Leipzig. Überraschung in London: Welttrainer Thomas Tuchel entlassen. Auch Domenico Tedesco in Leipzig ist seinen Job los. Wer jetzt kommen soll.

Im Januar lachte Thomas Tuchel als Fifa-Welttrainer des Jahres in die Kamera, er fand das „überwältigend“ und „fast schon ein bisschen surreal“. Vier Wochen später küsste er in Abu Dhabi sogar den Weltpokal. Seit Mittwoch jedoch ist Thomas Tuchel arbeitslos - der FC Chelsea hat seinen deutschen Teammanager völlig überraschend vor die Tür gesetzt.

Tuchel wurde Blamage in Zagreb zum Verhängnis

Ein leicht holpriger Premier-League-Saisonstart und das peinliche 0:1 bei Dinamo Zagreb zum Auftakt der Champions League am Dienstag genügte den neuen Besitzern, um einen der weltbesten Trainer zu entlassen. Die warmen Worte aus der Investmentgruppe des US-Milliardärs Todd Boehly müssen für Tuchel (49) wie Hohn klingen.

„Thomas wird zu Recht einen Platz in der Chelsea-Historie einnehmen, er hat die Champions League, den europäischen Supercup und die Klub-WM gewonnen“, schrieb der Verein in einer kurzen Pressemitteilung. Es folgte der entscheidende Satz: „Die neuen Besitzer nähern sich 100 Tagen im Amt und glauben, dass es nun an der Zeit für einen Wechsel ist.“

Boehly geht im Sport ganz groß voran, er ist Mitbesitzer der Los Angeles Dodgers, der Los Angeles Lakers, der Los Angeles Sparks. Er will offensichtlich alle relevanten Stellen im Klub mit Leuten besetzen, die er selbst ausgewählt hat - allerdings berichtete am Mittwoch der englische Telegraph, Tuchel habe auch den Rückhalt der Mannschaft verloren.

Selbst ein Sieg in seinem 100. Spiel im Amt hätte ihn demnach nicht sicher gerettet. So oder so: Der deutsche Nationalspieler Kai Havertz wird sich zwei Monate vor dem WM-Beginn umstellen müssen.

Dass Tuchel ein schwieriger Charakter ist, kann nach seinem Abgang bei Borussia Dortmund hingegen keine Neuigkeit sein. Beim BVB zerstritt er sich mit Clubchef Hans-Joachim Watzke unrettbar über den Umgang mit dem Attentat auf die Mannschaft 2017. Er verließ den Verein wenig später als Pokalsieger. Nach einem Sabbatjahr wurde er Trainer von Paris St. Germain, wo er sich nach zweieinhalb Jahren mit Sportdirektor Leonardo überwarf.

Bei Chelsea lief es dann glänzend, mit dem Höhepunkt des Champions-League-Triumphes im Finale gegen Manchester City. Tuchel stach dabei Pep Guardiola aus und galt fortan als bester Trainer der Welt. Der Start in die Saison allerdings verlief mit Platz sechs in der Liga und zwei Niederlagen in sechs Spielen schleppend. „Uns fehlt es an allem“, sagte Tuchel in Zagreb, „die Verantwortung liegt bei mir.“

Boehly wurde ungeduldig - am Mittwoch handelte er. Sein Konsortium hatte Chelsea erst Ende Mai übernommen: Der langjährige Besitzer Roman Abramowitsch musste den Club im Zuge von Sanktionen gegen russische Oligarchen verkaufen. Um Tuchel werden sich die Großklubs spätestens im Sommer reißen, sein Nachfolger soll bald präsentiert werden. Gehandelt werden eine ziemlich kleine und eine sehr große Lösung. Graham Potter könnte von Brighton and Hove Albion kommen - oder Chelsea entscheidet sich für Zinedine Zidane.

Auch Tedesco muss bei Leipzig gehen

Domenico Tedesco verabschiedete sich noch per Handschlag von jedem Spieler. Doch schon vor dem Auslaufen nach dem peinlichen 1:4 in der Champions League gegen Schachtjor Donezk war die Zeit des Trainers bei RB Leipzig abgelaufen. Der Club verkündete nur 109 Tage nach dem Sieg im DFB-Pokal die Trennung und verkaufte sie als „das Ergebnis einer tiefgreifenden Analyse“ nach dem Donezk-Debakel. Geschäftsführer Oliver Mintzlaff betonte am Mittwoch immerhin, dass die Entscheidung „uns sehr schwergefallen“ sei.

Einen Nachfolger will der Club zeitnah präsentieren, doch die Lösung ist längst ein offenes Geheimnis. Marco Rose ist Leipziger, vertragslos, bereit und ohnehin tief drin im RB-Kosmos. Der 45-Jährige wäre der von Mintzlaff gewollte „neue Impuls“ - für die Mannschaft und die Fans. Er hätte als Leipziger wohl auch mehr Kredit als Tedesco, dem der Pokalsieg, das Halbfinale in der Europa League und die beste Bundesliga-Rückrunde letztlich nichts einbrachten. Finanziell ist für Tedesco zudem die ausgeschlagene Vertragsverlängerung im Sommer bitter.

Was es bei Rose ad hoc interessant macht, ist der Vertragsbeginn. Schließlich trifft das aktuell arg neben sich stehende Team am Samstag auf Dortmund (Roses Ex-Club I), muss dann zu Real Madrid und schließlich nach Mönchengladbach (Roses Ex-Club II). Entweder man geht all in oder sucht bis zur nach dem Gladbach-Spiel beginnenden Länderspiel-Pause eine Interimslösung. Dann würde Rose mit einem Heimspiel gegen Bochum starten - und hätte vielleicht schon ein paar Probleme gelöst.