Weltmeister Sebastian Vettel gewinnt im Red Bull souverän den Saisonauftakt der Formel 1 in Australien mit über 22 Sekunden Vorsprung.

Melbourne. Für die Ansprache über Boxenfunk hatte sich Sebastian Vettel offenbar etwas vorgenommen. Er klang abgeklärt und ruhig, ganz anders als bei seinem Gefühlsausbruch beim Saisonfinale 2010, als er im Cockpit mit tränenerstickter Stimme seinen Dank ans Team übermittelt hatte. Also funkte Vettel im Stakkato: "Fantastisches Rennen. Vielen Dank. Sehr cool. Exzellentes Auto. Exzellente Stopps." Dann noch ein ganzer Satz, der ihm wichtig war: "Wir haben heute eine Menge gelernt, behaltet das im Kopf."

Auf die Lobrede konnte sich der Red-Bull-Pilot gedanklich lange vorbereiten. Nach klar gewonnener Qualifikation hatte sich bereits angedeutet, dass es beim Grand Prix von Australien eine Spazierfahrt werden könnte. Tatsächlich geriet sein Sieg kaum in Gefahr: Platz eins mit über 22 Sekunden Vorsprung auf Lewis Hamilton im McLaren. Überraschend stark hielt sich Witali Petrow. Der Renault-Pilot, 2010 eher als Bruchpilot aufgefallen, bevor der Russe im Saisonfinale Fernando Alonso WM-entscheidend aufgehalten hatte, erkämpfte erstmals einen Podestplatz. Wieder zeigte er dem spanischen Doppelweltmeister den Heckflügel; der Ferrari-Mann wurde Vierter.

Über 60 000 Testkilometer legten die Rennställe im Februar und März zurück, um ihre neuesten Kreationen auf der Rennstrecke auszuprobieren, sie tüftelten mit dem verstellbaren Heckflügel, dem Energierückgewinnungssystem Kers und den neuen Reifen. Die Gummiwalzen galten als größter Unsicherheitsfaktor, Kers und der Heckflügel sollten das Überholen erleichtern. Aber als die ersten Runden in Melbourne gefahren waren, legte sich die Aufregung. Die Reifen hielten länger als befürchtet, die Topteams kamen mit zwei statt vier Reifenwechseln über die Runden. Auch führte der abklappbare Heckflügel nicht zu einer Inflation von Überholmanövern. Kaum ein Fahrer konnte allein dank des scharf gestellten Spoilers am Vordermann vorbeiziehen. Red Bull war ganz ohne Einsatz von Kers schnell. Es wird gemunkelt, dass die Weltmeister auf das sperrige Batteriesystem ganz verzichten oder nur eine abgespeckte Version für Strecken mit langen Geraden an den Start bringen. Auf die Hierarchie aus dem Vorjahr hatten die Regeländerungen ohnehin keine Auswirkungen. Die Abstände sind über den Winter in etwa gleich geblieben. Red Bull verfügt seit dem Herbst über das schnellste Auto, dahinter mühen sich McLaren und Ferrari um Anschluss. Beim Grand Prix von Malaysia dürfte sich daran kaum etwas ändern. Die Autos werden direkt zur nächsten Tourneestation am 10. April verschifft.

Für Vettel begann der Tag seines elften Grand-Prix-Siegs schwungvoll. Er durfte im Fahrerlager einen Mann kennenlernen, der für ihn "eine Legende" ist: Walter Röhrl, 64, Rallye-Weltmeister von 1980 und 1982. Danach warf der Ex-Pilot und BBC-Kommentator David Coulthard eine Torte ins Gesicht - der Schotte wurde gestern 40 Jahre alt. Nach dem Rennstart konnte sich Vettel gleich absetzen und fuhr schnell einen Vorsprung von drei Sekunden auf Hamilton heraus. Er hielt den Abstand auf den Champion von 2008, bis die Reifen abbauten. Es war die einzige brenzlige Situation für den 23 Jahre alten Deutschen, denn der Brite kam bis auf eine Sekunde heran. Der Boxenstopp in Runde 16 "war das richtige Timing", fand Vettel, "ich hätte nicht noch mehr Runden fahren können". Hamilton übernahm die Führung, aber dahinter konnte Vettel McLaren-Mann Jenson Button überholen. Der Red-Bull-Star lag nach Hamiltons Stopp wieder vorn. Vettels Teamkollege Mark Webber erlebte ein enttäuschendes Heimspiel. Der Australier, der von Rang drei gestartet war, kam nicht über Platz fünf hinaus - mit 38 Sekunden Rückstand auf Vettel im gleichen Auto. Immerhin wiederholte Webber seine beste Platzierung in Melbourne, den fünften Platz von 2002.

Force-India-Pilot Adrian Sutil rückte nachträglich noch von Rang elf auf Platz neun vor und bekam zwei WM-Punkte, da die beiden ursprünglich auf Platz sieben und acht gelandeten Sauber-Piloten Sergio Perez und Kamui Kobayashi wegen nicht regelkonformer Heckflügel aus der Wertung genommen wurden. Sauber erwägt, gegen die Entscheidung des Automobil-Weltverbands Fia Protest einzulegen. James Key beteuerte, dass es keinen technischen Vorteil gegeben habe.

Was das Design angeht, geht der Trend in der Formel 1 zum Vereinfachen. Auch Designidol Adrian Newey verzichtete beim Entwickeln des Red Bull auf extravagante Formen, mal abgesehen von der Heckpartie. Die soll nach Ansicht Vettels ja recht knackig sein und führte zum schlüpfrigen Spitznamen "Kinky Kylie". Die Gute hat schon jetzt das Zeug zum Klassiker.