Duvie Westcott und Mathieu Roy wollen an diesem Wochenende die Abwehr der Hamburg Freezers zur gewohnten Stabilität zurückführen.

Hamburg. Da gibt es diese Sportlerweisheit, die besagt, dass die Offensive Spiele gewinnt, die Defensive jedoch Meisterschaften. Duvie Westcott und Mathieu Roy kennen diesen Spruch, und da sie beide Abwehrspieler sind, gefällt er ihnen. Schließlich heißt das im Umkehrschluss ja, dass sie wichtig sind, damit ihr Club seine Ziele erreichen kann. Nicht dass sie bei den Hamburg Freezers, für die die beiden Kanadier seit dieser Spielzeit auflaufen, schon vom Titel reden, nur weil die Saison in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) bislang sehr ordentlich verläuft. Aber das Halbfinale soll es schon sein, und man benötigt keine Weisheiten, um zu wissen, dass eine gute Abwehr hilfreich wäre, um das zu erreichen.

Dass die Freezers mit 92 Gegentoren den zweitbesten Defensivverbund der DEL stellen, ist zu einem Gutteil auch Roy, 29, und Westcott, 35, zu verdanken. Mit ihrer körperlichen Präsenz in den Zweikämpfen, ihrer Übersicht im Spielaufbau und der Torgefährlichkeit von der blauen Linie - Westcott traf viermal, Roy sogar siebenmal - haben sich die beiden zu den besten ausländischen Abwehrspielern seit Darren van Impe (spielte von 2003 bis 2006 in Hamburg) gemausert. Es war deshalb keine Überraschung, dass die Freezers den auslaufenden Vertrag mit Roy kürzlich vorzeitig bis 2015 verlängerten. Westcotts Arbeitspapier war bereits im Sommer auf zwei Spielzeiten angelegt worden. "Beide sind enorm wichtig für uns, auf dem Eis und in der Kabine", sagt Cheftrainer Benoît Laporte.

Wer sich mit Roy und Westcott zum Gespräch trifft, der spürt schnell, dass die beiden nicht reich werden könnten, wenn sie fürs Reden bezahlt würden. Dass sie ihren Dienst vorbildlich versehen, ist für sie selbstverständlich. "Wir versuchen nur, unseren Job zu machen, und der besteht darin, hinten den Gegner zu stoppen und unsere Stürmer in Szene zu setzen", sagt Westcott. Klingt einfach, funktioniert aber nur, wenn die gesamte Mannschaft mitarbeitet, angefangen vom Torhüter, den Roy als "den wichtigsten Mann auf dem Feld" ansieht, bis zu den Stürmern, die als erste Abwehrlinie fungieren.

"Perfekt ist es, wenn alle Mannschaftsteile so harmonieren, dass man Angriffe abfängt und im Gegenzug sofort Torgefahr kreiert", sagt Westcott, der meist neben Kapitän Christoph Schubert spielt. Roy hat entweder Patrick Köppchen oder Kevin Schmidt als Partner. Gemeinsam liefen die beiden erstmals am vergangenen Sonntag beim 3:4 in Köln auf, weil Schubert verletzt fehlte. Abseits des Eises verbringen sie mehr Zeit miteinander.

Wie schmal der Grat zwischen Erfolg und Misserfolg in der Defensive ist, erleben die Hamburger gerade. Zum Jahresende 2012 kassierten sie in fünf Spielen nur fünf Gegentore. In diesem Jahr waren es in derselben Anzahl an Partien bereits 18. Die Erklärung dafür ist allerdings einfach: Westcott leidet seit Wochen unter einem grippalen Infekt, der erst jetzt mit Antibiotika in den Griff bekommen wurde. Roy schlägt sich mit Wehwehchen an Hüfte und Rücken herum. Zudem fielen auch Kapitän Schubert und Supertalent James Bettauer teilweise verletzt aus. "Im Normalfall hätte ich Mathieu und Duvie eine Pause geben müssen, aber wir brauchten sie. Und es zeigt, was für einen Charakter sie haben, dass sie gespielt haben, ohne zu klagen", sagt Trainer Laporte.

Westcott fiele es nie ein, seine Krankheit als Ausrede für schlechte Leistungen zu benutzen. Als er am vergangenen Sonntag beim 3:4 in Köln bereits in der ersten Minute mit einem Katastrophen-Fehlpass das 0:1 verschuldete, nahm er schon in der Drittelpause vor versammelter Mannschaft die Schuld auf sich und bat den Trainer um Verzeihung. "Duvie weiß, dass das Mist war, aber damit ist es auch vergessen. Er wird schnell wieder zu alter Stärke finden, wenn er den Infekt überstanden hat", sagt Laporte.

Wichtig wäre das allerdings schon an diesem Wochenende, denn in den Heimspielen in der O2 World gegen Ligaprimus Adler Mannheim am Freitag (19.30 Uhr) und den Tabellenvierten Krefeld Pinguine (So., 17.45 Uhr, Servus TV live) geht es für den Dritten nicht nur darum, den Platz in den Top vier zu zementieren, sondern auch, den Fehlstart ins Jahr 2013 mit vier Pleiten aus fünf Spielen zu korrigieren. "Das sind die Spiele, die ich am meisten liebe", sagt Westcott, "gegen die Topteams weiß jeder, worauf es ankommt."

Während er bei den KHL-Teams aus Minsk und Riga sowie in Zürich und Kloten vier Jahre Europa-Erfahrung sammelte, sind die Freezers für Roy die erste Auslandsstation. Er hat sich sehr darüber gewundert, dass in Deutschland mitten in der Saison Vertragsverhandlungen stattfinden. Gefreut hat er sich darüber trotzdem, "denn ich könnte mir derzeit keinen besseren Ort zum Eishockeyspielen vorstellen als Hamburg". Westcott sagt, er habe mehrere Angebote abgelehnt, um nach Hamburg zu kommen, weil er so viel Gutes über die DEL gehört hatte. "Diese Entscheidung hat sich längst bestätigt", sagt er.

Es sieht also ganz so aus, als dürften sich die Fans der Freezers auf Kontinuität in der Abwehr freuen, ohne auf Spektakel verzichten zu müssen. Denn Roy und Westcott eint ein für Abwehrspieler ungewöhnliches Credo: "Die Fans freuen sich über viele Tore, deshalb ist es auch okay, wenn wir 6:5 gewinnen statt 1:0. Hauptsache ist, dass wir immer gewinnen", sagen sie.

Wer immer gewinnt, wird Meister. Das ist auch so eine Sportlerweisheit.

In den Heimspielen gegen Mannheim und Krefeld müssen die Freezers auf die Angreifer Rob Collins (Leistenprobleme), Nico Krämmer (Mandelentzündung) und Marius Möchel (Innenbandriss im Knie) sowie Verteidiger James Bettauer (Haarriss im Knöchel) verzichten. Im Tor löst Niklas Treutle den zuletzt glücklosen Dimitrij Kotschnew ab. Die Fans planen eine Choreografie für Stürmer Serge Aubin, der am Mittwoch sein Karriereende bekannt gab.