Freezers-Stürmer David Wolf spricht vor dem Sonntag-Heimspiel gegen Krefeld über sein Image und die Krisen in seiner Jugend

Hamburg. Um 1,90 Meter und 102 Kilogramm über das Eis zu bewegen, braucht ein Körper Energie. Kein Wunder also, dass sich David Wolf, 22 Jahre alter Eishockeystürmer in Diensten der Hamburg Freezers, bei seinem Stamm-Italiener Il Tesoro am Eidelstedter Platz zunächst Tomaten-Mozzarella-Salat mit einer Extraportion Parmaschinken bestellt und anschließend noch ein großes Schnitzel mit Sahne-Schinken-Nudeln verspeist. Dazu trinkt er Cola. Am Sonntag (14.30 Uhr) werden ihn die Fans im Heimspiel gegen die Krefelder Pinguine wieder feiern.

Hamburger Abendblatt:

Herr Wolf, wie fühlt man sich als Publikumsliebling?

David Wolf:

Ich höre das immer nur von den Medien, dass ich diese Rolle habe. Ich selbst bekomme das nie so richtig mit. Die Fans, die beim Training sind, die sind zu allen Spielern nett. Bei Spielen bin ich viel zu angespannt, um etwas von der Atmosphäre wahrzunehmen. Und wenn das Team nach Siegen mit den Fans feiert, bin ich meist so spät draußen, dass fast keiner mehr da ist, weil ich immer etwas Zeit für mich brauche, um durchzupusten.

Was bedeutet Ihnen denn der Status Publikumsliebling?

Wolf:

Es freut mich natürlich, dass meine Spielweise hier anerkannt wird. Aber ich leite daraus keinen Sonderstatus ab. Im Team ist das überhaupt kein Thema, da ist niemand neidisch auf mich oder so. Deshalb kann man nicht sagen, dass ich einen Sonderstatus habe.

Was, denken Sie, ist der Grund für die Zuneigung der Fans?

Wolf:

Ich denke, dass es ihnen gefällt, dass ich hart spiele und mich in den Dienst der Mannschaft stelle.

Sie haben sich vor allem das Image erarbeitet, ein Kämpfer zu sein, der in jedem Spiel für einen Fight zu haben ist ...

Wolf:

... und ich sage Ihnen gleich, dass ich nicht auf dieses Image reduziert werden möchte. Ich will nicht in der Schublade landen, ein "Tough Guy" zu sein, das wäre mir zu wenig. Ich habe auch hier gezeigt, dass ich Tore schießen kann, schöne und wichtige Tore.

Dennoch gelten Sie als der Mann für die Kämpfe, vor allem auch, weil Sie sich niemals Opfer suchen, sondern Gegner. Wie viel Show ist bei solchen Kämpfen dabei?

Wolf:

Gut, dass Sie das fragen, dann kann ich mal klarstellen, dass so ein Kampf niemals Show ist. Ein Kampf hat immer einen Grund, und der sollte nie persönlicher Natur sein. Das heißt: Ich greife mir keinen Spieler, den ich nicht leiden kann, sondern immer einen Führungsspieler. Wenn ich kämpfe, dann dafür, um das Team aufzuwecken. Oder, das ist der zweite Grund, um einen Mitspieler zu rächen, der hart angegangen wurde. Für mich ist ein Kampf ein Mittel, um mich in den Dienst des Teams zu stellen. Deshalb bin ich auch bereit, jeden Kampf anzunehmen.

Waren Sie schon immer so ein Heißsporn oder woher kommt diese Lust am direkten Duell?

Wolf:

Ich war schon immer so. So etwas kann man auch nicht lernen.

Kann man es trainieren? Tun Sie das?

Wolf:

Ich trainiere das nicht, aber ich habe eine Menge Erfahrung gesammelt, und die braucht man, wenn man kämpft. Seien wir ehrlich: Das Ziel eines Kampfes ist schon, den Gegner entscheidend zu schwächen. Das ist auf dem Eis nicht ganz so einfach, es gibt besondere Techniken und verschiedene Griffe. Leider haben in Deutschland wenige Menschen Ahnung davon. Hier schreiben die Zeitungen nach einem Kampf oft von Punktsieg oder so etwas, aber nie darüber, warum man gekämpft hat. Das ist in den USA anders, da wird dieses Mittel viel mehr geschätzt. Hier wird man abgestempelt als Schläger.

Haben Sie Angst, wenn Sie die Handschuhe fallen lassen und sich Ihrem Gegner stellen?

Wolf:

Nein, dazu ist es schon zu sehr Gewohnheit für mich, außerdem ist man voll mit Adrenalin. Ich merke schon im ersten Moment, ob der andere kämpfen kann oder nicht. Wenn er es kann, muss man natürlich aufpassen, dass man nicht schwer einsteckt. Aber das ist mir bislang immer ganz gut gelungen.

Im Sommer sind Sie von Hannover nach Hamburg gewechselt. Was war das Problem in Hannover?

Wolf:

Ich werde nicht nachtreten, aber es ist kein Geheimnis, dass ich nach dem Meisterjahr unter Hans Zach, wo ich viel gespielt habe, unter dem neuen Trainer Toni Krinner nicht klarkam. Ich hatte den Spaß am Eishockey und mein Selbstbewusstsein verloren.

Wenn man Sie so erlebt, kann man sich nicht vorstellen, dass Sie Ihr Selbstbewusstsein verlieren könnten.

Wolf:

Oh doch, ich hatte eine Phase, in der ich ein richtiges Tief hatte. Ich bin keiner, der schlechte Laune mit in die Arena bringt, weil ich das Team nicht belasten will. Aber wenn ich nach Hause komme und die Tür zumache, dann bin ich schon einer, der viel grübelt. Ich sitze dann da und lasse Spielszenen vor meinem inneren Auge ablaufen, und weil ich manchmal überehrgeizig bin, mache ich mir viel Druck. In Hannover gab es Tage, an denen ich überhaupt keinen Bock mehr auf Eishockey hatte. Das hat mir zu denken gegeben.

Warum sind Sie dann ausgerechnet nach Hamburg gegangen?

Wolf:

Ich hatte auch ein Angebot aus Berlin, aber Hamburg hat mich gereizt. Ich habe mich schon öfters gefragt, warum die Freezers es nie geschafft haben, erfolgreich zu spielen, obwohl sie auf dem Papier immer gute Teams hatten. Der Neuaufbau hat mich gereizt, und ich bin nach den ersten Monaten überzeugt, dass meine Entscheidung richtig war, denn wir haben ein Team, mit dem wirklich alles möglich ist. Das Umfeld ist perfekt, das Potenzial ist riesig. Außerdem hat mir auch mein Vater dazu geraten, nach Hamburg zu gehen.

Ihr Vater Manfred "Mannix" Wolf kam 1978 als einer der ersten Deutschkanadier in die Bundesliga. Welche Rolle spielt er für Ihre Karriere?

Wolf:

Natürlich hat es Vor- und Nachteile, einen berühmten Eishockey-Vater zu haben, und es nervt mich auch mal, wenn er mir immer sagt, was ich besser machen muss. Aber wir telefonieren täglich, und besonders wichtig ist es mir, seine Erfahrungen zu nutzen, die er im Umgang mit Krisensituationen gemacht hat. Er war derjenige, der mich aus meinem Tief herausgezogen hat, weil er mir zugehört und die richtigen Tipps gegeben hat.

Überhaupt sind Sie ein Mensch, der auch abseits des Sports das Kämpfen gelernt hat. Als Sie zwölf Jahre alt waren, lag Ihre Mutter drei Wochen im Koma.

Wolf:

Ihr war wegen einer Schilddrüsen-Unterfunktion die Schilddrüse entfernt worden. Plötzlich lag sie im Koma. Das hat mich sehr geschockt. Meine Eltern haben sich getrennt, als ich sechs Jahre alt war, ich bin bei meiner Mutter in Mannheim groß geworden, sie hat meine beiden Schwestern und mich allein großgezogen. Es war eine harte Zeit, über die ich nicht reden mag. Aber natürlich hat sie mich stark geprägt.

Sie haben sich, als Sie volljährig waren, auf dem Rücken ein großes Tattoo stechen lassen, das Sie an diese Zeit erinnert. War das Ihre Art der Verarbeitung?

Wolf:

Auf jeden Fall. Mit zwölf, als es passierte, war mir die Tragweite gar nicht bewusst. Aber heute kann ich nachvollziehen, welche Opfer meine Mutter gebracht hat. Sie hat mich immer zum Training gefahren und dafür gesorgt, dass wir Essen im Kühlschrank hatten. Als Jugendlicher musste ich im Restaurant, das mein Onkel, meine Tante und meine Mutter in Mannheim führen, als Kellner und Barkeeper jobben, weil meine Mutter wollte, dass ich lerne, wie hart viele Menschen ihr Geld verdienen müssen. Deshalb weiß ich heute sehr zu schätzen, wie gut es uns Eishockeyprofis geht. Wir müssen froh sein, dass wir gutes Geld verdienen und viel herumkommen. Ich verdanke meiner Mutter die Durchsetzungsfähigkeit, die ich heute habe, und auch die Einstellung zum Geld. Ich werfe nichts zum Fenster heraus, der einzige Luxus, den ich mir gönne, ist mein Schuhsammeltick. Ich weiß, dass nichts wichtiger ist als Gesundheit. Das Tattoo soll mich immer an diese schwere Zeit erinnern.

Ihre Gesundheit gefährden Sie nicht nur durch die Faustkämpfe, sondern auch durch Ihre Härte zu sich selbst. Zuletzt spielten Sie trotz starker Rippenprellung mit Schmerzmitteln. Gehen Sie mit Ihrem Kapital, dem Körper, zu sorglos um?

Wolf:

Mein Motto ist: Wenn nichts gebrochen ist, dann gehe ich aufs Eis. Wenn du als Eishockeyprofi wegen einer Prellung drei Spiele pausierst, hast du den falschen Sport gewählt. Dafür spielen wir die schnellste und härteste Teamsportart der Welt. Schmerzen gehören dazu. Wenn ich mich wegen einer Prellung krankmelden würde, was glauben Sie, was ich mir dann von meinem Vater anhören müsste?