Hamburg. Corona-Folgen und ein verändertes Freizeitverhalten lassen Kader schrumpfen. Ein Trainingsbesuch bei der 4. Frauen der SG Wilhelmsburg.

Bei jeder Spielerin, die die Halle betritt, leuchten die Augen von Jens Krüger kurz auf. Fünfmal geschieht das an diesem Montagabend in der Ernst-Bertram-Halle an der Wilhelmsburger Krieterstraße, dann sind alle Handballerinnen der 4. Frauen der SG Wilhelmsburg da. „Wir wären eigentlich sechs gewesen, dann hat aber noch eine abgesagt. Das ist für uns heute eine gute Zahl“, sagt Krüger, der die „Vierte“ seit rund acht Jahren trainiert.

Das Team spielt in der Kreisliga Gruppe 2, der zweituntersten Spielklasse im Hamburger Handball-Verband (HHV). Die Entscheidung, in dieser Saison überhaupt anzutreten, sei allen schwergefallen. Die Wilhelmsburgerinnen haben deutlich zu wenig Spielerinnen, in der vergangenen Saison musste die SG zwei Spiele wegen Personalmangels absagen. Eigentlich stehen 17 Spielerinnen im Kader, diese Zahl existiert aber nur auf dem Papier.

Handball: HHV hat rund zehn Prozent der Mitglieder verloren

Die SG Wilhelmsburg ist kein Einzelfall im HHV. „Wir haben rund zehn Prozent unserer Mitglieder während der Corona-Zeit verloren“, sagt HHV-Präsident Knuth Lange. Auch in diesem Jahr schrumpfte die Zahl der Teams im Erwachsenenbereich von 262 auf 242. Ob sich die Zahlen in den kommenden Jahren wieder erholen, könne er noch nicht abschätzen. Wichtig sei erst einmal, dass die Saison ohne Einschränkungen laufen könne.

Die Gründe für den Mitgliederschwund sind vielfältig. „Viele ältere Mannschaften haben die Corona-Pandemie zum Anlass genommen, sich aufzulösen“, sagt Lange. „Es gibt auch einen Trend zum Individualsport, wo man sich nicht nach den Trainingszeiten der Mannschaft richten muss. Das sehen wir insbesondere bei jungen Erwachsenen.“

„In der Corona-Zeit konnten die Leute wenig machen"

Auch SG-Trainer Krüger kennt diese Gründe. „Das veränderte Freizeitverhalten ist ein Phänomen, das sich durch viele Mannschaften durchzieht“, sagt er. „In der Corona-Zeit konnten die Leute wenig machen. Festivals, Kino-, oder Theaterbesuche sind jetzt wichtiger, der Mannschaftssport ist in der Prioritätenliste nach hinten gerutscht.“

HHV-Präsident Lange will den Mitgliederschwund vor allem mit klugen Staffeleinteilungen auffangen. Zudem sollen Kinder bereits im Grundschulalter vom Handball begeistert werden. „Darüber hinaus müssen wir auch neue attraktivere Angebote schaffen“, sagt er. Eins dieser Angebote sei das sogenannte Five-a-Side. Ein kleineres Spielfeld soll für mehr Ballaktionen und weniger Körperkontakt sorgen, als Wurfkreis dient die Drei-Punkte-Linie des Basketballfeldes. „Es ist eine lockere, spaßigere Form des Handballs, vergleichbar mit einem Fünf-gegen-Fünf beim Kicken oder einer lockeren Runde Beachvolleyball am Abend“, sagt Lange.

Handball: „Trainingsfortschritte sind unmöglich“

Für Five-a-Side-Handball fehlen Jens Krüger an diesem Montagabend nicht nur fünf weitere Spielerinnen, sondern auch eine Hallenhälfte. Dummerweise sind unter den fünf anwesenden Spielerinnen auch noch zwei Torhüterinnen, eine weitere Spielerin ist zudem angeschlagen. „Wir sind für den Angriff zu wenig, an eine Abwehr ist heute überhaupt nicht zu denken“, sagt Krüger. „Trainingsfortschritte sind da unmöglich.“ Der 61-Jährige kneift die Augen zusammen. An der Hallen­decke flackern mehrere Leuchtröhren, die Lichtverhältnisse sind fast unerträglich. „Nachher werde ich deshalb wieder Kopfschmerzen haben“, sagt Krüger.

Am 6. November steht für Wilhelmsburgs Handballerinen das Derby gegen die SG Harburg an. „Harburg hatte in der vergangenen Saison übrigens drei Frauenteams“, sagt Krüger, ehe er das Training beginnt. „Jetzt ist es nur noch eins.“