Hamburg. Schiffbaustudenten der Technischen Universität bereiten sich auf die International Waterbike Regatta in Bremen Ende Mai vor.

Die Nachmittagssonne glitzert auf dem Wasser des Harburger Binnenhafens. Der Ziegelwiesenkanal ist gesäumt von hohen Gewerbehallen aus rotem Ziegelstein, einige der quadratischen Fenster sind zerbrochen. Entfernt ist Lärm von Baumaschinen zu hören, ansonsten ist der Kanal weitestgehend verlassen – schließlich haben die anliegenden Firmen bereits Betriebsschluss. Nur auf einer kleinen Grünfläche am Ufer herrscht reges Treiben: Schiffbaustudenten der Technischen Universität Hamburg (TUHH) lassen dort ihre drei Tretboote zu Wasser.

Was wie ein gemütlicher Feierabend unter Freunden aussieht, ist für die H.F. Latte die erste Trainingseinheit der Saison. Der amtierende Weltmeister im Tretbootfahren bereitet sich darauf vor, vom 25. bis 29. Mai in Bremen den Titel bei der International Waterbike Regatta (IWR) zu verteidigen.

Tretboot-Weltmeister steht erst nach sechs Disziplinen fest

Die IWR ist seit 1980 das Schiffbauevent des Jahres mit sportlichem Höhepunkt. Studierende aus ganz Europa kommen jährlich zusammen, um sich kennenzulernen, auszutauschen und natürlich sich und die selbst gebauten Tretboote miteinander vergleichen zu können. „Besonders interessieren uns die regionalen Teams: die Bremer, die Rostocker und die Kieler“, sagt Jasper Loch, Kanzler der Schiffbaufachschaft an der TUHH. In Bremen kommen dieses Jahr aus fünf Nationen 316 Teilnehmer und 26 Boote zusammen, vor Corona waren es 2019 noch 37 Boote aus acht Nationen.

Der sportliche Wettkampf besteht aus sechs gewerteten Disziplinen. Die Studierenden messen sich beim 100-Meter-Sprint, 10-Meter-Sprint und 100-Meter-Slalom. Dazu kommen noch eine einstündige Langdistanz und ein Vorwärts-Rückwärts-Rennen, bei dem die Crew erst 50 Meter vorwärtsfahren, stoppen und 50 Meter rückwärtsfahren muss. In der letzten Disziplin geht es darum, 30 Sekunden lang einen Hafenpoller zu ziehen, während die Vorschubkraft des Bootes gemessen wird.

Aus einem Liegefahrrad wurden zwei verstellbare Sitze wiederverwendet

Mit Tretbooten assoziiert man womöglich als Erstes die bunten und klobigen Freizeitboote mit Schaufelradantrieb, in dieser Vorstellung wirken die Wettkämpfe etwas absurd. Doch die Hightech-Boote der H.F. Latte haben kaum etwas mit den allseits bekannten Gefährten auf der Alster oder dem Stadtparksee zu tun. Alle drei Boote der Flotte wirken auf den ersten Blick ähnlich, nur der „Imperator“ - amtierender IWR-Sieger – sticht durch sein auffallend breites Heck heraus. Der Rumpf aus Karbonfaser läuft zum Bug hin spitz zu, zusätzlich ragt vorne unter der Wasseroberfläche ein roter Bugwulst aus dem „Imperator“ heraus.

Der Innenraum ist sehr schlicht gehalten: Aus einem Liegefahrrad wurden zwei verstellbare Sitze wiederverwendet und gegenüberliegend eingebaut. In der Mitte befinden sich die Pedale zum Antreiben, während an den Innenseiten der dunkelblauen Bordwand eine Schnur verläuft, die es dem Kapitän ermöglicht, das Boot zu steuern. Insgesamt kommt der „Imperator“ auf eine Länge von sechs Metern. Mit dem Zusammenspiel aus Ingenieurskunst und Muskelkraft erreichen die Tretboote eine Geschwindigkeit von 24 km/h.

Die Tretboote werden über Jahre hinweg zusammengebaut

Die Boote werden selber entworfen und in Gemeinschaftsarbeit über Jahre hinweg zusammengebaut. Die Idee und das Konzept des „Imperator“ stammen aus der Diplomarbeit eines Studenten. Die Schiffbauer investieren in ihrer Freizeit viele Arbeitsstunden in den Bau und die Verbesserung der Tretboote: „Vom Ansatz her kann man beim Tretbootbau das umsetzen, was man im Studium lernt.

Es ist eine Vorbereitung darauf, später an großen Schiffen arbeiten zu können, denn die Prinzipien bleiben die gleichen“, erklärt ein ehemaliger Student am Rande der Trainingseinheit die Bedeutung der Tretboote. Der Tretbootbau ist eine kostspielige Angelegenheit, 2500 Euro und mehr werden für ein Boot benötigt. Ermöglicht werden die Projekte von diversen Sponsoren, bei der Suche helfen ehemalige Studenten mit.

Gleichzeitig können immer nur zwei Personen in einem Tretboot sitzen

Wer für die H.F. Latte in die Pedale treten darf, entscheidet sich beim Training. Gleichzeitig können zwar immer nur zwei Personen in einem Boot sitzen, die Besatzung darf aber für die einzelnen Rennen durchgetauscht werden. Mit nach Bremen reisen so oder so alle interessierten Schiffbauer: „Die Arbeit besteht nicht nur aus Treten, wir müssen während der IWR auch am Boot schrauben. Dafür haben wir quasi unsere eigene kleine Boxengasse. Es gibt immer Sachen, die kaputt gehen“, erklärt Loch.

Mit der IWR ist die Arbeit für die Studenten nicht getan, schließlich tüftelt die H.F. Latte bereits seit zwei Jahren an einem neuen Tretboot. Der Neubau sollte eigentlich bereits in Bremen an den Start gehen, die Corona-Pandemie hat den Bauprozess aber stark verschleppt.