Hamburg. Christian Titz hat den 1. FC Magdeburg erst gerettet und dann in die Zweite Liga geführt. Am Sonntag gastiert er beim FC St. Pauli.

Um den Stellenwert, den Christian Titz in Magdeburg besitzt, zu erahnen, reicht es aus, MDR-Sportreporter Daniel George zuzuhören: „Er hat den Erfolg und den schönen Fußball nach Magdeburg zurückgebracht. Oder besser: Er hat den schönen Fußball überhaupt erst hierhergebracht, denn attraktiv war es selbst zu besseren Zeiten nicht immer.“ Titz schmunzelt kurz, als ihm diese Sätze zur Eröffnung des Gesprächs mit dem Abendblatt unterbreitet werden, verzieht ansonsten aber keine Miene. Warum auch? Schließlich ist es die feste Überzeugung des Trainers des 1. FC Magdeburg, der am Sonntag (13.30 Uhr/Sky) beim FC St. Pauli gastiert, dass ansehnlicher Fußball erfolgreicher Fußball ist.

Die Resultate geben dem 51-Jährigen recht. Und das eigentlich an jeder höherklassigen Station seiner Laufbahn. Beim HSV reüssierte er als Trainer der U 17 und zweiten Mannschaft, konnte dann bei den Profis aber den unrühmlichen ersten Abstieg der Vereinsgeschichte zum Ende der Saison 2017/18 nicht mehr verhindern. Am gebürtigen Mannheimer lag es am wenigsten, gehen musste er neun Zweitligaspiele später dennoch. Aber wer musste das nicht beim HSV? Bei Regionalligist Rot-Weiß Essen genügte den Verantwortlichen ein dritter Platz vor dem coronabedingten Saisonabbruch nicht. Und so konnte aus Titz, dem Schönspielenden, Titz, der Unantastbare, werden.

Christian Titz bewahrte Magdeburg vor dem Abstieg

Denn Magdeburg bewahrte Titz, der Erfolgstrainer, zunächst vor dem Abstieg und marschierte in seiner ersten kompletten Saison zu Meisterschaft und Zweitligaaufstieg durch – und zieht dabei seinen Stiefel unmissverständlich durch. Sei es bei der Integration jüngerer Spieler, wie dem 19 Jahre alten, mitunter fehleranfälligen und am Sonntag gelb-rot gesperrten Innenverteidiger Jamie Lawrence („Uns ist bewusst, dass ihnen Fehler unterlaufen können, so was passiert“). Oder seinem schon zu HSV-Zeiten geradezu revolutionären Eröffnungsspiel mit extrem hoch stehendem Torwart. Hierbei sieht Titz Parallelen zu seinem Nach-Nach-Nach-Nach-Nachfolger Tim Walter: „Es ist ersichtlich, dass der HSV auf einen spielstarken Torwart setzt, der eine geringe Fehlerquote aufweist. Das gibt dem HSV zusätzliche Möglichkeiten im Aufbauspiel, es ist nicht einfach, dagegen anzulaufen.“

Ganz ohne den HSV kommt Titz auch knapp vier Jahre nach seiner Entlassung nicht aus. Im Magdeburger Kader stehen die ehemaligen Rothosen Moritz-Broni Kwarteng und Tatsuya Ito. „Ich bin zufrieden, sie sind mit großem Ehrgeiz dabei. Auch wie wir als gesamte Mannschaft haben sie es geschafft, sich in der Zweiten Liga Spielanteile gegen gute Gegner zu holen“, sagt Titz über den Anteil des Duos an dem, was er einen „guten Saisonstart“ des Aufsteigers nennt – wenngleich sich dies nach einem Sieg und zwei Niederlagen noch nicht tabellarisch niederschlägt.

Titz mag Hamburg, die Menschen und das Millerntor-Stadion

Die Sachsen-Anhaltiner waren bislang jedoch in keinem Spiel chancenlos. Im Gegenteil: „Die bisherigen Partien rechtfertigen das Grundvertrauen in unsere Spielweise. Die Spiele gegen Düsseldorf und Kiel haben wir beispielsweise über weite Phasen kontrolliert und uns Chancen herausgespielt, deren Verwertung aber nicht ausreichend war. Dazu kamen individuelle Fehler, die zu Gegentoren geführt haben“, so Titz. Das Gute: Diese Probleme seien überschaubar, daran lasse sich arbeiten. Am besten schon Sonntag in der alten Heimat, in die Titz enge Beziehungen pflegt. „Es gibt etliche Verbindungen zu unserem Freundeskreis, den wir aufgebaut haben. Hamburg ist eine schöne Stadt, ich mag die Menschen.“

Das Millerntor-Stadion mag er auch. Als Trainer wird es seine Premiere dort, die Titz St. Pauli „mit unseren schnellen, dribbelstarken Spielern vorne“ verhageln will. Ein Kernelement dabei: der Versuch, Leart Paqarada einzuschränken. „Er hat einen außergewöhnlichen linken Fuß, mit dem er auch über weite Distanzen extrem scharf flanken kann. Dazu haben seine Bälle viel Spin und fallen in der Box schnell herunter, sodass sich die Flugkurve für Abwehrspieler schwer berechnen lässt.“ Titz vermochte es schon immer, taktische Elemente verständlich zu erklären.

Taktik hin, Ergebniskrise her. In Magdeburg hat Titz, der Pate des schönen Spiels, längst jeden überzeugt. Geht es nach MDR-Reporter George, darf das auf Jahre so bleiben: „Er ist nicht nur als Trainer, sondern auch als empathischer Menschenfänger ein absoluter Gewinn.“