Der Sportpsychologe Heiko Hansen analysiert, wie Hamburgs Eishockeyteam mit Druck umgehen kann und welch große Chance die Play-offs bieten.

Hamburg. Die Entwicklung der Hamburg Freezers verfolgt der Sportpsychologe Heiko Hansen, 48, seit der Gründung des Clubs im Jahr 2002. Der Bramstedter, der mit dem von ihm gegründeten Deutschen Sport- und Business-Institut die Bundesligafußballer von Mainz 05, diverse Nachwuchskicker, Boxer, Golfer und Tennisspieler als Mentaltrainer betreut, ist ein großer Eishockeyfan und war 2011 sogar als Teampsychologe der Hamburger im Gespräch, was letztlich an finanziellen Erwägungen scheiterte. Der Weg, den die Freezers gegangen sind, gefällt Hansen trotzdem sehr gut.

Hamburger Abendblatt: Herr Hansen, einige Experten hatten nach dem 1:2-Rückstand der Freezers in der Play-off-Viertelfinalserie gegen die Iserlohn Roosters bereits das Aus befürchtet. Waren Sie überrascht, dass Spiel vier am Sonntag so deutlich mit 4:0 gewonnen wurde?

Heiko Hansen: Nein, ich war weder überrascht davon, dass sie Probleme hatten, in die Serie hineinzukommen, noch dass sie jetzt zurückgefunden haben. Es ist normal, dass eine Mannschaft eine gewisse Eingewöhnungsphase benötigt, wenn zwischen Hauptrundenende und Play-off-Start eine Woche Pause liegt. Das ist gut für den Körper, aber kann das mentale System durcheinanderbringen, weil man in den Urlaubsmodus schaltet. Nicht umsonst haben die Spieler nach dem Sieg am Sonntag gesagt, sie hätten erst jetzt in den Play-off-Modus gefunden. Iserlohn hatte diese Pause nicht, da sie Pre-Play-offs gespielt haben.

Welche Rolle spielt es, als Hauptrundenmeister gegen den Zehnten anzutreten? Auch wenn alle sagen, sie nähmen Iserlohn absolut ernst, ist unterbewusst nicht doch ein Unterschätzen dabei?

Hansen: Das glaube ich nicht, dennoch ist es für die Freezers eine neue Erfahrung, als Erster und damit als Topfavorit in die Play-offs zu starten. Da die DEL jedoch leistungsmäßig sehr eng beisammen ist, beginnt die Saison in der Meisterrunde neu, und das muss jedes Team verinnerlichen. Mit dem 4:0-Sieg am Sonntag haben die Freezers ein deutliches Zeichen gesetzt, dass sie diese neue Herausforderung annehmen.

Wie erklären Sie sich, dass die Mannschaft im Vergleich zum ersten Spiel in Iserlohn so verwandelt aufgetreten ist?

Hansen: Sie war erstens besser darauf vorbereitet, was sie in der hitzigen Atmosphäre dort erwartet. Und Iserlohn hatte plötzlich etwas zu verlieren. Vorher waren sie der Underdog, am Sonntag waren sie der kleine Favorit. Man hat schon im dritten Spiel gesehen, dass die Roosters nicht unbedingt gewinnen, sondern nur ihr Bestes geben wollten. Das hat gereicht, weil die Freezers zu verkrampft waren, weil ihnen die Flexibilität gefehlt hat. Man sieht es immer deutlich, wenn sie zu viel wollen, dann verkrampfen sie und machen viele Stockfehler.

Was kann aus Ihrer Sicht dieser klare Erfolg vom Sonntag bewirken?

Hansen: Sehr viel. Dieses Spiel kann der Schlüssel zum Sieg in der Viertelfinalserie gewesen sein. Die Spieler wissen jetzt, dass sie unter hohem Druck die mentale Stärke haben, um ihre Bestleistung abzurufen. Sie haben bewiesen, dass sie den Titel wollen. Sie sind als Team zusammengewachsen, haben dazu aber eine ausgeprägte kämpferische Einstellung und einen hohen Siegeswillen. Sie müssen jetzt nur in diesem „Inner Winner“-Modus bleiben. Es wäre tödlich, sich zurückzulehnen und nicht in jedem Spiel auf Sieg zu spielen. Sie werden vielleicht noch einige Spiele verlieren, aber der Wille zum Sieg muss immer erkennbar sein, so wie es in der Hauptrunde meistens war.

Wie hoch schätzen Sie die Chancen auf den Gewinn der Meisterschaft ein?

Hansen: Sehr hoch. Die Freezers haben in dieser Saison bewiesen, dass sie eine echte Mannschaft sind, in der alle gemeinsam Erfolg haben wollen. Sie haben die riesige Chance, eine neue Freezers-Identität zu erschaffen, die nicht nur auf die Hoffnung auf Erfolg aufbaut, sondern auf tatsächlichen Erfolg. Das wäre viel mehr wert als der Titel.