Mit Zynismus begegnet der Formel-1-Boss Kritik an der Austragung des Rennens in Bahrain. „Jeder, der wirklich über Menschenrechte reden möchte, sollte vielleicht mal nach Syrien gehen“, riet Ecclestone.

Sakhir. Immer wenn sich die Nacht über Manama legte, erwachte der Zorn der Unterdrückten. Sie warfen Molotow-Cocktails, weil sie nicht wählen dürfen. Sie steckten Autoreifen in Brand, weil ihre Brüder, Väter oder Schwestern im Gefängnis sitzen – als politische Aufrührer gebrandmarkt. Sie riskierten ihr Leben für mehr Demokratie und Menschenrechte in Bahrain.

Immer wieder kam es rund um das Formel-1-Rennen in dem autoritären Golf-Staat zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei. Dabei wurde nicht nur gegen das Regime von König Hamad bin Isa Al-Khalifa protestiert, sondern auch gegen die Austragung des Grand Prix. „Euer Rennen ist ein Verbrechen“, „Die Formel 1 ist eine Maske, die Verbrechen verschleiert“ und „Nein zur Blut-Formel-1“, skandierten die Menschen. Doch Formel-1-Mogul Bernie Ecclestone und Jean Todt, Präsident des Automobil-Weltverbandes FIA, taten so, als wäre alles in Ordnung.

Nicht ein Wort der Solidarität kam dem Milliardär Ecclestone über die Lippen. Als würden Oppositionelle in Bahrain nicht blutig unterdrückt, brutal verfolgt, inhaftiert oder gefoltert werden. Stattdessen waren seine Kommentare an Zynismus nicht zu überbieten. „Jeder, der wirklich über Menschenrechte reden möchte, sollte vielleicht mal nach Syrien gehen“, riet er den Journalisten. Er könne keine Probleme in dem kleinen, aber umso reicheren Öl-Land erkennen. „Ich frage Euch: Ihr schreibt ja über den Müll“, rief er.

Zudem sei das mit den Menschenrechten ja Auslegungssache - und verglich sie mit Verkehrsregeln. „In Afrika kann ich vielleicht ohne Probleme mit Tempo 200 fahren. Wenn ich das gleiche in England mache, bekomme ich Ärger“, sagte Ecclestone, der sich die Austragung des Rennens mit rund 40 Millionen Dollar honorieren lässt. „Es kommt also immer auf die Gesetze an, die Leute müssen sie respektieren. Wir als Besucher genauso wie die Menschen, die hier leben“, sagte der Brite der BBC weiter.

Formel 1 in Bahrain erschreckend routiniert

Die Formel 1 zog ihre Show in der Wüste erschreckend routiniert durch und drehte ihre Runden. Auch die Fahrer hielten sich aus dem Konflikt raus. „Wir sind Sportler und keine Politiker“, sagten sie unisono. Den Sieg sicherte sich Sebastian Vettel im Red Bull vor den beiden Lotus-Piloten Kimi Räikkönen und Romain Grosjean.

Bahrain präsentierte sich wieder einmal als Überwachungsstaat, die Angst des Regimes vor seinen eigenen Bürgern war förmlich zu spüren. In Manama und auf den Zubringerstraßen zur Formel-1-Strecke herrschte massive Polizeipräsenz, zahlreiche Checkpoints wurden eingerichtet, Polizisten mit Maschinengewehren im Anschlag sorgten für eine gespenstische Atmosphäre. Es war der Versuch, die Werbe-Plattform des Königs nicht zu stören. Die Regierung werde „alles versuchen, ein störungsfreies Rennen zu gewährleisten – um der Weltöffentlichkeit vorzugaukeln, in Bahrain sei alles in bester Ordnung“, hatte Nicholas McGeehan, Bahrain-Experte der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, vor dem Rennen gesagt. Er sollte Recht behalten.

Dabei schreckte die Staatsmacht auch nicht davor zurück, unliebsame Journalisten einzuschüchtern. Am Freitag wurde ein TV-Team des britischen Senders ITV gezwungen, das Land zu verlassen. „Um die nationale Sicherheit zu gewähren“, wie es in einer Mitteilung hieß. Sie hatten Demonstrationen gefilmt, wurde bei ihrer Arbeit unterbrochen und verhört. Auch ein deutscher Reporter wurde von der Polizei in Gewahrsam genommen, weil er auf dem Perlenplatz in Manama recherchiert hatte. Er wurde auf ein Revier gebracht, eingeschüchtert und musste vor den Augen der Polizei unter anderem seine Fotos löschen.

Nun zieht der glitzernde Formel-1-Zirkus weiter. Der Zorn der Unterdrückten aber wird bleiben – für ein Leben mit mehr Demokratie und Menschenrechten.