SVG Lüneburg: Vor zehn Jahren traute dem Verein kaum jemand diese Entwicklung zu. Jetzt steht das Team im Europapokalfinale.

Wer Erfolgsgeschichten von Sportvereinen analysiert, stößt schnell auf ein wiederkehrendes Merkmal: Kontinuität. Die Geduld zu haben, einer Entwicklung auch gegen Widerstände Zeit und Raum zu geben, zahlt sich meistens mittelfristig aus. Beispiele gibt es dafür genug. Trainer Otto Rehhagel etwa, der 14 Jahre lang (1981 bis 1995) die Trophäensammlung Werder Bremens maßgeblich erweiterte, oder aktuell Christian Streich, der den SC Freiburg seit 2012 trotz zwischenzeitlichen Abstiegs (2015) zu einer Spitzenmannschaft der Fußball-Bundesliga formte.

Der Handball Sport Verein (HSV) Hamburg folgte nach seiner Neuaufstellung vor acht Jahren diesen Vorbildern, schaffte mit Unternehmer Marc Evermann als Präsidenten den Wurf von der viertklassigen Oberliga Hamburg/Schleswig-Holstein in die Bundesliga. Cheftrainer ist seit sieben Jahren der ehemalige Weltklasse-Linksaußen Torsten Jansen.

SVG Lüneburg: Dienstag Europapokalfinale gegen Rzeszow

Vor den Toren Hamburgs hätte die Spielgemeinschaft Volleyball Gellersen (SVG) Lüneburg diesen Anschauungsunterricht gar nicht gebraucht. Andreas Bahlburg, der Manager, war immer gewillt, beharrlich seiner Vision zu folgen, irgendwann in der Bundesliga eine beachtete Rolle zu spielen. Dass die Lüneburger nun am nächsten Dienstag zum Finalhinspiel des CEV-Pokals, des zweithöchsten Volleyball-Vereinswettbewerbs Europas, ge­gen den polnischen Spitzenclub Asseco Resovia Rzeszow vor 3200 Zuschauern in einer ausverkauften Mehrzweckhalle aufschlagen, das aber lag vor 15 Jahren jenseits von Bahlburgs Vorstellungskraft.

Die Erfolgsstory der Spielgemeinschaft ist beeindruckend, gerade beim Blick auf die Anfänge. Der jetzige Sportchef und Co-Trainer Bernd Schlesinger, im Brotberuf Leiter des Beachvolleyball-Bundesstützpunktes Hamburg-Dulsberg, rettete die Mannschaft 2011 vor dem Abstieg aus der 2. Bundesliga Nord, mit Trainer Michael Merten gelang drei Jahre später der Bundesliga-Aufstieg.

Trainer verließ vor zehn Jahren nach Aufstieg den Verein

Merten verließ daraufhin den Verein, weil er unter den damals herrschenden Rahmenbedingungen – zu kleine, nicht normgerechte Spielstätte in Reppenstedt (800 Zuschauer), zu geringer Etat (320.000 Euro) – keine realistische Perspektive erkannte, um das unerfahrene Team in der Ersten Liga zu etablieren.

Bahlburg, ehemaliger Bürgermeister der Samtgemeide Gellersen, und der frühere Junioren-Nationaltrainer Schlesinger sahen sie – trotz aller Widrigkeiten und manchen Rückschlägen. Es fehlte ihnen nur ein Trainer, der ihren Weitblick teilte. Schlesinger fand ihn im ehemaligen Weltklasse-Mittelblocker und Nationalmannschaftskapitän Stefan Hübner. Bei den Vertragsgesprächen half ihm, dass Hübner bei Schlesinger als Trainer 1994 beim 1. VC Norderstedt seine ersten Bundesligaspiele bestritt. Seitdem herrscht zwischen beiden ein Vertrauensverhältnis.

Erfolgstrio Bahlburg, Schlesinger, Hübner geht unbeirrt seinen Weg

Bahlburg (64), Hübner (48), Schlesinger (65) – das Trio ging unbeirrt seinen Weg; selbst als während Corona acht Bundesligaspiele in Folge verloren wurden, spürte im Verein niemand den Drang, in Hektik zu verfallen. Geduld sei in den vergangenen zehn Jahren die wichtigste Tugend gewesen, hat Bahlburg einmal gesagt: „Wir haben immer den Blick nach vorn gerichtet, unsere Linie verfolgt, uns nie von äußeren Einflüssen treiben lassen, sei es von der Politik, den Fans oder anderen wohlmeinenden Personen aus dem Umfeld.“

Vielmehr trieb die SVG Lüneburg die Politik – zum Bau der schmucken LKH Arena an der Lüner Rennbahn, die Anfang 2022 öffnete. Die Volleyballer füllen sie immer öfter bis auf den letzten Platz. Die 3200 Tickets fürs Europapokalfinale waren online innerhalb einer Stunde verkauft. Der Etat stieg in dieser Saison auf rund 1,2 Millionen Euro.

SVG Lüneburg: Hübner bleibt bis 2028 Cheftrainer

Die Spiele der Lüneburger sind längst mehr als reine Sportveranstaltungen, „bei uns herrscht eine Stimmung wie bei Popkonzerten“, sagt Schlesinger. Die VIP-Räume sind mit 180 bis 200 Gästen stets gut besucht, die Volleyballspiele werden zu regionalen Wirtschaftsgipfeln genutzt. Potenzielle Sponsoren treten inzwischen von sich aus an den Verein ran. „Wir haben auf allen Ebenen das erreicht, was wir uns einmal vorgenommen hatten. Damals hatten es uns nur wenige zugetraut, dass wir das schaffen könnten“, sagt Bahlburg.

Den Erfolg zu verstetigen wird jetzt zur Herausforderung. Hübner verlängerte deshalb im vergangenen Frühjahr seinen Vertrag gleich um fünf Jahre bis 2028.