Hamburg. Die 54-Jährige ist nach ihrem Sieg bei den Finals schon gedanklich beim nächsten Wettkampf. Jetzt fehlt nur noch die Partnerin.

Eine kleine Genugtuung? Doch, ja, das könne man schon so formulieren, sagte Sylvia Pille-Steppat. Mit einer halben Bootslänge Vorsprung hatte die 54-Jährige vom Wilhelmsburger RC bei den deutschen Rudermeisterschaften in Berlin, die als 350-Meter-Sprintrennen auf der City-Spree im Rahmen des Multisportformats „Die Finals“ ausgetragen wurden, das Rennen im Para-Einer gewonnen. Vor Manuela Diening – der Frau, die ihr beim Weltcup in Posen (Polen) am vorvergangenen Wochenende auf der 2000-Meter-Distanz die Qualifikation für die EM in München (11. bis 14. August) und die WM in Račice (Tschechien/18. bis 25. September) weggeschnappt hatte.

Der Verdruss darüber, der war bei der Architektin sowie ihrem Ehemann und Trainer Bernd Pille auch in Berlin noch nicht vollends verarbeitet. Vor allem stoßen sich die beiden weiterhin an der Klassifizierung durch den Weltverband. Diese schreibt vor, dass die für den RV Münster startende Diening in derselben Klasse antritt wie ihre 24 Jahre ältere Hamburger Kontrahentin, obwohl sie weniger gehandicapt ist. So trägt die stellvertretende Leiterin der IT-Abteilung der Stadt Emsdetten, die nach einer schweren Krankheit seit fünf Jahren im Rollstuhl sitzt, in Rennen nur einen Bauchgurt, nicht aber eine zusätzliche Befestigung am Oberkörper wie die durch die Folgen einer 2008 dia­gnostizierten Multiplen Sklerose in den Beinen gelähmte Pille-Steppat. Dadurch könne Diening mehr Kraft aus dem Oberkörper in Geschwindigkeit umsetzen.

Nach Final-Sieg: Hamburgerin Pille-Steppat will zur EM und WM

Das Problem ist bekannt, wird aber vom Weltverband, der die Klassifizierungen verantwortet, nicht angegangen. Deshalb sagt Mario Woldt, Sportdirektor des Deutschen Ruderverbands: „Manuela ist ein Neuling und hat wegen ihres Alters noch deutliches Entwicklungspotenzial. Sie fährt komplett regelkonform. Früher war ein Brustgurt vorgeschrieben, jetzt nicht mehr. Also gibt es nichts zu beanstanden.“ Bernd Pille ist sich da nicht ganz so sicher: „Ich denke, dass da durchaus etwas passieren könnte, wenn die Schiedsrichter genauer hinschauen würden.“

Als schlechte Verliererin möchte Sylvia Pille-Steppat keinesfalls dastehen. Die frühere Ausdauerläuferin, die 1998 und 2002 den Hamburg-Marathon gewann, kann aber auch ihren Ehrgeiz nicht zügeln, zudem ist ihr Sport wichtig, um das Fortschreiten der Erkrankung einzudämmen. Deshalb möchte sie EM und WM im Doppelzweier bestreiten. Die Chancen dafür stehen gut. „Angesichts ihrer Erfahrung würden wir uns sehr freuen, wenn Sylvia sich auf den Doppelzweier einlässt“, sagt Woldt. Eine Partnerin müsse gefunden werden. Aber daran lasse sich arbeiten. Gemeinsam, nicht gegeneinander.