Hamburg/Bielefeld. Arminia Bielefelds Marc Rzatkowski spricht mit Freude über seine Jahre beim FC St. Pauli und im „Big Apple“.

Es sind nicht gerade angenehme Wochen, die Marc Rzatkows­ki derzeit erlebt. Der zu Saisonbeginn von Bundesliga-Absteiger Arminia Bielefeld verpflichtete Mittelfeldspieler steckt mit seinem Team in einer so krass nicht erwartbaren sportlichen Krise. Platz 18, acht Punkte nach zwölf Spielen und am Mittwoch eine auch in dieser Höhe angemessene 0:6-Niederlage im DFB-Pokal beim VfB Stuttgart – das sind die bitteren Fakten vor dem Heimspiel an diesem Sonnabend (20.30 Uhr, Sky und Sport1 sowie Liveticker abendblatt.de) gegen Rzatkowskis früheren Verein FC St. Pauli.

"Die Zeit ist im Moment sehr hart"

„Es bleibt uns nichts anderes übrig, als uns der Sache zu stellen und schnell an Lösungen zu arbeiten, um es besser zu machen. Die Zeit ist im Moment sehr hart. Aber es nützt alles nichts. Wir müssen jetzt aufstehen“, sagt der 32 Jahre alte Rzatkowski, der von Sommer 2013 an drei Jahre lang für die Braun-Weißen spielte und dabei in 89 Pflichtspielen auf je 13 Treffer und Torvorlagen kam. Für keinen anderen Club ist er bis heute öfter aufgelaufen.

Trotz der angespannten Situation und der engen Taktung in dieser englischen Woche nahm sich der nur 1,72 Meter große quirlige Techniker Zeit, um mit dem Abendblatt über Aktuelles und Vergangenes zu sprechen. „Jeder kann die Tabelle lesen. Nach jetzt zwölf Spielen lügt sie auch nicht. Trotzdem sind wir von uns überzeugt, aber das bringt uns nichts, wenn wir keine Punkte holen“, spricht er sehr offen über die Situation. „Auch wenn man nicht einfach so schnell vergessen kann, was am Mittwoch passiert ist, haben wir jetzt wieder eine neue Chance, drei Punkte zu holen. Wir haben erst acht, daher wird es jetzt Zeit.“

Rzatkowski denkt gerne an Zeit beim FC St. Pauli zurück

Einen harten Kampf um den Klassenverbleib hatte der gebürtige Bochumer auch schon in seiner Zeit beim FC St. Pauli miterleben müssen. Vor allem im Frühjahr 2015 musste bis zum letzten Spieltag gezittert werden. Ein Jahr später wurde der Aufstieg mit Platz vier nur knapp verpasst. Es war bis heute die beste Platzierung St. Paulis seit dem Abstieg 2011 – auch dank Rzatkowski, der danach nach Salzburg wechselte und dem Kiezclub zwei Millionen Euro Ablöse einbrachte.

Rzatkowskis Torjubel im März 2016 mit Enis Alushi in Sandhausen
Rzatkowskis Torjubel im März 2016 mit Enis Alushi in Sandhausen © imago/Thomas Frey

„Es war eine sehr intensive und schöne Zeit mit den Menschen, die ich dort kennengelernt habe. Hamburg ist eine unglaublich coole Stadt. Ich habe immer noch Freunde in Hamburg und bin immer wieder gern dort“, sagt Rzatkowski und pflegt seither auch Kontakte zu früheren Mitspielern. „Gerade hat mir Waldi Sobota geschrieben, dass er zum Spiel kommen möchte. Zuletzt habe ich auch noch einmal überlegt, ob jetzt noch ein Spieler da ist, mit dem ich zusammengespielt habe. Aber mit Philipp Ziereis und Christopher Buchtmann sind die letzten in diesem Sommer gegangen.“

Rzatkowski lobt St.-Pauli-Trainer Timo Schultz

Dagegen ist natürlich Timo Schultz noch da, der bis Ende 2014 als Co-Trainer des Zweitligateams tätig war. „Als ich da war, war es ja recht kurz nach seiner eigenen Zeit als Spieler. Er konnte sich immer gut in die Situation der einzelnen Spieler hineinversetzen. Man hat auch damals gespürt, dass er ein Kämpferherz hat und immer 100 Prozent gibt, egal, in welcher Lebenslage“, lobt Rzatkowski den heutigen Cheftrainer.

„Ich fand es sehr gut, dass St. Pauli vor knapp zwei Jahren in einer schwierigen Phase an Schulle festgehalten hat. Danach ist die Wende gelungen. Das habe ich noch von New York aus mit großem Interesse verfolgt. Schulle passt sehr gut zum Verein, und man kann bei ihm eine klare Spielidee erkennen, die ich cool finde anzuschauen.“

Rzatkowski zeigt sich begeistert von New York

Die Karrierestation Red Bull New York sticht in Rzatkowskis Vita heraus. Bis heute ist es ungewöhnlich, dass ein deutscher Profi im Alter von 27 Jahren in die immer noch gern als „Operettenliga“ verspottete MLS wechselt. In diesem Fall spielte die enge Verbindung durch den Sponsor- und Besitzerkonzern eine entscheidende Rolle.

„Ich kannte die Stadt vorher nur aus einigen Filmen, konnte mir aber immer schon mal vorstellen, etwas Außergewöhnliches zu machen. Ich hatte dort ein Apartment direkt am Hudson River, also in einer sehr coolen Lage“, erzählt Rzatkowski und schwärmt: „Für mich war es unglaublich. Ich liebe die Stadt, aber genauso liebe ich auch Hamburg.“

"Bei New York City gibt es keinen Mittelweg"

Vor allem, wenn er dort Besuch von Freunden bekam, wurde ihm klar: „Bei New York City gibt es keinen Mittelweg. Entweder man liebt die Stadt oder es ist einem viel zu viel Trubel.“ Grundsätzlich hätte er sich auch vorstellen können, im „Big Apple“ heimisch zu werden. „Ich habe aber in der Zeit gelernt, dass es mir auch in der vermeintlich schönsten Stadt und in dem besten Apartment nicht reichen würde, wenn ich meine Familie und meine Freunde nicht um mich herum habe. Es reicht mir nicht, sie nur dreimal im Jahr zu sehen“, sagt er.

So ging es also wieder zurück, zunächst in der vergangenen Saison zu Schalke 04, wo er aber nur zwei Kurzeinsätze erhielt, und in diesem Sommer eben zur Bielefelder Arminia, für die er schon einmal vor elf Jahren als Leihgabe seines Stammvereins VfL Bochum aufgelaufen war.

Schultz: "Freue mich, dass er wieder Fuß gefasst hat"

„Ich freue mich für Ratsche, dass er wieder Fuß gefasst hat“, sagt Timo Schultz und erinnert sich an die gemeinsame Zeit am Millerntor: „Er war Teil unseres Frühstücks-Clubs. Auch Marcel Halstenberg, Michael Gregoritsch und Fin Bartels gehörten dazu. Wir haben viel zusammen unternommen und uns auch um außersportliche Themen gekümmert.“ An diesem Sonnabend aber sind die beiden erst einmal Gegner. Punkte brauchen beide dringend.