Hamburg. Der Auswahlkämpfer erhält lediglich Fahrtkosten erstattet. Woanders könnte er deutlich mehr verdienen. Aber das interessiert ihn nicht.

Bevor er an diesem Sonnabend (17 Uhr, Sporthalle Wandsbek) mit dem Hamburger Judo-Team (HJT) gegen den JC Bottrop die Tabellenführung in der Bundesliga-Nordgruppe zu verteidigen versucht, hat Dominic Ressel einen Termin, der ihm fast genauso wichtig ist. Um 12.30 Uhr gibt der Nationalmannschaftskämpfer in der Halle an der Rüterstraße gemeinsam mit seinem Teamkollegen Losseni Koné (21) einen Lehrgang für Kinder und Jugendliche.

„Mir macht es einfach große Freude, mich da einzubringen. Ich möchte etwas von dem, was ich kann, an die nächste Generation weitergeben, damit ein paar Hamburger Talente genauso viel erreichen können wie ich – oder sogar noch mehr“, sagt der 28-Jährige zur Erklärung, warum er unentgeltlich seine knappe Zeit zur Verfügung stellt.

Dominic Ressel ist Vorkämpfer des Hamburger Judo-Teams

Aktionen wie diese sind es, die HJT-Cheftrainer Slavko Tekic von seinem Vorzeigekämpfer schwärmen lassen. „Dominic ist ein absoluter Teamplayer. Obwohl er mit seinen Fähigkeiten in jedem anderen Bundesligateam kämpfen und anderswo gutes Geld verdienen könnte, bleibt er uns treu und setzt sich für die Gemeinschaft ein. Das ist echter Sportsgeist“, sagt der 52 Jahre alte Serbe.

Ressel, der aus Kiel stammt und beim TSV Kronshagen den japanischen Kampfsport erlernte, reicht die Blumen umgehend zurück an den Coach. „Dass ich in Hamburg bleibe, hat zu einem großen Teil mit Slavko zu tun. Er ist mein absoluter Lieblingstrainer und für uns alle ein Vorbild in Sachen Zusammenhalt und dem Investieren von Herzblut“, sagt er.

Tatsächlich könnte er anderswo mehr verdienen als die Fahrgelderstattung, die er beim HJT bekommt. Aber das interessiert ihn nicht. „Wenn ich das Geld dringend bräuchte, müsste ich mir Gedanken machen. Aber ich bin dank meines Status als Mitglied der Sportfördergruppe der Bundespolizei gut abgesichert“, sagt Dominic Ressel, der in Köln lebt. Auf den Zusammenhalt, der im HJT herrsche, wolle er unter keinen Umständen verzichten. „Wer für Geld kämpft, kämpft woanders. Unser Team hat am meisten Charakter, und das schätze ich so daran“, sagt er.

Ressel riss sich Kreuzband, ohne es zu merken

In den Genuss des Teamgefühls kommt der Modellathlet, der in der Gewichtsklasse bis 81 Kilogramm auf die Matte geht, allerdings zu selten. Weil er als Mitglied des Auswahlkaders zwischen Trainingslagern und großen Turnieren pendelt, bleibt für die Liga kaum Zeit. Am Sonnabend ist er nur am Start, weil ein anschließendes Trainingscamp in Italien abgesagt wurde. Stattdessen dürfen sich Deutschlands Beste in Heimarbeit auf den Saisonhöhepunkt vorbereiten: die WM in Usbekistans Hauptstadt Taschkent, die vom 6. bis 13. Oktober ansteht. Ressels Gewichtsklasse ist für den 9. Oktober geplant. „Den Tag habe ich fett im Kalender markiert, darauf ist alles ausgerichtet“, sagt er.

Im Mai drohte der Ausfall für die Welttitelkämpfe. Im Trainingslager in Brasilien riss er sich in der ersten Woche das Kreuzband an – ohne es zu merken. „Es tat weh, aber ich hatte keine Instabilität und habe noch zwei Wochen damit trainiert. Erst in Deutschland haben wir bei einer MRT-Untersuchung festgestellt, was los war“, sagt er. Glück im Unglück: Die Blessur heilte komplikationslos aus, was Ressel Ende August bewies, als er in Coimbra (Portugal) ein Europacupturnier gewann.

Sich daran zu gewöhnen, im fortschreitenden Alter mehr auf seinen Körper zu achten, fällt dem Sportverrückten nicht leicht. „Ich bin einer, der im Training gern mal über die Stränge schlägt. Aber ich versuche zu akzeptieren, dass ich mehr Physioübungen machen muss“, sagt er. Er achte zunehmend auf mehr Schlaf, bessere Ernährung, auch darauf, elektronische Geräte rechtzeitig vor dem Zubettgehen auszuschalten. „Ich brauche einfach mehr Pausen als früher“, sagt er. Für sein HJT allerdings, da wird er sich immer Zeit nehmen, denn: „Spaß bleibt für mich im Judo der wichtigste Faktor!“