Hamburg. Hamburger Freiwasserschwimmer will bei den Weltspielen für Menschen mit geistiger Behinderung Gold holen. Was er über Inklusion denkt.

Von diesem Freitag an wird es für Leo Heckel langsam ernst. Mit der offiziellen Einkleidung für die Special Olympics World Games in Berlin beginnt die finale Phase vor den Weltspielen für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung.

Vom 17. bis 25. Juni tritt der 23 Jahre alte Freiwasserschwimmer mit 13 anderen Athleten aus Hamburg beim größten inklusiven Sportevent der Welt an. Insgesamt werden in der Hauptstadt rund 7000 Menschen aus 190 Delegationen an den Start gehen, das Event ist damit das größte deutsche Multi-Sportereignis seit Olympia 1972 in München.

Special Olympics: Heckel tritt über 1500 Meter Freiwasser an

Wenn man Heckel nach seinem sport­lichen Ziel fragt, kommt man gar nicht dazu, den Satz zu beenden. „Die Goldmedaille“, schießt es sofort aus dem Lokstedter heraus, ehe er mit einem ironischen Grinsen anfügt: „Das ist ja nicht so ein großes Ziel.“ Heckel hat eine globale Entwicklungsstörung mit geistiger Behinderung, welche vermutlich auf einen Sauerstoffmangel bei der Geburt zurückgeht.

Gemeinsam mit seinem Unified Partner Adrian Schlüter – bei den Special Olympics heißen so Athleten ohne Behinderung – tritt Heckel, der sich auch als Hamburger Athletensprecher engagiert, in Berlin-Grünau über 1500 Meter Freiwasser an. Qualifiziert hat sich das Duo, das seit vielen Jahren gemeinsam trainiert und Wettkämpfe bestreitet, über den Titel bei den nationalen Spielen 2022 sowie einen anschließenden Auswahlprozess.

Heckel arbeitet als Gärtner in Alsterdorf

Hinter Heckel, der vor seinen Trainingseinheiten als Gärtner in den Alsterdorfer Werkstätten arbeitet, liegt eine schwere Zeit. Während Olympia-Kadersportler während des Corona-Lockdowns mit einer Ausnahmegenehmigung trainieren konnten, blieb die Schwimmhalle für den Sportler des Eimsbütteler TV (ETV) geschlossen.

„Andere Leistungssportler durften in dieser Zeit auch trainieren. Das war echt unfair. Ich habe das Gefühl, dass man uns damals vergessen hat“, ärgert sich Heckel, der zurzeit dreimal pro Woche in der Schwimmhalle ist. Hinzu kommt einmal pro Woche Tennistraining in der ETV-Inklusionssportgruppe.

Schwimmtraining ist nicht durch Laufen zu ersetzen

Auch wenn er die schwimmtrainingsfreie Zeit mit regelmäßigem Lauftraining überbrücken konnte, fühlt sich Heckel noch heute benachteiligt. „Gefühlt war es ein ganzes Jahr, in dem ich nicht schwimmen konnte“, sagt er. „Ich bin zwar laufen gegangen, aber das ist ein ganz anderes Gefühl. Das ist so, als würde man einen Eishockeyspieler fragen, ob er lieber laufen geht oder auf dem Eis Schlittschuh läuft.“

Am Schwimmsport fasziniere ihn vor allem das Gefühl im Wasser. „Ich kann das Wasser da richtig spüren. Wenn ich laufen gehe, ist das etwas anderes, da spüre ich den Boden nicht so genau, weil ich Schuhe trage“, sagt er.

Inklusionssport zu wenig in der Öffentlichkeit

Als Athletensprecher will Heckel das Thema Inklusionssport noch mehr in den Fokus der Öffentlichkeit rücken. „Es ist wichtig, die Aufmerksamkeit auf Inklusion zu lenken und Baustellen anzusprechen, wo es noch nicht gut läuft“, sagt er. So könne die Schwimmgruppe von Trainerin Kaissa Ottenberg beispielsweise nicht jedem Interessierten einen freien Platz anbieten. „Beim ETV gehen viel mehr Anfragen zum Inklusionsschwimmen ein, als der Verein Plätze frei hat“, sagt Heckel. „Ich wünsche mir gleiches Recht für alle. Das wird aber nicht immer eingehalten.“

Rund 12.000 Menschen in Hamburg leben mit einer geistigen Beeinträchtigung, nur wenige Hundert sind in Sportvereinen organisiert. „Die Politiker reden sehr viel über Inklusion. Ob sie auch genug tun, ist etwas anderes. In Hamburg müsste es noch viel mehr inklusive Sportvereine geben“, sagt Heckel.

Glaubt man den Worten von Andy Grote (SPD), erkennt der Sportsenator die Bedeutung von inklusivem Sport. „Unsere Hamburger Athletinnen und Athleten sind die Gesichter unserer Stadt und sie verdienen unsere volle Unterstützung und Aufmerksamkeit“, sagte Grote bei einem Special-Olympics-Medientermin vor rund zwei Wochen. Ob das ausreicht, damit es zukünftig genug Inklussionssportangebote in Hamburg gibt, ist aber fraglich.