Gelsenkirchen. Nationalmannschaft setzt auch den Test gegen Kolumbien in den Sand. Beim 0:2 präsentiert sich die Flick-Elf besorgniserregend.

Den sportlichen Höhepunkt eines Abends, den die deutsche Nationalmannschaft am liebsten sofort vergessen würde, lieferte Juan Cuadrado. Sein Talent mit dem Ball am Fuß war dabei allerdings nur der Auslöser. Der kolumbianische Angreifer drehte vor der Südkurve der Schalker Arena per Salto zum Jubeln ab.

Die Profis der DFB-Elf wollten schon gar nicht mehr hingucken. Cuadrados Tor (82.) nach einem Handelfmeter, verursacht durch den eingewechselten Kapitän Joshua Kimmich, besiegelte den Endstand. Das 0:2 (0:0) gegen Kolumbien durch Treffer von Luis Diaz (54.) und Cuadrado im letzten Länderspiel der Saison vor 50.421 Zuschauern in Gelsenkirchen war das vierte sieglose Spiel der deutschen Mannschaft in Serie. Statt langsam für Aufbruchstimmung zu sorgen, befindet sich das DFB-Team ein Jahr vor der Europameisterschaft in einer tiefen Sinneskrise.

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„Noch 360 Tage bis zum Start“ stand vor dem Spiel auf den Werbebanden geschrieben. Die Euro 2024 rückt immer näher – und seit gestern hat sie auch ein Maskottchen. Turnierdirektor Philipp Lahm (39) stellte am Mittag an der Gelsenkirchener Gesamtschule Berger Feld, Kooperationspartner der Schalker Knappenschmiede, einen noch namenlosen Teddybär mit buntem Shirt vor. Über den Namen des Maskottchens kann noch bis 5. Juli auf der Internetseite der Europäischen Fußball-Union (Uefa) abgestimmt werden. Die Vorschläge lauten „Albärt“, „Bärnardo“, „Bärnheart“, und „Herzi von Bär“.

Bundestrainer Hansi Flick nahm gleich fünf Änderungen im Vergleich zur 0:1-Niederlage am Freitagabend in Warschau gegen Polen vor. So saß zunächst überraschend Mittelfeldspieler Joshua Kimmich auf der Bank. Außerdem mussten Florian Wirtz, Benjamin Henrichs, Jonas Hofmann und Thilo Kehrer weichen. Emre Can rückte für Thilo Kehrer in die Dreierkette neben Antonio Rüdiger und Malick Thiaw, dem kleinen Lichtblick des Polen-Spiels. Die Flügel beackerten Robin Gosens und Marius Wolf. Außerdem neu dabei: Leon Goretzka für Kimmich, Leroy Sané für Wirtz – und Champions-League-Sieger Ilkay Gündogan gab bei seinem ersten und einzigen Länderspiel-Einsatz in diesem Juni eine Mischung aus Linksaußen und Spielmacher.

Deutschland: Viel Ballbesitz, wenig Chancen

Struktur aber brachte anders als erhofft auch der Kapitän von Manchester City nicht ins deutsche Spiel. Die DFB-Elf hatte viel Ballbesitz, tat sich allerdings wie schon gegen die Ukraine (3:3) und Polen schwer damit, die gegnerische Abwehr auseinanderzuziehen. Lange Zuspiele waren ihr einziges Mittel – in der 19. Minute etwa als Wolf den eingelaufenen Gosens bediente, der den Ball aber nichts entscheidend aufs Tor brachte.

Es waren viel mehr die Kolumbianer, die das deutsche Team unter Druck setzten. Yerry Mina war in der 14. Minute mit nach vorne gerückt, Juan Cuadrado flankte in die Mitte – doch der Abwehrchef setzte den Kopfball links neben das Tor. Kurz darauf fing Torwart Marc-André ter Stegen einen Kopfball von Eintracht Frankfurts Rafael Borré ab (19.).

Die wuseligen Südamerikaner wurden immer selbstbewusster, die Deutschen machten leichtsinnige Fehler. Borré erlief einen schwachen Rückpass von Rüdiger und legte quer zu Luis Diaz. Der Angreifer, der beim FC Liverpool unter Vertrag steht, tauchte frei vor ter Stegen auf – aber Thiaw grätschte im letzten Moment dazwischen (28.). Nur zwei Minuten musste sich ter Stegen mächtig strecken, um Minas Schuss über die Latte zu lenken. Zum Ende der ersten Halbzeit waren die Gäste die bessere Mannschaft.

Und dennoch ermogelte sich die uninspirierte DFB-Elf beinahe die Führung, weil sie über herausragende individuelle Klasse verfügt. Musiala ließ seinen Gegenspieler stehen. Pass zu Kai Havertz, Lupfer in den Lauf von Musiala. Wenigstens eine Szene hohe Fußballkunst. Der Abschluss aber: nicht präzise genug, um Camilo Vargas im kolumbianischen Tor zu überwinden. Pfiffe zur Pause.

Deutschland gegen Kolumbien: Keine Präzision, keine Struktur

Die wurden zeitnah lauter, weil es auch in der zweiten Hälfte an Ideen fehlte. Den Kolumbianern nicht, die warten auf Fehler der Deutschen. Einen machte Emre Can in der 54. Minute. Der Dortmunder verlor den Ball, die Südamerikaner, die nicht für die WM in Katar qualifiziert waren, verlagerten das Spiel in aller Ruhe nach rechts. Da flankte Cuadrado, im Strafraum köpfte Diaz – 1:0, keine Chance für ter Stegen.

Flick stellte anschließend um auf eine Viererkette. Offensiv probierte man es nun häufiger über die Flügel mit Gosens als Aktivposten. Aber alles eben nicht so präzise, so strukturiert, wie es eigentlich nötig gewesen wäre, um den Weltranglisten-17. zu gefährden. In der Mitte fehlte zudem ein Zielspieler. Niclas Füllkrug, der klassische Neuner, kam erst nach 67 Minuten für Can. Auf der Gegenseite sorgte Cuadrado per Handelfmeter für die Entscheidung.

Deutschland - Kolumbien 0:2