Der Gehirnspezialist Gérard Saillant traf am Dienstag in Japan ein, um den 25-Jährigen nach seinem schweren Unfall zu betreuen. Bianchis Familie muss indes weiter um das Leben ihres Sprosses bangen.

Suzuka/Yopkkaichi. In den schwersten Stunden von Jules Bianchi und dessen leidgeprüfter Familie zeigt sich die Formel 1 vereint. Wie nach dem Skiunfall von Rekordweltmeister Michael Schumacher, der sich dabei ebenfalls schwere Kopfverletzungen zugezogen hatte, reißt die Anteilnahme nicht ab. „Betet für Jules“, schrieb WM-Spitzenreiter Lewis Hamilton bei Facebook. „ForzaJules“, titelte Ferrari auf seiner Formel-1-Homepage.

Medienberichten zufolge ist Chirurg Gérard Saillant, Arzt und guter Freund von Rekordweltmeister Michael Schumacher, inzwischen in Japan zur weiteren Behandlung des schwer verunglückten Formel-1-Piloten eingetroffen. Erst nach Gesprächen mit dem 69 Jahre alten Mediziner sind neue Informationen zum Zustand des Marussia-Fahrers zu erwarten.

Saillant war auch nach Schumachers Skiunfall direkt zu Beratungen mit den behandelnden Medizinern zu Jahresbeginn nach Grenoble gefahren. Er hatte Schumacher unter anderem 1999 nach dessen Unfall in Silverstone operiert, bei dem sich der gebürtige Kerpener einen Schien- und Wadenbeinbruch zugezogen hatte. Saillant ist Präsident des Gehirn- und Rückenmarks-Instituts in Paris.

Nicht die erste schmerzvolle Erfahrung der Bianchis

Der 25-Jährige Bianchi kämpft im Krankenhaus von Yokkaichi weiter um sein Leben. Am Montag sind auch seine Eltern dort eingetroffen. Es ist nicht das erste Mal, dass die motorsportverrückten Bianchis durch ihre Leidenschaft an die Grenzen des Erträglichen stoßen. Jules' Großonkel Lucien starb 1969 bei Testfahrten in Le Mans, er war zuvor 17 Mal auch in der Formel 1 gestartet.

Ein Jahr vor Lucien Bianchis tödlichem Unfall war Jules Bianchis Großvater Mauro beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans nur knapp dem Tod entkommen. Er hatte sich schwere Brandverletzungen zugezogen, Lucien gewann das Rennen. Als dieser im Jahr darauf auf dem Kurs in Frankreich verunglückte, mit gerade einmal 34 Jahren, beendete auch Mauro endgültig seine Karriere.

Jules Bianchi wollte trotzdem immer Formel-1-Pilot werden, die Motorsport-Tradition der Bianchis fortsetzen. Vater Philippe, Sohn von Mauro Bianchi, hatte es nicht gekonnt. „Es war zu schwer für mich, die Familie wollte kein weiteres Unheil mehr ertragen müssen“, sagte er einmal.

„Gekennzeichnet, aber nicht demotiviert durch die schmerzvollen Erfahrung in seiner Familie, ist der Junge ein echter Wettkämpfer, sich der Gefahr bewusst, aber auch dem Fortschritt in der Formel 1 auf dem Sektor der Sicherheit“, schrieb die französische Zeitung „Le Monde“ über Jules Bianchi. Er startete wie fast alle im Kart. Mit dreieinhalb Jahren fuhr er erstmals auf der Bahn, die seinem Vater gehört.

Als französischer Kart-Meister stieg Jules Bianchi 2007 in die Formel Renault 2.0 ein – und gewann die Serie in seinem Debüt-Jahr. Seit 2010 gehörte er der „Ferrari Driver Academy“ an. Er wurde mit dem Team ART zweimal Dritter in der Nachwuchsserie GP2. 2012 folgte der Schritt in die Formel 1.

Überzeugend trotz unterlegener Autos

Bianchi wurde zum Ersatzfahrer des Force-India-Rennstalls berufen. En passant ging er in der Formel Renault 3.5 an den Start. Drei Siege und insgesamt acht Podiumsplätze bescherten Bianchi letztlich den zweiten Gesamtrang – und ein Engagement als Stammfahrer beim russischen Team Marussia, das die Antriebe seiner Autos von Ferrari bekommt.

In seinem ersten Formel-1-Jahr kam er im unterlegenen Wagen einmal sogar auf Rang 13. Seinem Team bescherte das im Duell mit Caterham den zehnten Platz in der abschließenden Konstrukteurswertung. In diesem Jahr gelang Bianchi in Monaco eine kleine Sensation. Trotz zweier Strafen wurde der im benachbarten Nizza geborene Pilot beim Klassiker Neunter.

Mehr als einmal wurde er auch schon als Kandidat für ein Stammcockpit bei Ferrari gehandelt. Ausgerechnet vor dem Rennen mit dem so schrecklichen Unfall wurde er in Suzuka gefragt, ob er dazu bereit sei. „Natürlich“, sagte er selbstbewusst, aber keineswegs überheblich vor dem Großen Preis von Japan. „Es wäre doch ein logischer Schritt für mich“, betonte er vor dem 34. Grand Prix seiner Karriere.

Das alles ist momentan jedoch völlig unwichtig.