Köln. Früherer Weltmeister begrüßt Schlagabtausch zwischen Sebastian Vettel und Lewis Hamilton. Weiterer Ex-Fahrer hält dagegen.

Lewis Hamilton inszenierte sich, wie er es am allerliebsten tut. Als Gangsta-Rapper mit fetten Goldketten um den Hals und am Handgelenk, mit sündhaft teuren Earphones, einer übergroßen Sonnenbrille und umgedrehter Basecap, den nahezu komplett tätowierten Oberkörper bis zum Becken freigelegt. "Sommer 17", lautet sein knapper Kommentar zu dem Instagram-Foto.

Nur der Beitrag eines Users erinnert an die Brisanz der letzten Tage, in denen der Formel-1-Fahrer, der dreimalige Weltmeister, der Mercedes-Superstar Lewis Hamilton eine nicht zwingend rühmliche Hauptrolle spielte. "@lewishamilton, hörst du Musik, oder ruft Seb gerade an?", heißt es da. Nein, der Vettel-Seb kann ja gar nicht anrufen, schließlich hat der überhaupt keine Handynummer vom Lewis. Hamilton reagiert auf die provozierende Frage nicht. Ist halt gerade Sommer, keine Formel 1.

Villeneuve: "Hässlich, aber nicht gefährlich"

Einer, der sehr genau weiß, worüber er redet, ist dem in der Kritik stehenden Vettel derweil zu Hilfe geeilt. "Seb und Lewis waren ungefähr 20 Stundenkilometer schnell, also was soll's", sagte der frühere Formel-1-Weltmeister Jacques Villeneuve dem Portal motorsport.com. Der Crash zwischen ihm und Michael Schumacher 1997 in Jerez sei eine ganz andere Situation gewesen: "Überhaupt nicht vergleichbar."

Die Aktion von Vettel gegen Hamilton sei zwar "hässlich und unnötig", aber keinesfalls gefährlich gewesen. "Überhaupt kein großes Ding. Lewis hat einen Bremstest mit Seb gemacht, und ich hätte an Sebs Stelle genauso reagiert, wie er es getan hat", sagte Villeneuve. Die Zehn-Sekunden-Strafe, die Vettel dafür erhalten hatte, sei "die maximal mögliche und absolut ausreichend" gewesen.

Pressestimmen zum Zoff Vettel vs. Hamilton

Telegraph (England)

In der Hitze von Baku kochen die Gemüter über. Vettel rammt Hamilton gleich zweimal, der fordert ihn nun auf, die Angelegenheit ohne Autos von Angesicht zu Angesicht zu klären. Lewis sagt, Seb ist eine Schande. Die Formel 1 ist in einem chaotischen Rennen zum Leben erwacht.

Daily Mirror (England)

Was zur Hölle ist hier los? Vettel und Hamilton duellieren sich in wilder Wut. Nun fordert Hamilton den Deutschen auf, die Sache wie Männer zu klären, und erinnert an all die jugendlichen Autofahrer, denen Vettel ein fatales Beispiel ist. Ricciardo gewinnt fast unbemerkt sein fünftes Rennen.

Daily Mail (England)

Sebastian Vettel außer Kontrolle! Er hätte die schwarze Flagge sehen müssen, schließlich hat er sich ja auch wie ein Pirat benommen. Eine unglaubliche Attacke gegen Hamilton, dafür sind zehn Sekunden lächerlich. Ein billiges Manöver eines Hochbegabten, der zur Belohnung auch noch seine WM-Führung ausbauen durfte. Ach ja, wer hat eigentlich gewonnen? Glückwunsch, Danny Ricciardo.

The Guardian (England)

Und dann kommt er auch noch mit Platz vier davon - Seb, das war nicht weltmeisterlich! Wenn er beweisen will, dass er ein echter Kerl ist, können wir das gerne ohne Autos ausfechten, sagt Lew. Ricciardo gewinnt ein Rennen, in dem er nie im Mittelpunkt steht.

Sun (England)

Vergesst Formel 1, das war Wacky Races (US-Zeichentrickserie, d. Red.) mit Sebastian Vettel in der Rolle des Bösewichtes Dick Dastardly. Bisher haben sich Seb und Lew gemocht, das können wir auch vergessen, jetzt herrscht Krieg zwischen den beiden. Einen Sieger hatte dieses verrückte Rennen auch, er heißt Daniel Ricciardo und fährt einen Red Bull.

L'Equipe (Frankreich)

Das ist ja hier wie beim IndyCar, schimpfte Lewis Hamilton in den Boxenfunk, und der Mercedes-Pilot hatte nicht unrecht. Der Grand Prix in Baku hatte ein Podium, das man so kaum vorhersehen konnte. Die beiden WM-Leader Sebastian Vettel und Lewis Hamilton mussten sich mit den Plätzen vier und fünf begnügen.

Gazzetta dello Sport (Italien)

Das große WM-Duell zwischen Hamilton und Vettel wird zu einer billigen Rauferei. Der GP in Baku war eine Formel Wrestling, ein Rodeo mit Unfällen und Theater zwischen Mercedes und Ferrari, aus dem überraschend Daniel Ricciardo als Sieger hervorging. Was für ein Stiefkampf! Vettel verliert die Nerven, im zweiten Teil des Rennens wird er zur Furie.

Corriere dello Sport (Italien)

Verkehrsrowdys! Beim GP in Baku haben Hamilton und Vettel das Schlechteste aus ihrem Repertoire zur Schau gestellt. Knallhart und schlau sind die Piloten, doch bestimmte Prinzipien korrekten Verhaltens sollten respektiert werden. In einem chaotischen Match verliert Vettel wie ein Teenager den Kopf. Schade für ihn und für Ferrari, sie hätten gewinnen können.

Tuttosport (Italien)

Alles Mögliche geschieht beim GP in Baku, bei dem ein Spitzenpilot wie Sebastian Vettel einfach die Nerven verliert. Aus einem chaotischen Rennen, wie man es lange nicht erlebt hat, geht Ricciardo als Sieger hervor. Vettel kann sich trotz eines katastrophalen Tages über nun 14 Punkte Vorsprung auf Hamilton freuen.

Corriere della Sera (Italien)

Vettel vs Hamilton: Ein Streit wie auf einer Hauptstraße mitten im innerstädtischen Verkehr. Beim GP in Baku verhalten sich die beiden Starpiloten wie zwei undisziplinierte Autofahrer. Nach dem wahnsinnigen Sonntag in Aserbaidschan wird der Kampf um den WM-Titel zu einer billigen Schlägerei. Zwischen Hamilton und Vettel wird nichts mehr sein wie früher. Ihre Gesichter sagen mehr als tausend Worte und sind voller Wut und Rachelust.

Repubblica (Italien)

Baku wird zu einem brutalen Rennen zwischen Vettel und Hamilton. Bei der großen Schlägerei verlieren die Sieger, und die Außenseiter erobern die Spitze. Die Straßen in Baku werden zu einer Großstadt-Peripherie, in der sich Vettel und Hamilton wie Straßenschläger benehmen. Bei einem Fußball-Match hätten beide rot gesehen.

Kronenzeitung (Österreich)

Baku endet mit Krieg zwischen Hamilton und Vettel. Dass Daniel Ricciardo vor Valtteri Bottas und Sensationsmann Lance Stroll siegte, verkam fast zur Nebensache.

Blick (Schweiz)

Ricciardo gewinnt Chaos-GP - Vettel rammt Hamilton. Ein verrücktes Rennen in Aserbaidschan geht an Daniel Ricciardo im Red Bull. Als Dritter sorgt der Kanadier Lance Stroll für eine Sensation. Zu diskutieren gibt es ein grobes Foul von Vettel an Hamilton.

Marca (Spanien)

Ricciardo ist der Sieger der Schlägerei. Vettel haut Hamilton das Auto weg! Vettels Aktion hätte ganz klar eine Disqualifikation zur Folge haben müssen. Alonsos Punkte in einem Spielzeugauto sind ein echtes Wunder.

As (Spanien)

Ricciardo gewinnt ein verrücktes Rennen. Kaum zu fassen: Vettel knallt Hamilton absichlich ins Auto. Vettel spielt plötzlich verrückt, aber auch Hamiltons Aktion war wenig elegant und nicht vertretbar. Trotzdem darf man nicht einfach so in ein anderes Auto reinfahren. Vettels Aktion hätte eine Disqualifikation sein können - oder müssen.

Sport (Spanien)

Ricciardo regiert im Chaos von Baku. Hamilton bremst zu stark, und Vettel fährt in Rage auf ihn drauf - ein elektrisierendes Duell zwischen dem Deutschen und dem Engländer. Es war das Rennen, das viele erwartet hatten: chaotisch, verrückt,unvorhersehbar, polemisch.

El Mundo Deportivo (Spanien)

Ricciardo gewinnt in Baku, er war der Abgezockteste. Hamilton bremst unerwartet an der Grenze des Erlaubten, das führt zu einer heftigen Reaktion von Vettel. Das Theater geht weiter: Nun fordert Hamilton Vettel zu einem Zweikampf heraus.

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Unschuldsvermutung bei Ramm-Aktion

Zudem ist Villeneuve davon überzeugt, dass Vettel seinen Ferrari nicht mit Absicht seitlich in Hamiltons Mercedes gerammt hat: "Dabei riskiert man, dass das eigene Auto demoliert wird, und das will keiner. Seb hat rumgestikuliert, dabei ist der Ferrari ein bisschen nach rechts gerutscht." Das passiere eben, "wenn man nur eine Hand am Lenkrad hat. Wenn du jemanden vorsätzlich rammst, lässt du beide Hände am Steuer", sagte der Kanadier.

Grundsätzlich findet Villeneuve die heißdiskutierte Szene im Rückblick sogar "cool, absolut vertretbar. Ich finde es gut, dass die Fahrer Emotionen zeigen, das ist gut, das macht Spaß." Da seien halt "zwei Jungs, die um die WM kämpfen und sauer aufeinander werden, aber niemand ist zu Schaden gekommen. Was also ist das Problem?" Die hitzig diskutierte Attacke der beiden Superstars sei außerdem bei weitem nicht so schlimm gewesen "wie die Aufforderung von Lewis an sein Team, Bottas als Hindernis für Vettel einzusetzen. Das war wirklich unmöglich."

Ex-Fahrer Klien: Eine Rote Karte

Christian Klien sieht das alles ganz anders. "Im Fußball wäre es eine Rote Karte gewesen, und die hätte man hier auch zeigen können", sagte der frühere Formel-1-Fahrer in der Sendung "Sport und Talk aus dem Hangar-7" bei ServusTV. Vettel seien einfach "die Sicherungen durchgebrannt".

Hamilton sei außerdem nicht auf die Bremse gestiegen, sondern "nur nach der Kurve nicht aufs Gas, um einen Abstand zum Safety Car zu schaffen", sagte Klien: "Natürlich war es eine Provokation, aber auch ein Taktikspiel." In jedem Fall sei die Zehn-Sekunden-Strafe gegen Vettel viel zu milde gewesen.

Ein Glaubenskrieg, in dem sich der Automobil-Weltverband FIA bislang bedeckt hält. FIA-Pressesprecher Matteo Bonciani ließ Anfragen, ob Vettel als eine Art Wiederholungstäter möglicherweise noch mehr Ungemach droht, konsequent unbeantwortet. Auch Vettel ließ öffentlich nichts von sich hören. Auch nichts sehen. Er taugt aber auch wirklich nicht zum Gangsta-Rapper.