Hamburg. „Ein Traum“: So viele Menschen wie nie zuvor bei einem Frauenfußballspiel in Hamburg feiern das Stadtderby im DFB-Pokal.

Die Zahl des Tages gab es in der 49. Spielminute. 19.710 Fans waren ins Millentor-Stadion gekommen, um das DFB-Pokalspiel zwischen den Frauen des FC St. Pauli und des HSV zu verfolgen. Schon vor Anpfiff war klar gewesen, dass der bisherige Zuschauerrekord für ein Frauenspiel in Hamburg – 12.183 beim Testspiel zwischen Deutschland und Schweden am 26. Oktober 2011 – deutlich überboten werden würde.

St. Pauli gegen HSV: Fans feiern bei Pokalspiel

Hoch war an diesem Freitagabend aber nicht nur die Zuschauerzahl, sondern auch das Ergebnis. Das war angesichts des Klassenunterschieds zwischen beiden Teams aber nur zweitrangig. Mit 7:1 setzten sich die Zweitligafrauen des HSV gegen den Regionalligisten durch und zogen damit souverän ins Achtelfinale ein.

St. Paulis Trainerin Kim Koschmieder hatte sich vor dem Spiel etwas Besonderes überlegt. Während die HSV-Spielerinnen noch in der Kabine waren, bildete die gesamte Mannschaft der Kiezkickerinnen einen Kreis auf dem Rasen. „Das war etwas außerhalb des Protokolls. Dafür haben wir noch Anschiss bekommen. Aber das nehmen wir in Kauf“, sagte die 35-Jährige lachend.

Die Fans schufen beim DFB-Pokalspiel der Frauen zwischen dem FC St. Pauli und dem HSV eine denkwürdige Atmosphäre.
Die Fans schufen beim DFB-Pokalspiel der Frauen zwischen dem FC St. Pauli und dem HSV eine denkwürdige Atmosphäre. © Witters

Doppelschlag des HSV in den Anfangsminuten

Wie bei den Profis liefen die Teams zu den Klängen von „Hells Bells“ ein. Da die Südtribüne geschlossen war, hatten Teile der aktiven Fanszene des FC St. Pauli auf der Gegengerade Platz genommen und rote Leuchtfeuer gezündet. Als die Partie begann, zogen noch dichte Rauchschwaden übers Spielfeld.

Sportlich machte sich der Klassenunterschied schnell bemerkbar. Nach einem abgefälschten Zuspiel war Hannah Günther frei vor dem Tor. Ihren Schuss konnte Torhüterin Friederike Ihle zwar noch parieren, im zweiten Versuch staubte Larissa Mühlhaus aber mühelos ab (3.).

16 Jahre alte Lisa Baum trifft zweifach

Kurz darauf kam es zu einem Missverständnis zwischen Verteidigerin Midou Loubonga-M’Boungou und der Torhüterin, woraufhin die 16 Jahre alte Lisa Baum nur noch ins leere Tor einschieben musste (7.).

Die Gastgeberinnen konnten sich in der Folge etwas stabilisieren. In der 19. Minute wurde es auf einmal richtig laut auf der Gegengerade. HSV-Verteidigerin Emilia Hirche hatte den Ball im Strafraum direkt vor die Füße von Joline Floeter geklärt, die aus fünf Metern aber an Torhüterin Lela-Celin Naward scheiterte.

Göttlich: „Ein Fest für den Frauenfußball“

Statt des Anschlusstreffers setzte es kurz darauf das 3:0. Nach einem Sololauf von Larissa Mühlhaus und einer zu kurz geratenen Abwehr von Ihle erzielte Baum ihren zweiten Treffer (21.). Noch vor der Pause legte der HSV nach. Sarah Stöckmann verlängerte einen Freistoß per Kopf ins lange Eck (45.+1).

Unter tosendem Applaus gingen beide Mannschaften in die Kabinen. „Wir wollen ein respektvoller Verlierer sein“, sagte St. Paulis Präsident Oke Göttlich in der Halbzeitpause bei Sky. „Es ist einfach ein riesiges Fest und eine schöne Bühne für den Frauenfußball.“ Vom Männerteam des FC St. Pauli verfolgten unter anderem Cheftrainer Fabian Hürzeler und die Profis Simon Zoller, Hauke Wahl und Maurides die Partie.

Larissa Mühlhaus erzielt Dreierpack

In Hälfte zwei blieb der HSV weiter in Torlaune. Die eingewechselte Victoria Schulz auf Vorlage von Baum (60.) und Mühlhaus per Foulelfmeter (63.) schraubten den Zwischenstand in die Höhe. In der Folge hatten die Gäste zahlreiche hochkarätige Chancen, die St. Paulis Torfrau teilweise glänzend vereitelte.

Kurz vor Schluss erhöhte Mühlhaus auf 7:0 (88.). „Ich kann das noch gar nicht richtig realisieren“, sagte die dreifache Torschützin. „Für den Hamburger Frauenfußball wird dieser Tag einen großen Platz in der Geschichte haben.“

Joline Floeter bringt das Millerntor zum Beben

Den Schlusspunkt setzte allerdings der FC St. Pauli – und schaffte damit, was den Profis der Kiezkicker in der laufenden Saison noch gar nicht gelungen ist: die Torhymne am Millerntor erklingen zu lassen. Nachdem Rachel Rinast die Latte getroffen hatte, drückte Floeter den Ball aus wenigen Metern über die Linie und brachte damit die komplette Gegengerade zum Ausrasten.

„Wir haben es geschafft, dass eine St. Paulianerin ein Tor am Millerntor schießt“, sagte Co-Trainer Jan-Philipp Kalla stolz. „Ich glaube, dass noch nie ein Tor so lange und so laut bejubelt wurde“, ergänzte Koschmieder mit einem breiten Grinsen.

„Einen Traum vergisst man vielleicht irgendwann, aber das werden wir unser Leben lang nicht vergessen. Wir sind unfassbar dankbar“, sagte St. Paulis Spielerin Vanessa Zawada.

HSV-Trainer Bolz: „Das lässt einen nicht kalt“

„Wir waren immer wieder elektrisiert von dem, was passiert ist. Das lässt einen nicht kalt. Dass wir selbst bei so einer Kulisse unseren Stil spielen können, gilt es als Erfahrung mitzunehmen“, erzählte HSV-Trainer Marwin Bolz. „Der HSV hat einfach seinen Job gemacht und seine Klasse durchgesetzt, das muss man einfach so sagen“, bilanzierte Koschmieder.

Zwischen den Fanlagern blieb es friedlich. Nach Abpfiff feierten beide Teams ausgelassen mit ihren Fans. St. Paulis Spielerinnen liefen mit einem Plakat, auf dem „Rekordkulisse danke“ und „Football has no gender“ (Fußball hat kein Geschlecht) stand, über den Platz.

St. Pauli: Ihle – Loubongo-M’Boungou (27. Forchel), Nicoleit (64. Gellert), Bodenstedt, Mannes – Kingman, Ginsberg (64. Sellami) – Floeter, Hechtenberg (64. Zawada), Hauschild – Rinast.

HSV: Naward – Lahr (59. Karowski), Deyß (68. Braun), Hirche, Stöckmann – Stoldt – Woelki, Mühlhaus, Günther (59. Schittek), Baum (68. Profé) – Marquardt (59. Schulz).

Tore: 0:1 Mühlhaus (3.), 0:2 Baum (7.), 0:3 Baum (21.). 0:4 Stöckmann (45.+1). 0:5 Schulz (60.), 0:6 Mühlhaus FE. (63.), 0:7 Mühlhaus (88.). 1:7 Floeter (90.).

Zuschauer: 19.710.

Schiedsrichterin: Heidenreich (VfB Lübeck).