Ex-NHL-Profi Sébastien Caron gilt als Topkeeper mit schwierigem Charakter. Niklas Treutle ist nach der Verpflichtung des 33-Jährigen erst einmal degradiert.

Hamburg. Um 9.52 Uhr stapfte Sébastien Caron in seinen Torhüterklamotten durch die silberne Kabinentür in der Volksbank-Arena, die zur Eisfläche führt. Es waren die ersten Schritte des 33-Jährigen im Trikot der Hamburg Freezers. Anfang der Woche hatten die Freezers offiziell Kontakt zum Schlussmann aufgenommen. Am Donnerstagabend kam er in Hamburg an und absolvierte bei Teamarzt Volker Carrero den obligatorischen Medizincheck. Bereits an diesem Freitag (19.30 Uhr) wird der Frankokanadier beim wichtigen Auswärtsspiel beim Tabellenletzten Eisbären Berlin zwischen den Pfosten beim derzeitigen Vorletzten stehen.

„Auch wenn wir im Moment in der Tabelle unten stehen: Ich freue mich, bei einem tollen Club wie den Freezers spielen zu können. Ich möchte positive Stimmung reinbringen und dem Team helfen“, sagte Caron nach der knapp einstündigen Einheit auf dem Eis.

Während sich der Ex-NHL-Keeper den Reportern stellte, trainierte sich die bisherige Nummer eins Niklas Treutle den Frust von der Seele. Als längst alle Kollegen in der Kabine verschwunden waren, ließ er sich von seinem Teamkollegen Marius Möchel die Pucks um die Ohren schießen. Als der 22-Jährige vom Eis kam, versuchte er den größten Karriereknick seiner noch jungen Laufbahn in Worte zu fassen. „Ich bin sehr enttäuscht. Der Club wollte in der Situation, in der wir sind, dass ein Ruck durch die Mannschaft geht. Aber ich bin sicher, das hätte Dimitij Kotschnew durch seine Rückkehr in der kommenden Woche auch geschafft“, sagte Treutle frustriert.

In der Tat ist der Zeitpunkt des Caron-Transfers überraschend. Noch am Mittwoch hatten die Freezers verkündet, dass Stammkeeper Kotschnew, der seit März wegen eines Kreuzbandrisses pausiert, unmittelbar vor dem Comeback steht, vielleicht schon in Berlin in den Kader rückt. „Er wird am Wochenende noch nicht dabei sein. Bei einer so schweren Verletzung weiß man nie, wann und wie man zurückkommt. Die Wahrscheinlichkeit eines Rückschlags liegt bei 50 Prozent“, rechtfertigt Sportdirektor Stéphane Richer den Transfer.

Allerdings ist das Ausmaß von Kotschnews Verletzung keine neue Erkenntnis. Die Freezers hatten vor der Saison bewusst darauf verzichtet, einen neuen Torhüter zu verpflichten, weil man Treutle die Chance einräumen wollte zu zeigen, dass er das Zeug zur Nummer eins hat. Nach elf Spielen muss man konstatieren, dass Treutle nicht der erhoffte Rückhalt ist. Torwartfehler zogen sich durch die Saison des ehemaligen Junioren-Nationalkeepers wie ein roter Faden und kosteten die Freezers so Punkte. Im Eishockey ist der Torwart die Schlüsselposition, macht häufig den Unterschied zwischen einem guten und einem mittelmäßigen Team aus.

Treutle nur Teil des Krisenpuzzles

Allein Treutle die Schuld an der Talfahrt zu geben, wäre zu einfach. Der Keeper ist lediglich ein Teil des Krisenpuzzles. Trainer Benoît Laporte betonte daher, dass man den Youngster keineswegs als Sündenbock hinstellen möchte. „Es geht nicht darum, mit dem Finger auf Niklas zu zeigen. Wir müssen ihn schützen. Er weiß, dass er unnötige Gegentore bekommen hat. Treutle hatte nach manchen Spielen das Gefühl, dem Team nicht helfen zu können, sich dadurch sehr unter Druck gesetzt“, sagte Laporte, der von Caron überzeugt ist.

In der Tat gehörte der Frankokanadier stets zu den besten Keepern. Allerdings eilt Caron auch ein zweifelhafter Ruf voraus. Bei seinem Ex-Club Iserlohn Roosters galt er als Diva. Er sei kein Teamspieler gewesen und jemand, der gern eine Sonderbehandlung eingefordert hat. Zum Eklat kam es am 6. Oktober, als er eine Verletzung vorgetäuscht haben soll, um nicht mit zum Spiel nach Wolfsburg reisen zu müssen. „Ich habe nichts vorgetäuscht. Ich hatte eine Gehirnerschütterung und hätte so nicht spielen können. Ich war total schockiert, dass man mich gefeuert hat“, sagte Caron, der am Mittwoch seinen Vertrag in Iserlohn aufgelöst hatte und in Hamburg einen Kontrakt bis Saisonende unterschrieb. Roosters-Sportchef Karsten Mende wollte sich auf Abendblatt-Anfrage nicht zu Caron äußern. Im Sauerland hält sich das Gerücht, dass der Torhüter bereits seit längerer Zeit Kontakt zu den Freezers hat und seinen Abgang provoziert hat.

Ex-Freezers-Stürmer Brendan Brooks kennt Caron aus gemeinsamen Zeiten bei den Roosters. „Er ist der beste Torhüter der DEL und wird die Freezers verstärken. Caron kann allein ein Spiel gewinnen. Er ist ein spezieller Typ, aber einer, mit dem man gut auskommen kann“, sagte der Kanadier.

Das bestätigt auch Co-Trainer Serge Aubin, der in Fribourg (Schweiz) mit Caron zusammengespielt hat. Da der Torhüter der zehnte Ausländer im Team ist, aber nur neun spielen dürfen, muss Stürmer Philippe Dupuis gegen Berlin auf die Tribüne. „Es gibt keine Ausreden mehr. Wir müssen Spiele gewinnen“, sagte Laporte. Am besten schon beim Debüt von Sébastien Caron.