Wer kann Vettel stoppen? Die Antwort sucht die Formel 1 nun in Silverstone. Dem WM-Spitzenreiter winkt eine Alleinfahrt zum vierten Titel. Wirkliche Brisanz birgt da eher der Zoff abseits der Strecke.

Silverstone. Sebastian Vettel will die Formel 1 zum Langweiler machen. Mit einem Doppelschlag binnen einer Woche bei den Heimspielen in Silverstone und am Nürburgring könnte der Titelverteidiger schon vor der Saison-Halbzeit eine Vorentscheidung in der WM erzwingen. Nach seinem überlegenen Sieg in Montréal und der Vertragsverlängerung bis 2015 plant der Hesse beim britischen Grand Prix am Sonntag (14 Uhr/im Liveticker auf abendblatt.de) ganz in der Nähe der Red-Bull-Rennfabrik den nächsten Machtbeweis. „Ich freu mich drauf. Es gibt dort einen schönen Siegerpokal und ich würde gern wieder meinen Namen drauf lesen“, sagte Vettel tiefenentspannt.

Vor vier Jahren siegte der Heppenheimer schon einmal in Silverstone, drei der letzten vier Rennen dort gewann Red Bull. Schon jetzt ist sicher, dass der 25-Jährige auch an den Nürburgring als WM-Führender kommen wird. Mit 132 Punkten hat Vettel satte 36 Zähler Vorsprung auf Ferrari-Dauerrivale Fernando Alonso. Lotus-Pilot Kimi Räikkönen liegt bereits 44 Punkte zurück, Silberpfeil-Hoffnung Lewis Hamilton gar 55 Zähler. „Diese Saison ist ein Auf und Ab“, warnte Vettel zwar – doch das gilt eher für die anderen.

Als einziger Fahrer im Feld hat Vettel in allen sieben Rennen dieses Jahres jede Runde absolviert, immer war er unter den Top vier. „Vettel hat jedes Mal das Maximum an Punkten herausgeholt“, befand Verfolger Alonso. Eigentlich war bislang genau das die Stärke des Spaniers. Doch in dieser Saison kämpft der Routinier trotz eines deutlich verbesserten Autos mit Leistungsschwankungen. „Ich muss an Vettel dranbleiben und darauf setzen, dass jeder von uns mindestens ein Mal pro Saison Pech hat“, meinte Alonso.

Der Finne Räikkönen verliert indes allmählich den Glauben, Vettel und Red Bull noch abfangen zu können. „Sie sind zu stark“, erklärte der „Iceman“. Die Formkurve bei Lotus zeigte zuletzt nach unten. Red-Bull-Teamchef Christian Horner aber mahnte: „Kimi kann man noch nicht abschreiben.“ Dies gelte auch für Hamilton und sogar Vettels Teamkollegen Mark Webber, der 63 Punkte zurückliegt. Mit Blick auf Vettels bisherige Auftritte in diesem Jahr und im Wissen um seine traditionelle Stärke in der zweiten Saisonhälfte klingt diese Warnung jedoch eher nach britischem Understatement.

Angesichts von Vettels drohender Alleinfahrt Richtung Titel Nummer vier entwickelt beim Abstecher ins „Home of British Motor Racing“ der Zoff abseits der Strecke die größere Brisanz. Hinter der Formel 1 liegen Tage voller innenpolitischem Zoff – und Frieden ist nicht in Sicht. Der Ärger um das milde Urteil des Weltverbands wegen der Privattests von Mercedes und Reifenlieferant Pirelli dürfte in Silverstone auf die Stimmung drücken. Noch immer sind vor allem Red Bull und Ferrari mächtig sauer.

„Die Intrigen toben immer im Fahrerlager“

Die Bosse der Mercedes-Konkurrenten sehen die Verwarnung für das Werksteam und den Ausschluss vom Nachwuchsfahrertest als ungenügende Strafe für den Regelverstoß. „Das ist in der Formel 1 so: Die Schlangengrube und die Intrigen toben immer im Fahrerlager“, sagte Niki Lauda, Aufsichtsratschef des Mercedes-Teams, dem ORF.

Die nächste Episode im Schmierentheater um Schuld und Sühne dürfte in den kommenden Tagen aufgeführt werden. Denn noch ist nicht sicher, ob Red Bull und Ferrari es wirklich bei Verbalattacken bewenden lassen oder nicht doch noch einen Aufstand gegen die ungeliebte FIA und das unscharfe Regelwerk proben. Die Formel 1 bleibt ein Konfliktherd.