedete sich in einer Rede bei den Fans und wurde dabei von den DEG-Fans durch lautstarke Pfiffe unterbrochen
Unschöne Szene nach der Partie: Christoph Schubert verabschiedete sich in einer Rede bei den Fans und wurde dabei von den DEG-Fans durch lautstarke Pfiffe unterbrochen © WITTERS | ValeriaWitters
Auch das siebte Spiel der Serie war sehr umkämpft: Hier checkt DEG-Spieler Alexander Thiel Nico Krämmer
Auch das siebte Spiel der Serie war sehr umkämpft: Hier checkt DEG-Spieler Alexander Thiel Nico Krämmer © WITTERS | ValeriaWitters
Andreas Martinsen fällt auf Christoph Schubert drauf
Andreas Martinsen fällt auf Christoph Schubert drauf © WITTERS | ValeriaWitters
Alexander Preibisch bekommt die Härte von Freezers-Profi Matt Pettinger zu spüren
Alexander Preibisch bekommt die Härte von Freezers-Profi Matt Pettinger zu spüren © WITTERS | ValeriaWitters
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