Der Abwehrspieler der Hamburg Freezers ist vor dem Gastspiel in Iserlohn am Sonntag der einzige Stammspieler, der noch kein Tor erzielt hat. Im Abendblatt erklärt der 32-Jährige, warum ihn das kalt lässt.

Hamburg. Die Frage nach der Null, die in der Spalte „Tore“ in seiner Statistik steht, gefällt Kevin Lavallée gar nicht, und man muss den Eishockeyprofi der Hamburg Freezers auch verstehen. Einerseits ist es sicherlich nicht schön, der einzige Stammspieler im offensivstärksten Team der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) zu sein, der zu den bislang 143 Saisontoren kein einziges beigesteuert hat. Zum anderen ist Lavallée Verteidiger, seine Aufgabe ist es, einfach zu spielen und hinten abzusichern.

Und weil die Freezers vor dem Gastspiel bei den Iserlohn Roosters am Sonntag (17.45 Uhr/Servus TV), für das Torhüter Dimitrij Kotschnew, Abwehrspieler Daniel Nielsen (beide grippaler Infekt) und Topscorer Jerome Flaake (Probleme am Hüftbeuger) auszufallen drohen, mit 96 Gegentreffern auch die zweitbeste DEL-Defensive stellen, sieht Lavallée keinen Grund, über seine fehlende Torgefahr zu greinen.

„Da macht ihr euch wahrscheinlich mehr Gedanken drum als ich“, sagt der 32-Jährige. Zwar gab es in seiner Profikarriere, die 2001 in Augsburg begann, bislang noch keine Saison, in der er ohne eigenen Torerfolg blieb. „Aber jetzt extrem offensiv zu spielen, damit die Scheibe mal reinfällt, das würde mir nicht einfallen“, sagt er.

Der in Montreal geborene Kanadier, der 2001 seinen deutschen Wurzeln folgte, 30 Spiele und die WM-Turniere 2011 und 2012 für die deutsche Nationalmannschaft absolvierte, in Taufkirchen seine Verlobte kennen lernte und seitdem ein weiches Deutsch mit bayrischem Akzent spricht, stellt den Teamgedanken vor persönliche Eitelkeit. „Meine Statistiken sind mir wirklich völlig egal“, sagt er, „mein einziges Ziel ist es, mit den Freezers Meister zu werden.“

Seinen Beitrag dazu leistet Lavallée so unauffällig wie unaufgeregt. Er tut, was Trainer Benoît Laporte von ihm erwartet, er macht selten großartige Dinge und ebenso wenige grobe Fehler. Lavallée ist ein verlässlicher Profi, der spielt, was er kann, weil er weiß, dass er damit am besten fährt. Er hat sich über die Jahre, in denen er zwischen DEL, Zweiter Liga und unteren nordamerikanischen Profiligen pendelte, eine Gelassenheit zugelegt, die ihn auch in schwierigen Phasen die Ruhe bewahren lässt. So wie im vergangenen Sommer, als er eigentlich beim Zweitligisten Dresdner Eislöwen zugesagt hatte, dann aber wegen der Verletzungsmisere in der Freezers-Abwehr einen Probevertrag bis Mitte September erhielt und sich so gut einbrachte, dass man den Vertrag bis Saisonende verlängerte.

Sein größtes Abenteuer erlebte Lavallée, als er im Herbst 2004 in der kanadischen Casting-Show „Making the Cut“ für die besten Eishockeyspieler über 19 Jahre, die noch keinen Vertrag in Nordamerika besaßen, als einer von sechs aus 4500 Teilnehmern ein Probetraining beim NHL-Team Montreal Canadiens und einen neuen Mazda RX8 gewann. Aus dem NHL-Traum wurde zwar nichts, Lavallée kehrte nach Deutschland zurück. „Aber ich habe durch diese Erfahrungen gelernt, mir nicht zu viele Gedanken um meine Zukunft zu machen, da immer etwas Neues kommt, mit dem man nicht rechnet. Deshalb weiß ich, wie wichtig es ist, den Moment zu genießen.“

Genau das tut er jetzt, in Hamburg, bei den Freezers. „Es ist doch großartig, für den Tabellenführer zu spielen und die Chance zu haben, Meister zu werden“, sagt Lavallée, „warum sollte ich mir das dadurch kaputtmachen, dass ich an meine ungeklärte Zukunft denke?“ Die Möglichkeit, am Ende dieser Saison tatsächlich mit dem Meisterpokal im Arm dazustehen, schätzt der 191 cm große Athlet hoch ein. Im vergangenen Jahr scheiterte er mit den Kölner Haien erst im Finale an den Eisbären Berlin. „Der Teamgeist, auf den es gerade in den Play-offs ankommt, ist hier noch größer als letztes Jahr in Köln“, sagt er, „hier spürt man, dass wirklich jeder für den anderen da ist.“ Er hat das ja schon am eigenen Leib erfahren dürfen: Über die Null in seiner Torstatistik hat noch keiner seiner Kollegen einen Scherz gemacht.