Kopenhagen. Tadej Pogacar kann sich eigentlich nur selbst schlagen. Bei der 109. Tour de France setzen seine Konkurrenten vor allem auf starke Teams und hoffen letztlich auf einen taktischen Fehler des Dominators.

Für Eddy Merckx ist er längst sein legitimer Nachfolger und «Campionissimo», Alberto Contador sieht in ihm schlicht «ein wahres Radsport-Wunderkind».

Wenn Dominator Tadej Pogacar am Freitag im radsportverrückten Kopenhagen von der Startrampe rollt, ist er für drei Wochen der gejagte Superstar der 109. Tour de France. Der erst 23 Jahre alte Slowene peilt seinen dritten Gesamtsieg an - und kaum ein Experte hat eine andere Idee.

«Wenn ich in meiner allerbesten Form bin, weiß ich, dass ich konkurrenzfähig bin. Aber ich vergesse nie, dass man im Radsport öfter verliert als gewinnt», sagte Pogacar. Das mag für die meisten Radprofis zutreffen, doch Pogacar fährt einfach auf einem anderen Level. In diesem Jahr startete er bei drei Etappenrennen und gewann alle. Hinzu kommen fünf Starts bei Klassikern, wo er die Strade Bianche gewann und seine schlechteste Platzierung ein zwölfter Rang beim Fléche Wallonne war.

«Wahres Radsport-Wunderkind»

«Er ist ein wahres Radsport-Wunderkind», sagte der zweimalige Tour-Sieger Alberto Contador. Der 39 Jahre alte Spanier arbeitet heute als TV-Experte und bewundert an Pogacar vor allem dessen Leichtigkeit. «Tadej kann mit gewaltigem Stress so umgehen, als interessiert ihn das überhaupt nicht. Er tut so, als wäre es das Normalste der Welt. Und ich weiß aus eigener Erfahrung, dass Druck eine echte Herausforderung sein kann.»

Viele Experten meinen, der größte Gegner von Pogacar könnte eine Corona-Infektion sein. Schließlich hatte es zuletzt reihenweise positive Fälle gegeben. Doch auch in dieser Hinsicht ist für den Slowenen die Gefahr nicht mehr ganz so groß, nachdem der Weltverband UCI das Reglement angepasst hat. Vor dem Beginn und an zwei Ruhetagen müssen nun bei allen Fahrern und Teammitgliedern nur noch Antigen-Schnelltests statt PCR-Tests durchgeführt werden. Und auch bei einem Positiv-Test ist ein Fahrer nicht mehr automatisch raus. In Ausnahmefällen können der Chefarzt der UCI sowie der Covid-Arzt des Tourveranstalter ASO beschließen, dass ein Fahrer weiterfahren darf, sofern er nicht ansteckend ist.

Als die 3346,6 Kilometer lange Strecke im Oktober vorgestellt wurde, hatte die Konkurrenz um Chef-Herausforderer Primoz Roglic noch Hoffnung. Schließlich waren die windanfälligen Auftakttage in Dänemark sowie die Kopfsteinpflasteretappe am kommenden Mittwoch etwas, das Angriffsfläche bot. Doch dann kreuzte Pogacar bei den Frühjahrsklassikern auf und fuhr vorn mit, als hätte er nie etwas anderes getan. So verpasste er den Sieg bei der Flandern-Rundfahrt lediglich durch einen taktischen Fehler.

Roglic angriffslustig

Auf diesen hofft die Konkurrenz nun in den kommenden drei Wochen und will dem Wunderkind aus dem Dorf Komenda vor allem mit mannschaftlicher Stärke begegnen. «Wir haben viele Fahrer mit sehr hoher Qualität. Nun müssen wir gut zusammenarbeiten. Wir glauben fest daran, dass wir Tadej schlagen können», sagte Roglic. Der 32-Jährige führt das Team Jumbo-Visma an, hat im Vorjahreszweiten Jonas Vingegaard den wohl stärksten Berghelfer des gesamten Pelotons an seiner Seite.

Roglic und Vingegaard sind wohl die einzigen Profis, die Pogacar gefährlich werden könnten. Doch das Duo muss gleich beim 13,2 Kilometer langen Auftaktzeitfahren in Kopenhagen ein Zeichen setzen und Pogacar distanzieren. Und sei es nur um wenige Sekunden. Mental dürften die eine große Rolle spielen, zumal der Druck dann zunächst beim großen Favoriten liegt. Für Alexander Wlassow, Kapitän des deutschen Teams Bora-hansgrohe, dürfte es trotz einer bisher herausragenden Saison nur um Platz drei gehen. Gleiches gilt für den 2018er Sieger Geraint Thomas.

Die Art und Weise von Pogacars Sieg im vergangenen Jahr hat sich ins Gedächtnis der Konkurrenz gebrannt. Es ist nicht nur die Leichtigkeit des Slowenen, mit der er die steilen Pässe in den Alpen und den Pyrenäen hinaufjagt. Pogacar scheint zudem nie Pech zu haben. Er wird nie krank, ist bisher nie schwer gestürzt. «Wenn man bedenkt, dass er erst 23 Jahre alt ist, dann sind seine Fähigkeiten unglaublich. Es wird immer schwieriger, diesen Jungen mit Worten zu beschreiben. Es ist spektakulär und formidabel», sagte der einstige Über-Fahrer Eddy Merckx. Für den Belgier ist Pogacar längst ein «Campionissimo», ein Meister aller Meister.

Zur ersten schweren Bergprüfung kommt es am kommenden Freitag, wenn es die bis zu 24 Prozent steile Skipiste nach La Super Planche des Belles Filles hinaufgeht. Für Pogacar ein magischer Ort, denn dort fuhr er 2020 auf der vorletzten Etappe ins Gelbe Trikot und schnappte Roglic den sicher geglaubten Sieg weg. «Ich kann nicht sagen, dass ich meinen Sieg dort wiederholen kann. Aber wenn es eine Möglichkeit gibt, werde ich es definitiv versuchen.»