Madrid. Real Madrid und Manchester City trennen sich 1:1. Die Königlichen stoppen die Offensive der Engländer - dank Antonio Rüdiger.

Zu Beginn der zweiten Halbzeit gab es einen Platzverweis im Estadio Santiago Bernabéu. Alf-Inge Haaland, Vater von Manchester Citys Stürmerstar Erling, wurde von den Ordnern aus seiner Loge geleitet. Er soll vor ihm sitzende Fans von Gastgeber Real Madrid mit Erdnüssen beworfen haben (wie diese berichteten), woraufhin sie ihn beleidigten, und er mit eindeutigen Gesten noch wüstere Beschimpfungen provozierte (das ist auf Video dokumentiert). Bevor die gegenseitigen Obszönitäten weiter eskalierten, führte man „Alfie“ und seine Begleitung also lieber ab.

Der Frust blieb für Haaland senior allerdings der gleiche wie vorher: er musste mit ansehen, wie sein Sohn bei einem hochklassigen 1:1 zu vollkommener Wirkungslosigkeit verurteilt blieb. In der ersten Champions-League-Vorschlussrunde seiner Karriere und einer der großen Kathedralen des Fußballs verpasste der famose Norweger nach bisher 51 Saisontoren nicht nur ein erneutes Statement – er war mit nur 21 Ballkontakten der unscheinbarste Akteur auf dem Platz. Allenfalls mittelbar half er seinem Team, indem Reals Wachsamkeit gegenüber ihm seinen Mitspielern auf den Flügeln mehr Raum ermöglichte – den die allerdings kaum gewinnbringend verwerten konnten, weil ihr Zielspieler im Sturm ja so hartnäckig gedeckt war.

Erling Haaland aus dem Spiel genommen

Real nahm damit Citys neuen Plan A – schnelles Umschaltspiel und lange Bälle über Haaland – völlig aus dem Spiel und zwang die Gäste zu einer Darbietung, wie sie früher für die Mannschaft von Pep Guardiola typisch war, mit viel Ballbesitz und langen Passstafetten, die aber in Madrid zumeist ohne Effektivität in Form von Torchancen blieben. Eher gegen den Matchverlauf glichen die Gäste durch einen mächtigen Distanzschuss von Kevin de Bruyne noch die Führung durch einen ebenso sehenswerten Abschluss von Vinícius Júnior aus. Am Ende verteidigten sie sich mit Befreiungsschlägen und nahmen zwar ein gutes Ergebnis mit zurück nach Hause, aber auch die Zweifel, wie sie im Rückspiel nächste Woche ihre schärfste Waffe ins Spiel bringen sollen.

„Sie haben ihm keinen Raum gelassen“, klagte Guardiola über die Annullierung Haalands, bei der sich besonders ein Mann hervortat, der bisher Reservist war. Antonio Rüdiger, deutscher Innenverteidiger, rückte nur wegen einer Gelbsperre für Éder Militão in die Startelf, markierte dann aber im Duell mit Haaland von Anfang an das Territorium. Mit extrem agiler und aggressiver Deckungsarbeit unterstrich er wie nie zuvor seit seinem sommerlichen Wechsel von Chelsea, warum er bei der Vorstellung in Madrid das ehemalige Real-Raubein Pepe („Ein Monster auf dem Platz“) als Vorbild nannte. Anders als bei einem gefährlichen und nicht geahndeten Check gegen Ilkay Gündogan blieb seine Bearbeitung Haalands dabei regelkonform.

Unterstützung von David Alaba

Unterstützt wurde sie vom ebenso überzeugenden Nebenmann David Alaba, der grätschend die einzige Szene entschärfte, bei der Haaland von Gündogan in den Raum geschickt werden konnte. Sowie von einem Toni Kroos, den Real-Trainer Carlo Ancelotti in den letzten Monaten zum Mann vor der Abwehr umfunktioniert hat. Mit seiner Spielintelligenz verstand es Rüdigers Landsmann genau, wann er de Bruynes Passwege zuzustellen hatte – und wann er in die Verteidigung gegen Haaland einrückte.

Das Symbol der Madrider Abwehrkunst aber war Rüdiger und die Elogen auf ihn in der spanischen Sportpresse lasen sich anderntags fast so martialisch wie im Vorfeld der Partie die Beschwörung der norwegischen Gefahr mit Metaphern aus Katastrophenfilmen. „Don Antonio und Don Santiago fressen Haaland auf“ kolumnierte „Marca“ in Bezug auf die furchteinflößende Atmosphäre im Stadion und attestierte dem Deutschen seine bisher beste Partie im Real-Trikot. Die Konkurrenz von „As“ stieß ins selbe Horn. „Der Berliner zeigte, dass er in die Uniform des Abwehrmarschalls passt.“ Haaland sei „ein Schatten des Tyrannen“ anderer Tage gewesen.

Nervenspiele von Carlo Ancelotti

Noch eitleren Sonnenschein verhinderte in Madrid freilich das Ergebnis. Für eine variable Vorstellung – anfangs lauernd, später opulent – sah man sich nicht ausreichend belohnt. Ancelotti zettelte eine Debatte darüber an, ob Manchesters Ausgleich nicht hätte per Videobeweis annulliert werden müssen, weil die Kugel zwei Ballbesitzwechsel früher womöglich die Auslinie überschritten hatte. Die künstliche Polemik – das Regelwerk über eine „neue Spielsituation“ ist eindeutig – sollte wohl schon mal die Schiedsrichter für das Rückspiel in Manchester zu bearbeiten.
Dann wird Ancelotti mit seiner 191. Champions-League-Partie als Trainer vor Sir Alex Ferguson, der Legende von Citys Lokalrivale United, zum alleinigen Rekordhalter der Bänke avancieren. Auch seine härteste Aufstellungsfrage steht schon fest: Darf Militão noch mal zurück in die Startformation? Oder gehört sein Platz jetzt Marschall Rüdiger?