Hamburg. Sporthilfe weist in Studie hohes Sportinteresse der Gesellschaft nach. Athleten vermissen aber Wertschätzung.

Da gab es diesen Moment nach gut 15 Minuten der offiziellen Präsentation, in dem zu befürchten stand, dass sich die Deutsche Sporthilfe das ganze Brimborium auch hätte sparen können. Sie fände nichts an der Auswertung überraschend, von vielen der Ergebnisse sei sie ausgegangen, sagte Franziska van Almsick, nachdem der Vorstandsvorsitzende Thomas Berlemann (60) voller Verve die Kernergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung vom August 2023 vorgetragen hatte.

Dass sich dann doch noch eine gut 45-minütige Diskussion anschloss, unterstrich die Wichtigkeit der Themen, nach denen die Sportmarketing- und Researchberatung ONE8Y eine repräsentative Gruppe von 1009 Menschen im Alter von 16 bis 69 Jahren und die Sporthilfe ihre rund 4000 geförderten Nachwuchs- und Spitzenkräfte gefragt hatten.

Bundesregierung plant Mittelkürzung

Konkret ging es um den Stellenwert des Leistungssports in der Gesellschaft und die Wertschätzung, die Athletinnen und Athleten entgegengebracht wird. Ein Thema, das in diesen Wochen angesichts der Pläne der Bundesregierung, den Sportetat von jährlich 303 auf 276 Millionen Euro zu kürzen, sehr kontrovers diskutiert wird.

Deutlich interessanter als die Umfragewerte selbst sind deshalb die Schlussfolgerungen, die aus der Studie zu ziehen wären. Eine Zahl war dann doch erschreckend. Das musste auch van Almsick einräumen – die frühere Top-Schwimmerin ist stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende bei der Sporthilfe, dem neben dem Bund und den Sportfördergruppen von Bundeswehr, Zoll und Polizei wichtigsten deutschen Sportfinanzierer.

Mehr als 75 Prozent mit Sportinteresse

Nur 53 Prozent der Befragten schreiben dem Spitzensport positive Auswirkungen auf die Gesellschaft zu. Warum fast eine Hälfte der Bevölkerung das nicht tut, sieht van Almsick in der Tatsache begründet, „dass es aktuell so viele Dinge in unserer Gesellschaft gibt, die wichtig erscheinen, und manche Angst haben, dass der Sport eine zu hohe Bedeutung einnimmt.“

Das zu verändern, sehen sowohl die 45-Jährige als auch Vorstand Berlemann als „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“ an. Dass das Interesse am Sport generell – mehr als 75 Prozent gaben an, sportinteressiert zu sein, 43 Prozent sogar sehr stark – weiterhin hoch ist, und dass auch die Vorbildfunktion von Spitzenathleten in puncto Leistungsbereitschaft von 71 Prozent anerkannt wird, sind deutliche Zeichen dafür, dass der Stellenwert des Sports höher eingeordnet wird, als es die Realität widerspiegelt.

Mehr Respekt bei Einordnung sportlicher Leistung

So gaben zwar 69 Prozent der Athletinnen und Athleten an, ihre Rolle als Vorbild anzunehmen, nur 36 Prozent von ihnen fühlen sich allerdings sehr oder eher wertgeschätzt. Um das zu verändern, brauche es, sagte Ex-Zehnkampfweltmeister Niklas Kaul (25), eine bessere Bezahlung und einen Stellenaufwuchs im Trainerbereich, dazu mehr Respekt in den Medien und in der Bevölkerung bei der Einordnung sportlicher Leistungen.

Thomas Berlemann regte zudem an, die vorhandenen Mittel sinnvoller und nachhaltiger zu verteilen, und äußerte Zweifel an der Ehrlichkeit der Potenzialanalyse, die aktuell als Maßstab für die Zuteilung der Gelder dient und umfassend reformiert werden soll. „Wir haben kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem. Angesichts der Erkenntnisse aus der Studie und den vergangenen Jahren halten wir die geplanten Kürzungen für fatal, müssen aber alle daran arbeiten, Geld effizienter einzusetzen.“