Doha. Das Land bangt mit der schwer erkrankten Fußball-Ikone. Gegen Südkorea soll an diesem Montag der Einzug ins WM-Viertelfinale gelingen.

Der Sonntag begann für die brasilianische Delegation in Doha mit einer guten Nachricht: Pelé scheint es nicht so schlecht zu gehen, wie am Tag zuvor mancherorts berichtet wurde, nachdem er am Dienstag in ein Krankenhaus von São Paulo eingeliefert worden war. Sowohl die behandelnden Mediziner als auch „O Rei“, der König, selbst teilten mit, dass die Chemotherapie gegen den Darmkrebs normal vonstatten gehe. „Meine Freunde, ich möchte, dass alle ruhig und positiv bleiben“, ließ die Legende nun die Fußballwelt wissen: „Und schaut Brasilien bei der WM zu.“

Dieses Brasilien trifft an diesem Montag im Achtelfinale auf Südkorea (20 Uhr/ZDF). Auch das galt nach Ermittlung der Paarung in den spannenden Gruppenfinals am Freitag als gute Nachricht, denn an sich hatten die Brasilianer ein Duell mit dem unangenehmen Nachbarn Uruguay befürchtet. Und um den Reigen der frohen Kunde abzurunden, erklärte Nationaltrainer Tite gestern Nachmittag nicht nur seine Bewunderung für Pelé („Der einzige Mensch, bei dem ich zitterte, als ich ihn kennenlernte“), sondern auch: „Neymar wird spielen.“ Am Samstag hatte der schillernde Superstar erstmals nach seiner Knöchelverletzung aus dem ersten Match gegen Serbien sowie einem folgenden grippalen Infekt wieder mit der Mannschaft trainiert. Nun könnte er früher als erwartet sogar in die Startelf zurückkehren. Genaueres will Tite nach den letzten medizinischen Eindrücken entscheiden: „Wenn es geht, möchte ich von Beginn an meine Besten bringen.“

Zwei wichtige Spieler fehlen Brasilien verletzt

Brasilien geht einerseits ausgeruht in die Partie gegen die unberechenbaren Asiaten um Stürmerstar Heung-Min Son. Nach zwei Siegen gegen Serbien und die Schweiz rotierte Tite gegen Kamerun in so großem Stil, dass jetzt 25 seiner 26 Kadermitglieder – alle bis auf den dritten Torwart – bereits auf Einsatzminuten kommen. Andererseits muss erst wieder Rhythmus aufgenommen, Neymar reintegriert und die Enttäuschung der späten 0:1-Niederlage gegen die Afrikaner verdaut werden; bei der sich außerdem noch zwei Spieler – Gabriel Jesus (Arsenal) und Alex Telles (Sevilla) – schwer verletzten. Vor allem der Ausfall von Linksverteidiger Telles wiegt schwer, denn mindestens noch für das Südkorea-Spiel ist auf dieser Position auch Stammplatzhalter Alex Sandro (Juventus) unpässlich. Gegen Kamerun probierte Tite in der letzten halben Stunde den Innenverteidiger Marquinhos (Paris) auf links aus, doch über dessen Seite fiel dann das Gegentor, und auch sonst schreit das Experiment nach allgemeinem Dafürhalten nicht nach Wiederholung. Zumal Marquinhos seinen eigentlichen Posten exzellent bekleidet.

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Immerhin könnte auf rechts der wie Neymar gegen Serbien verletzte Danilo zurückkehren. Sonst müsste Tite auch dort einen Innenverteidiger einsetzen – oder den Veteranen Dani Alves, der zuletzt zwischen Kurzengagements in Barcelona oder Mexiko und der Arbeitslosigkeit changierte. Mit 39 Jahren, sechs Monaten und 24 Tagen avancierte er gegen Kamerun zum ältesten Spieler in Brasiliens WM-Geschichte. Auf höchstem Niveau konkurrenzfähig ist er allerdings nicht mehr – was die neuen Probleme illustriert, die in einer einstigen Domäne der Seleção herrschen.

Warum fehlen Brasilien plötzlich die Außenverteidiger?

Von Nilton Santos 1958 über Carlos Alberto 1970 oder Júnior 1982 bis zu Roberto Carlos und Cafú 2002 oder zuletzt Marcelo und dem jüngeren Dani Alves: Technisch starke, spielfreudige und enorm angriffslustige Außenverteidiger galten immer als eines der großen Identitätszeichen brasilianischer Mannschaften.

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Ihr Fehlen in der aktuellen Generation hat auch mit veränderter Ausbildung und dem immer populäreren 3-5-2-System zu tun, mutmaßt Cafú: „Ich weiß nicht, warum wir diesen Mangel haben. Die Trainer gewöhnen Mittelfeldspieler an diese Position, weil sie nicht wissen, wie sie spezifisch mit Außenverteidigern arbeiten.“ Auch die beiden Juventus-Verteidiger Danilo und Alex Sandro, wenn fit, gelten allenfalls als ein geringeres Übel. „Sie sind keine Spieler, die immer mit nach vorn gehen würden, sie sind vorsichtiger“, sagt Júnior: „Aber ich sehe keine bessere Option.“

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Wo im Angriff der pure Überfluss herrscht mit Neymar (Paris), Richarlison (Tottenham), Vinícius, Rodrygo (beide Real Ma­drid) und Raphinha (Barcelona), wo es auch auf der früher oft problematischen Torwartposition mit Al­lison (Liverpool) und Ederson (Manchester City) zwei Weltklasseleute gibt, wo die Innenverteidiger Marquinhos und Thiago Silva mit Abräumer Casemiro ein hochkompetentes zentrales Abwehrdreieck bilden – da lässt Brasilien ausgerechnet eine langjährige Stärke im Stich.

Für die Fachleute sind die Außenverteidiger der große Knackpunkt der brasilianischen WM-Kandidatur. Durch eine Unachtsamkeit des damals ausprobierten Renan Lodi ging letztes Jahr schon das Finale der Südamerikameisterschaft gegen Argentinien verloren. Der schnelle, schlaue Heung-min Son wird es vernommen haben.