Hamburg. Der Schweizer Tennis-Weltstar hat sein Karriereende angekündigt. Nach unzähligen Siegen hört der Profi jetzt auf seinen Körper.

Es sind die kleinen Anekdoten, die das große Bild zeichnen. Als Roger Federer im Mai 2002 am Hamburger Rothenbaum das Finale gegen den Russen Marat Safin mit 6:1, 6:3 und 6:4 gewonnen und damit seinen ersten Triumph bei einem Turnier der Mastersserie geschafft hatte, da erschien er mit einem silbernen Tablett in der Pressekonferenz.

Darauf balancierte er ein Dutzend Gläser und einige Flaschen Sekt. Die fragenden Blicke der anwesenden Reporter beantwortete der damals 20 Jahre alte Schweizer, dem Experten zu jener Zeit bereits eine schillernde Tenniskarriere voraussagten, sofort. „Ihr habt mich die ganze Woche begleitet, da dachte ich, es wäre nett, den Titel gemeinsam zu feiern“, sagte er.

Roger Federer verkündet Ende seiner Karriere

Am Mittwochnachmittag hat Roger
Federer seine Karriere, die schillerte wie wenige andere, für als nahezu beendet erklärt. Nur noch den Laver Cup, das Showturnier in der kommenden Woche in London, wolle er spielen. Zu mehr sei der malade Körper nicht in der Lage. Den letzten Traum, noch einmal auf dem Center-Court von Wimbledon seinen Fans eine Abschiedsvorstellung zu geben; dort, wo er am 7. Juli des vergangenen Jahres im Viertelfinale gegen den Polen Hubert Hurkacz sein letztes Match auf der ATP-Tour absolvierte – wird er sich nicht mehr erfüllen können.

Im Mai 2007 holte Roger Federer  seinen vierten Titel am Rothenbaum.
Im Mai 2007 holte Roger Federer seinen vierten Titel am Rothenbaum. © picture-alliance/ dpa | Carmen_Jaspersen

„Ich habe hart gearbeitet, um wieder voll in Form zu kommen. Aber ich kenne auch die Fähigkeiten und Grenzen meines Körpers, und seine Botschaft an mich war in letzter Zeit eindeutig“, schrieb der 41 Jahre alte „Maestro“ in einem emotionalen Abschiedsbrief.

Federer gewann 20 Grand-Slam-Titel

Viele Jahre lang schien sein Körper indes keine Grenzen zu kennen. Bei Federer, der 20 Grand-Slam-Titel gewann – achtmal in Wimbledon, sechsmal die Australian Open, fünfmal die US Open und einmal die French Open – und in mehr als 1500 Profimatches über 24 Jahre 103 ATP-Titel einsammelte (vier davon in Hamburg), sah Tennis nie nach Arbeit aus, sondern wie Kunst. Er schien über den Platz zu schweben, anstatt ihn zu beackern. Wo die meisten Probleme sahen, fand er Lösungen, die aussahen, als hätte man selber drauf kommen müssen. „Mir wurde das besondere Talent gegeben, Tennis zu spielen, und ich habe es auf einem Niveau getan, das ich mir nie vorstellen konnte, und das viel länger, als ich es je für möglich gehalten hätte“, schrieb er.

Tatsächlich kommt sein Rückzug wenig überraschend, von seinen drei Knieoperationen hat er sich nicht mehr ausreichend erholt, um mehr sein zu können als ein Schatten desjenigen, der 310 Wochen die Weltrangliste anführte. Eine Zäsur stellt er dennoch dar. Auch wenn die Diskussion darüber, ob Roger Federer nun der größte Tennisspieler aller Zeiten war, ist und bleiben wird, angesichts der herausragenden Leistungen zeitgenössischer Konkurrenten oder früherer Granden stets ein Stück weit despektierlich wirkt, bleibt festzuhalten, dass das Gesamtpaket, das er darstellt, kaum jemals übertroffen werden kann. Womit wir bei der eingangs erwähnten Anekdote wären.

Roger Federer büßte nie Menschlichkeit ein

Roger Federer, der längst vielfacher Werbemillionär ist und knallharter Geschäftsmann sein kann, hat es geschafft, sich im Haifischbecken Profisport die Aura eines Menschen zu bewahren, der trotz allen Ehrgeizes seine Menschlichkeit nie eingebüßt hat. Er hatte das Glück, in einer Ära zu spielen, in der ihn die Rivalität zum spanischen Grand-Slam-Rekordsieger Rafael Nadal (36/22 Titel) und dem serbischen Stehaufmann Novak Djokovic (35/21 Majortitel) zur dauerhaften Höchstleistung antrieb. Wie kein anderer im Tenniszirkus jedoch kann er Menschen für sich einnehmen, sie begeistern, faszinieren – und ihnen vor allem das Gefühl geben, sie ernst zu nehmen.

Wer ihn in überfüllten Presseräumen erlebt, wie er nicht müde wird, auch noch die letzte Frage in Englisch, Französisch, Deutsch und Schwyzerdütsch zu beantworten; wer sieht, wie er auf großen Turnieren seelenruhig durch die Massen schreitet und freundlich Autogramm- und Fotowünsche erfüllt, der weiß einzuschätzen, warum aus dem Jungen, der in seiner Jugendzeit schwere Tobsuchtsanfälle bei verschlagenen Bällen auf dem Tennisplatz bekam, einer der bedeutendsten Sportstars der Welt werden konnte.

Tennis: Roger Federer Vater von zwei Zwillingspärchen

Langweilig wird Roger Federer nicht werden. Dafür sorgen nicht zuletzt seine Zwillingspärchen Myla und Charlene (13) sowie Leo und Lenny (8), die er mit Ehefrau Mirka hat, einer ehemaligen Profitennisspielerin, die er bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney kennenlernte und 2009 heiratete. Er werde „alles vermissen, was die Tour mir gegeben hat“, schrieb Federer. „Dennoch betrachte ich mich als einen der glücklichsten Menschen der Welt.“

Glücklich waren auch all diejenigen, die mit ihm den Platz teilten, die ihm zusehen und seine Karriere miterleben konnten. „Die Tenniswelt wird ohne dich nie wieder dieselbe sein“, sagte sein langjähriger argentinischer Rivale Juan Martin del Potro in einer der ersten Reaktionen auf Federers Ankündigung. Seinen Worten ist nichts hinzuzufügen.