Hamburg. Der neue Chefcoach gilt als der spannendste Sommertransfer. Eines seiner Ziele bleibt aber mit dem Club an der Alster unerreichbar.

Das Tattoo auf seinem linken Oberarm sticht heraus. Weil es anders ist als die Körperbemalung, die im Leistungssport für gewöhnlich präsentiert wird. Zu sehen ist eine Hand, die ein brennendes Zündholz hält. „Das soll das Feuer symbolisieren, das mich antreibt“, sagt der Mann, dessen Arm das Tintenkunstwerk ziert.

Gleichzeitig soll es dafür stehen, dass er ebenfalls in der Lage ist, die Leidenschaft anderer Menschen anzufachen. Sie für etwas zu begeistern und dazu zu bringen, ihre Leistungsgrenzen zu verschieben, ohne das als Last zu begreifen, sondern dabei Lust zu verspüren.

Hockey: Stan Huijsmans ist der „Alster-Lotse“

Seit einigen Wochen ist Stan Huijsmans dafür verantwortlich, diese Aufgaben gemeinsam mit den Bundesliga-Hockeydamen des Clubs an der Alster erfolgreich zu lösen. Er ist, wenn man so will, der neue „Alster-Lotse“. Weil sein Vorgänger Jens George (53), den im Hockey alle nur „Maus“ nennen, das Cheftraineramt beim Hamburger Traditionsclub schier unglaubliche 23 Jahre ausübte, darf der Niederländer als spannendster Transfer des Hamburger Hockeysommers gelten.

Entsprechend geht er mit gebührendem Respekt, aber auch mit einer guten Portion Selbstbewusstsein an die Herausforderung. „Maus hat hier unglaublich viel aufgebaut. Mir ist das bewusst, und ich bin ihm sehr dankbar für alles, was er hinterlassen hat. Aber für mich ist es kein Druck, sondern ein Ansporn, seine Nachfolge anzutreten und meine eigene Geschichte mit dieser Mannschaft zu schreiben“, sagt er.

Stan Huijsma gilt als herausragender Fachmann

Der Ruf, der dem studierten Sportlehrer vorauseilt, lässt immerhin Großes erwarten. Stan Huijsmans, der seinen Master im Coaching am Johan-Cruyff-Institut erwarb, gilt als herausragender Fachmann mit einem Händchen für die Ausbildung von Talenten. Die Bundesliga kennt er, weil er seit 2019 die Damen des Berliner HC betreut hatte. „Stan ist unser absoluter Wunschkandidat gewesen. Er soll vermehrt junge Eigengewächse einbinden, ohne dass das Leistungsniveau abfällt. Wir trauen ihm das zu“, sagt Alster-Geschäftsführer Eiko Rott.

Zudem ist der 38-Jährige als Strafeckenexperte international anerkannt; ein Faible, das er in seiner Zeit als aktiver Spieler beim HC Asten-Someren in der Provinz Nordbrabant entwickelte. „Während meines Studiums habe ich mich mit der Bewegungsanalyse beschäftigt. Mich interessiert nicht nur der technische, sondern auch der biomechanische Aspekt bei der Strafeckenausführung“, sagt er. Als Co-Trainer der U-21-Juniorinnen konnte er sein Wissen bereits im Deutschen Hockey-Bund einbringen.

„Das Potenzial im Team ist enorm“

Nun also sollen Alsters Damen davon profitieren. Eine Mannschaft, die unter George das Gewinnen gewohnt war, seit 2018 je zwei deutsche Meistertitel in der Halle und auf dem Feld holte. „Das Potenzial im Team ist enorm“, sagt der neue Übungsleiter, „am meisten hat mich überrascht, wie genau die Spielerinnen einander kennen.“

Umso wichtiger war es in den vergangenen Wochen, dass sich Trainer und Team besser kennenlernen konnten. Huijsmans, der fast perfekt Deutsch spricht, hat dafür mit jeder Spielerin bis zu einer Stunde im Einzelgespräch verbracht, dazu kamen Teambuilding-Maßnahmen wie ein Boxtraining. „Ich nutze gern Einflüsse aus anderen Sportarten, um neue Reize zu setzen“, sagt er.

Spielerinnen sollen auch im Kopf wach bleiben

Sich selbst beschreibt der in Eindhoven geborene Sportfanatiker als Trainer ohne festgelegten Spielstil. „Ich bin keiner, der in einen Verein kommt und sagt: Wir spielen so, wie ich es will. Ich möchte, dass sich alle Spielerinnen einbringen und das Team gemeinsam mit mir die Idee entwickelt, wie wir spielen wollen“, sagt er. Selbstverständlich werde er die Alster-DNA – ballbesitzorientiertes Offensivpressing – nicht grundlegend verändern. „Aber ich möchte, dass wir unberechenbarer für die Gegnerinnen werden.“

Damit seine Spielerinnen im Kopf wach und in jeder Sekunde aufmerksam bleiben, streut er in die Trainingseinheiten Fragen ein, die den gelehrten Inhalt betreffen. „Mein Anspruch ist es, jede Spielerin jeden Tag ein Stück besser zu machen“, sagt er. Den Antrieb dafür verortet Stan Huijsmans in seiner eigenen Spielerkarriere. „Ich habe damals nicht alles rausgeholt, was möglich gewesen wäre. Das bereue ich bis heute sehr. Deshalb möchte ich es als Trainer anders machen und auch meinen Spielerinnen helfen, ihr Potenzial voll auszuschöpfen“, sagt er.

Club an der Alster: Huijsmans will lange bleiben

Lebt einer wie er, der für seine Aufgabe entflammt ist, nicht in der ständigen Gefahr auszubrennen? Stan Huijsmans nickt. Seine deutsche Ehefrau, die er in Berlin kennenlernte, sei sein Regulativ, sie befreie ihn immer wieder mit Unternehmungen aus seinem Gedankenkarussell. Er spüre aber auch selbst, wenn er in einem Job an seine Grenzen stoße. „Normalerweise komme ich mit mehr Energie von einem Training nach Hause, als ich davor hatte. Wenn das andersherum ist, ist es Zeit, etwas zu verändern“, sagt er.

Bis das erneut passiert, sollten indes einige Jahre vergehen. Huijsmans hat bei Alster einen langfristigen Vertrag unterschrieben, „ich will hier Meister werden und im Europapokal die niederländischen Teams ärgern“. Er verhehlt allerdings nicht, dass es ein Ziel gibt, das er mit dem Verein nicht erreichen kann. „Olympische Spiele als Nationaltrainer, das würde ich sehr gern erleben“ sagt er. Seine Leidenschaft für die fünf Ringe sei entflammt, als er in der Grundschule ein Referat darüber gehalten hatte. Noch so ein Feuer also, das in ihm lodert.

Club an der Alster: Alle sollen sich wertgeschätzt fühlen

Stan Huijsmans trägt noch ein weiteres Motiv unter der Haut, das zwar gewöhnlicher ist als das Zündholz, aber in seiner Bedeutung nicht weniger wichtig. Der Adler auf seinem rechten Unterarm stehe dafür, dass er gern die Übersicht über alles behalte, gleichzeitig aber seine schützenden Flügel über denen ausbreite, für die er sich verantwortlich wähnt.

„Das Wichtigste ist, dass sich alle wertgeschätzt fühlen“, sagt er. Im Leistungssport, wo harte Entscheidungen darüber, wer spielt und wer draußen sitzt, jedes Wochenende für Verdruss sorgen, ist das ein gewaltiges Vorhaben. Aber Stan Huijsmans ist sich sicher, es meistern zu können.