Hamburg. Die Kapitäne der Hamburger Endrundenstarter im Feldhockey verraten, wie ihre Teams in den Finalspielen den Titel gewinnen wollen.

Die Favoritenrolle wollen sie alle nicht spielen, den Titel gewinnen aber auf jeden Fall. Das ist vor den Final-Four-Endrunden um die deutsche Feldhockeymeisterschaft der Damen und Herren, zu denen an diesem Wochenende in Bonn die jeweils vier besten Teams Deutschlands zusammenkommen, allerdings schon die einzige Gemeinsamkeit, die die vier Hamburger Vertreter eint. Umso mehr Brisanz steckt in den einzelnen Geschichten, die die Damen des Clubs an der Alster, die Damen und Herren des Harvestehuder THC und die Herren des Hamburger Polo Clubs mit ins Rheinland bringen – und die ihre Kapitäne und Spielführerinnen im Abendblatt erzählen.

Erstmals seit 2014 haben es wieder vier Mannschaften aus der Hockey-Hauptstadt in die Entscheidungsspiele um die höchsten nationalen Titel geschafft. Darunter sind mit Polo und den HTHC-Damen zwei Final-Four-Debütanten, die aber nur auf den ersten Blick Premierengäste sind. Während der Hamburger Polo Club tatsächlich noch nie deutscher Hockeymeister war, sind die Damen des Traditionsclubs vom Voßberg mit 14 Titeln nationaler Rekordchampion. Allerdings wurden diese zwischen 1942 und 1973 gewonnen, das Endrundenformat besteht dagegen erst seit Mitte der 1980er-Jahre.

Vier Hamburger Hockeyteams in der Endrunde

Umso verständlicher ist also die Vorfreude, die Fenja Poppe ausstrahlt. „Es ist supercool, Vereinsgeschichte schreiben zu können“, sagt die 27-Jährige. Als im Herbst vergangenen Jahres der langjährige HTHC-Bundesligaspieler Paul Pongs (31) das Cheftraineramt von Vereinslegende Christian „Büdi“ Blunck (53) übernahm, hatte sich die Mannschaft die Endrundenteilnahme als Ziel gesteckt. „Es war uns nicht mehr genug, nur mitzuspielen und ab und an mal die Großen zu ärgern. Wir wollten unbedingt einen Schritt weiterkommen und nicht halbherzig denken“, sagt die Abwehrchefin.

Seit elf Jahren spielt Fenja Poppe für ihren Heimatverein, mit dem sie im Halbfinale am Sonnabend (16.15 Uhr) den Mannheimer HC herausfordert, in der Eliteklasse. Die Entwicklung von einer de­struktiven „Maurerkolonne“ hin zu einer auch offensiv mutig agierenden, körperlich weiterhin extrem griffigen Einheit hat sie hautnah miterlebt. „Kampfgeist und Entschlossenheit tragen wir seit Langem in uns, das Kollektiv ist unsere größte Stärke“, sagt sie. Dazu kommt aber individuelle Klasse. Poppes Abwehrpartnerin Laura Saenger, mit 17 Toren ligaweit zweitbeste Torjägerin, ist die wohl beste deutsche Eckenschützin, Nationaltorhüterin Rosa Krüger ein echter Rückhalt. „Deshalb bin ich überzeugt, dass wir nicht nur zur Endrunde fahren, um den anderen zum Sieg zu gratulieren“, sagt Fenja Poppe.

HTHC hat den Umbruch endgültig abgeschlossen

Im Halbfinale als Außenseiter anzutreten, damit müssen auch die Herren des HTHC zurechtkommen. „Tun wir“, sagt Defensivstratege Xaver Hasun vor dem Duell mit Titelverteidiger und Hauptrundenprimus RW Köln (Sa., 11.45 Uhr), „das ist eine Rolle, die wir mögen.“ 2012 war der Österreicher nach Hamburg gekommen, 2014 Feldmeister geworden, sechs Endrunden in Folge hatte er erlebt, ehe im Sommer 2018 ein großer Umbruch folgte. „Den haben wir nun endgültig hinter uns gebracht“, sagt der 29-Jährige.

Auch bei den HTHC-Herren ist die Geschlossenheit im Team von Chefcoach Christoph Bechmann (50) das größte Gut. „Aber wir haben uns athletisch und spielerisch so gut entwickelt, dass wir die Lücke zu den Topteams schließen konnten. Vor allem kommen aus der Jugend mittlerweile so viele Talente, dass wir ein sehr gutes Fundament haben, um darauf aufzubauen“, sagt Hasun. Die Titel, die er mit dem Verein gewinnen konnte – zuletzt 2015 die Hallenmeisterschaft – seien so weit weg, dass die Erinnerung langsam verblasse. „Umso größer wäre das Glück, wenn wir gemeinsam mit den Damen beide Titel nach Hamburg holen würden. Das hat sich der HTHC verdient“, sagt er.

Xaver Hasun läuft ebenfalls für den Harvestehuder THC auf.
Xaver Hasun läuft ebenfalls für den Harvestehuder THC auf. © Witters / Valeria Witters

Für Mathias Müller ist das Finale bekanntes Terrain

Mathias Müller ist zu höflich, um dem direkt zu widersprechen. Aber das Glücksgefühl des Meisterwerdens würde der deutsche Nationalspieler doch ungern dem Lokalrivalen überlassen. Mit seinem Heimatverein Uhlenhorster HC stand der 30-Jährige mehrfach im Finale, gewinnen konnte er es erst nach seinem Wechsel 2013 nach Köln. Nun erlebt er mit Polo die Premiere – und weiß, dass nicht wenige seine Mannschaft mindestens als Geheimfavoriten sehen. „Wir haben in dieser Saison alle Topteams schon besiegt, insofern wissen wir, dass wir es können“, sagt der Abwehrchef vor dem Halbfinalduell mit dem Mannheimer HC (Sa., 14 Uhr).

Als Mathias Müller im Frühjahr 2018 im Hamburger Westen anheuerte, stand der Bundesligaaufstieg noch nicht fest. Er gelang aber im selben Jahr – und seitdem hat sich die Auswahl von Cheftrainer Matthias Witthaus (39), die aus einer starken Defensive heraus das wohl beste Umschaltspiel der Liga aufzieht, kontinuierlich nach vorn gearbeitet. Klassenerhalt im ersten Jahr, Viertelfinalaus in der wegen Corona von Herbst 2019 bis Sommer 2021 dauernden Folgespielzeit, im dritten Jahr nun die Endrundenteilnahme. Es sei bei Weitem nicht nur die Finanzkraft der Mäzene im Hintergrund, die diese Entwicklung begründe. „Im ganzen Verein herrscht ein unglaublich gutes Miteinander, sodass entgegen den Erwartungen alles schneller gelingt“, sagt Mathias Müller.

Mathias Müller ist der Kapitän des Hamburger Polo Clubs.
Mathias Müller ist der Kapitän des Hamburger Polo Clubs. © picture alliance / foto2press | Oliver Zimmermann

Vier Hamburger Teams bei Final Four: Club an der Alster gewann bereits 2018 und 2019

Vielleicht ja auch der Meistertitel, den die Alster-Damen in den vergangenen Jahren in Feld und Halle fast abonniert zu haben schienen – und oft gegen den Düsseldorfer HC ausspielen mussten. Nun gibt es dieses Duell wieder im Halbfinale (Sa., 18.30 Uhr). „Niemand von uns sieht es als selbstverständlich an, Dauergast in den Endrunden zu sein“, sagt Abwehrchefin Viktoria Huse. Die 26-Jährige ist eine von sechs A-Nationalspielerinnen, was die individuelle Klasse des Teams unterstreicht.

„Das ist unsere größte Qualität, aber angesichts der Belastung auch nicht ganz einfach“, sagt die Eckenspezialistin. Der dritte Feldtitel nach 2018 und 2019 wäre vor allem deshalb besonders emotional, weil Cheftrainer Jens George (53) in Bonn nach 24 Dienstjahren seinen letzten Arbeitstag erlebt. „Ihn mit dem blauen Wimpel zu verabschieden wäre die Krönung und der Lohn für die harte Arbeit.“

Viktoria Huse spielt für den Club an der Alster.
Viktoria Huse spielt für den Club an der Alster. © WITTERS | Leonie Horky