München. Nach dem zweiten Titel-Aus des FC Bayern geraten Hasan Salihamidzic und Oliver Kahn mehr ins Kreuzfeuer. Gerüchte um Hoeneß-Rückkehr.

Zuerst trat Oliver Kahn vor die Medien, wenig später folgten Herbert Hainer und Hasan Salihamidzic. Der Vorstandschef Kahn, der Präsident und Aufsichtsratsvorsitzende Hainer sowie der Sportvorstand Salihamidzic direkt nacheinander und teilweise sogar gleichzeitig in intensiven Mediengesprächen – diese Ballung der drei wichtigsten Entscheider hat es in der sogenannten Mixedzone beim FC Bayern so noch nie gegeben, seit das Trio die Geschicke des Verein leitet. Also seit rund zwei Jahren, als Kahn den Vorstandsvorsitz von Karl-Heinz Rummenigge übernahm, der seinen Stuhl nach fast 20 Jahren geräumt hatte. Hainer hatte in beiden Ämtern 2019 die Nachfolge von Uli Hoeneß angetreten, der 40 Jahre lang in der Verantwortung gestanden hatte, die ersten 30 davon als Manager. Für diese Rolle wurde Salihamidzic schon 2017 als Sportdirektor eingesetzt, ehe er 2020 zum Sportvorstand befördert wurde. Seinen Rufnamen Brazzo hat er behalten.

Noch klingt eine Hoeneß-Rückkehr unglaublich

Es lohnte nach dem Aus gegen Manchester City im Viertelfinale der Champions League, dem dritten hintereinander, sich noch einmal den Umbau der Klubführung in den vergangenen Jahren vor Augen zu führen. Zumal die Erinnerung, welches Erbe die neuen Chefs angetreten hatten, ja buchstäblich durch die Mixedzone lief. Hoeneß war nach seinem Kabinenbesuch überraschend als Erster aus der Flügeltür getreten. Reden wollte der 71 Jahre alte Ehrenpräsident nicht. Dabei wäre es interessant gewesen, wie er die andauernde Unruhe, das gefühlte Chaos bei seinem Verein und das Verpassen des zweiten angestrebten Titels nach dem Aus im Viertelfinale des DFB-Pokals gegen Freiburg vor gut zwei Wochen beurteilt. Und auch, was Hoeneß dazu sagt, dass die Kritik an der von ihm eingesetzten neuen Vereinsführung immer lauter und vehementer wird. Sogar über Kahns Absetzung wird inzwischen spekuliert und – Achtung! – über eine vorübergehende Rückkehr von Hoeneß in die Verantwortung. Noch klingt das unglaublich. Gesichert ist: Im Verein rumort es.

Hinterfragt wird der Führungsstil der Vorstände, ihr vor knapp einem Monat und zu diesem Zeitpunkt sehr gewagter Trainerwechsel von Julian Nagelsmann zu Thomas Tuchel sowie andere strategische Entscheidungen. Allen voran der Verzicht auf den Kauf eines Mittelstürmers als Nachfolger des im Sommer 2022 nach Barcelona gewechselten Robert Lewandowski. Ausdruck der Kritik waren am Mittwoch auch Plakate in der Arena gewesen. „Brazzo + Kahn: Helden von einst, Pfeifen von heute“, war dort zu lesen. Ein anderes erstreckte sich über die gesamte Breite der Südtribüne, darauf stand: „Ziele dürfen verfehlt werden – Werte des Vereins nicht! Führungspolitik hinterfragen!“

Bayern-Bosse beziehen Stellung

Zu all dem nahmen nun Kahn, Hainer und Salihamidzic Stellung. Es waren Verteidigungsreden, die sie hielten nach dem 1:1 im Rückspiel gegen Manchester Citys Mannschaft des ehemaligen Bayern-Trainers Pep Guardiola, acht Tage nach der 0:3-Niederlage im Hinspiel. Ob Nagelsmanns Freistellung voreilig gewesen sei? „Nein, auf gar keinen Fall. Wir alle stehen dahinter. Wir würden das auch wieder tun“, antwortete Salihamidzic. Man sehe doch, dass die Mannschaft unter Tuchel einen Schritt nach vorne gemacht habe, „aber leider haben die Ergebnisse gefehlt“. In Tuchels bisherigen sechs Spielen kamen je zwei Siege, Remis und Niederlagen zusammen sowie das Aus in zwei Wettbewerben. Der 49-Jährige kann dafür wenig, Zeit zum Trainieren mit der verunsicherten Mannschaft hatte er bisher so gut wie gar nicht. Das Engagement immerhin stimmte gegen ManCity, die Abschlussschwäche aber war erneut frappierend.

Ob die Kaderkonstruktion mit vielen ähnlichen Flügelspielern ein Fehler gewesen sei? Er stelle sich der Kritik, sagte Salihamidzic, und man werde den Kader „überdenken“. Die Planung habe man aber „zusammen gemacht“, also auch mit Kahn und dem ehemaligen Trainer Nagelsmann. Kahn verwies auf Haaland. „Wir haben im Vorfeld dieser Saison alles versucht, die Neun nachzubesetzen. Auch mit einer Neun, die wir ja heute gesehen haben. Nur leider nicht bei uns“, sagte Kahn. Das in Aussicht gestellte Rekordgehalt für einen Bayern-Profi hatte beim ehemaligen Dortmunder Haaland nicht gereicht, um das noch deutlich zahlungskräftigere ManCity auszustechen. Für Guardiolas Mannschaft erzielte Haaland in München in der 57. Minute sein 48. Pflichtspieltor in seinem 41. Einsatz dieser Saison. Die Bayern trafen nur per Handelfmeter durch Joshua Kimmich (83.).

Kahn gibt sich unbeeindruckt von kritischen Spruchbändern

Die Kritik, die Spruchbänder? „Das macht mit mir nicht viel“, sagte Kahn. Er hinterfrage sich ohnehin ständig, doch „jetzt gilt die Konzentration dem, was wir noch erreichen können: Das ist die deutsche Meisterschaft.“ Danach werde man „in der nächsten Saison wieder angreifen“, versprach er und meinte die Champions League. Es darf als gesichert gelten, dass die Bayern nicht mehr nur auf den 34 Jahre alten Mittelstürmer Eric Maxim Choupo-Moting vertrauen, sondern eine neue Neun verpflichten werden. Hainer ließ das am deutlichsten anklingen. „Gehen Sie davon aus, dass wir die Mannschaft so verstärken, dass wir wieder um den Champions-League-Titel mitspielen können“, kündigte er an. Das Ziel sei es, „ganz vorne in Europa mitzuspielen“. Zuvor geht es darum, mit der aktuellen Belegschaft wenigstens das verbliebene Titelziel in der Bundesliga zu erreichen. Das wird knifflig genug. Am Samstag wartet in Mainz das drittbeste Rückrundenteam.