Eishockeyprofi Pettinger hilft den Hamburg Freezers als Stürmer und Verteidiger – auch an diesem Freitag gegen Berlin

Hamburg. Der neue Mann auf dem Eis der Volksbank-Arena fiel sofort auf, weil er statt des obligatorischen Helms nur ein weißes Baseballcap trug. Bayne Pettinger konnte sich allerdings nicht aufdrängen, um in den Kader der Hamburg Freezers für das Heimspiel gegen den Erzrivalen Eisbären Berlin an diesem Freitag (19.30 Uhr, O2 World) zu rücken. Dass ihm dazu mehr fehlte als nur ein Helm, das wurde deutlich, als der 27-Jährige zum Steigerungslauf gegen Serge Aubin antrat – und vom zwölf Jahre älteren Cheftrainer der „Eisschränke“ gnadenlos abgehängt wurde.

Bayne Pettinger, der für den kanadischen Verband arbeitet und als Teammanager am vergangenen Wochenende beim Deutschland-Cup in München weilte, ist seit Montag und noch bis Sonnabend in Hamburg, um seinen Bruder zu besuchen. Matt Pettinger erlebt seine fünfte Saison in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL), doch weder in den zwei Jahren bei den Kölner Haien noch in seiner seit Sommer 2012 währenden Hamburger Zeit konnte er Familienmitglieder aus Übersee begrüßen. „Umso schöner ist es, dass Bayne jetzt hier ist. Wir versuchen, so viel Zeit wie möglich miteinander zu verbringen, also war er auch beim Training dabei“, sagt der 34-Jährige, „für mich ist das eine richtig gute Abwechslung.“

Nicht, dass der Kanadier diese unbedingt nötig hätte, im Gegenteil: Pettinger hat in diesen Wochen wohl den abwechslungsreichsten Job bei den Freezers. Der unscheinbare, stets zurückhaltend wirkende NHL-Veteran, der 422 Spiele in Nordamerikas Topliga absolvierte, ist in Aubins Auswahl der Allrounder. Seit Aubins am 25. September entlassener Vorgänger Benoît Laporte den gelernten Stürmer in der vergangenen Saison in der größten Verletzungsnot zum Verteidiger umfunktionierte, hat Pettinger Erfahrungen gesammelt, die er auf seine alten Tage nicht mehr für möglich gehalten hatte.

An den Moment, der seiner Karriere einen neuen Impuls gab, erinnert sich „Mister Petty“, wie er im Freezers-Umfeld genannt wird, genau. „Laporte fragte, wer in der Lage sei, als Verteidiger auszuhelfen. Ich hatte in der Jugend mal als Abwehrspieler angefangen und dachte, dass ich es ja mal probieren könnte. Ich glaubte, dass es nur für zwei Wochen wäre“, sagt er. Es wurden mehrere Monate, und weil er seinen neuen Posten mit großem Verantwortungsbewusstsein und kleiner Fehlerquote ausfüllte, eröffnete ihm Laporte im Abschlussgespräch nach der Saison, dass er ihn auch nach dem Sommer als Verteidiger einzusetzen gedenke.

Das Gerücht, man habe ihm gedroht, den schon vor dem Saisonende unterzeichneten Vertrag für die Spielzeit 2014/15 rückgängig zu machen, sollte er auf seiner angestammten Position im Sturm beharren, weist Pettinger zurück. „Ich bin nicht gezwungen worden, Abwehr zu spielen. Ich habe es gern getan, um dem Team zu helfen“, sagt er. Im Stadium der Karriere, in dem er sich befinde, ginge es ihm nicht mehr darum, sich zu beweisen. „Für mich geht es nur noch darum, Erfolg und Spaß zu haben. Und den meisten Spaß habe ich, wenn ich dort spiele, wo das Team mich braucht.“

Es ist diese Einstellung, die Pettinger zu einem unverzichtbaren Bestandteil des Tabellensechsten hat werden lassen. „Matt ist sehr wichtig für uns, weil er die Fähigkeit hat, sofort von Abwehr auf Sturm umzuschalten, manchmal auch nur für ein oder zwei Wechsel pro Spiel“, sagt Aubin, der seine Allzweckwaffe zuletzt wieder im Sturm einsetzte, weil alle sechs Topverteidiger gesund waren. Nachdem sich am Dienstag allerdings Duvie Westcott mit einem Bruch des kleinen Fingers für acht Wochen abmeldete, könnte Pettinger dessen Platz in der Defensive einnehmen.

In Nordamerika werden Spieler wie er „Utility Player“ genannt, frei übersetzt: Alleskönner. Pettinger glaubt, dass diese Bezeichnung mittlerweile gut zu ihm passt. „Ich kann nichts richtig gut, aber bis auf Torhüter alles, was ein Eishockeyprofi können muss, immerhin so, dass ich nicht dumm auffalle“, sagt er. Natürlich komme es ihm zugute, dass er als Abwehrmann von seinen Gegenspielern kaum überrascht werden könne. „In 15 Jahren als Profi habe ich jede Situation erlebt, die ein Stürmer erleben kann. Das hilft mir, gewisse Bewegungen, die mein Gegner macht, zu antizipieren“, sagt er.

Wenn sie Pettinger wählen ließen, auf welcher Position er spielen wolle, würde er sich für Außenstürmer entscheiden. „Der Druck ist für Abwehrspieler höher, man muss konzentrierter spielen, weil Fehler üble Konsequenzen haben“, sagt er, „ich habe lieber den Druck, Tore und Vorlagen produzieren zu müssen, außerdem ist Sturm meine angestammte Position.“ Aber sie lassen ihn nicht wählen. Dafür lassen sie ihn spielen, und das ist gut so, denn dann wird ihm auch nicht langweilig, wenn der Bruder wieder abgereist ist.

Stürmer Ralf Rinke, 21, wechselt auf Leihbasis zum Zweitligaclub Eispiraten Crimmitschau