Hamburg. Der ehemalige Bundesligaprofi Daniel Brückner ist mit 41 Jahren der älteste Feldspieler der Oberliga. Seine Geschichte ist bewegend.

Ein ganz normaler Spieltag in der Oberliga Hamburg in dieser Saison: Der Niendorfer TSV führt 2:1 gegen den HEBC, noch fünf Minuten. Der HEBC macht mächtig Druck. Plötzlich dreht sich HEBC-Trainer Özden Kocadal zu den Journalisten um. „Ohne Bohne ist es ein anderes Spiel“, sagt er. Mit „Bohne“ ist Niendorfs Daniel Brückner gemeint. Seit seiner Auswechslung sind die Gäste in der Partie.

Zuvor drückte der mit 41 Jahren älteste Feldspieler der Oberliga Hamburg dem Spiel seinen Stempel auf. Mit feiner Technik, imposanten Sprints, aufopferungsvoller Defensivarbeit und starken Vorlagen auf der linken Außenbahn. Und seinem Tor zum 2:1. Voller Adrenalin per Flugkopfball erzielt. Vier Minuten nach dem umstrittenen Ausgleich per Handelfmeter für den HEBC, über den sich Brückner minutenlang aufgeregt hat. Am Ende siegt der NTSV mit 3:2. Brückner jubelt humpelnd auf der Ersatzbank. Bei seinem Treffer ist er gegen den Pfosten gekracht. Aber: Hauptsache gewonnen!

Amateur-Fußball: Brückner fühlt sich fit genug für eine weitere Saison

Dieses Gefühl liebt Brückner. Deshalb ist für ihn, frei nach Udo Jürgens, mit 41 Jahren noch lange nicht Schluss. Der hagere Modellathlet hat kürzlich seinen Vertrag beim NTSV ein weiteres Mal verlängert. Seine Gegenspieler in Hamburgs höchster Amateurklasse mögen fast alle über ein Jahrzehnt jünger sein, Brückner kann ihnen Paroli bieten. „Mein Körper zeigt keine Ermüdungserscheinungen. Ich habe weiter Bock auf Fußball und genügend Ehrgeiz“, sagt er. „Außerdem freue ich mich, wenn ich jungen Spielern mit Ratschlägen weiterhelfen kann. Und in einer so jungen Mannschaft zu spielen, hält auch mich jung.“

Das freut vor allem Niendorfs Coach Ali Farhadi, der den zweitjüngsten Oberligakader Hamburgs (Durchschnittsalter 24,7 Jahre) trainiert: „Daniel ist für uns Gold wert, er ist ein Riesenvorbild für die jungen Spieler. Wann er aufhört, entscheidet nur er. Ich freue mich auf viele weitere Jahre mit ihm und bin sehr froh, dass wir in Niendorf einen Spieler seiner Klasse verpflichten konnten.“

Brückner hat auch die Schattenseiten des Lebens kennengelernt

Diese Klasse hat Brückner einst bis zum Bundesligaprofi getragen. Nachdem er ganz unten war. Mit 17 Jahren flog er von der Schule, wurde auch beim SC Vorwärts/Wacker Billstedt aus der U19 geworfen. Seine Mutter bat ihn auszuziehen. „Ich hatte eine Zeit lang keine Wohnung, aber viele Freunde haben mir geholfen. Und der HEBC, dem ich immer dankbar sein werde.

Diese Zeit hat mich geprägt und mir gezeigt, dass es im Leben immer weitergeht“, sagt Brückner heute. Nach der Rückkehr zu seinem Jugendverein besorgte ihm der damalige HEBC-Ligamanager Klaus Enghusen ein Probetraining bei Werder Bremens zweiter Mannschaft. Brückner überzeugte, wechselte mit 23 Jahren in die damals drittklassige Regionalliga Nord. „Dabei hatte ich die Profikarriere längst abgeschrieben“, sagt Brückner. Daraus habe er gelernt. „Wer Profi werden will, darf nie aufgeben. Und muss immer bereit sein, etwas anzunehmen und zu lernen.“

Über die Stationen Rot-Weiß Erfurt und Greuther Fürth führte Brückner sein Weg zum SC Paderborn. Er blieb sieben Jahre (2009-2016), spielte unter Trainer Roger Schmidt seinen geliebten Tempofußball. Mit dessen Nachfolger André Breitenreiter wurde der Traum von der Bundesliga wahr. „Bei der Aufstiegsfeier habe ich Zigarren fürs Team besorgt – und alles einfach nur genossen“, erinnert sich Brückner.

Effenberg suspendierte Brückner in Paderborn

In der Bundesligasaison 2014/15 stieg Paderborn zwar wieder ab, Brückner kam jedoch auf 23 Einsätze. Seine Vorlage zum dritten Treffer beim 3:0-Sieg beim HSV am zweiten Spieltag löst bis heute Gänsehaut bei ihm aus. Nach dem Abstieg ereilte Brückner allerdings die Suspendierung durch Trainer Stefan Effenberg. „Ich nehme ihm das absolut nicht übel. Er wurde dazu gezwungen. ,Effe’ ist ein sehr guter Trainer und ein gerader Typ, sein Training hat großen Spaß gemacht. Ich habe gerne unter ihm gespielt“, sagt der 41-Jährige.

Nach einer weiteren Rückkehr nach Erfurt, wo er die Insolvenz des Clubs miterleben musste, ging er er 2018 zum Niendorfer TSV, dessen familiäres Umfeld er sehr schätzt. Unerfüllt blieb nur seine Hoffnung auf einen Einsatz in der algerischen Nationalmannschaft. Brückners Vater ist Algerier. „Schade, dass es nie geklappt hat. Es muss ein wunderbares Gefühl sein, für sein Land zu spielen“, sagt Brückner.

In den Profifußball möchte er gerne zurückkehren. Die B-Lizenz besitzt er, Co-Trainer zu werden ist sein Ziel. „Weil ich von Natur aus nicht der Typ bin, der große Ansagen macht“, sagt Brückner. Erst will er aber auf hohem Niveau weiterspielen, solange ihn seine Füße tragen. „Es ist nicht auszuschließen, dass ich noch mit 45 Jahren auf dem Fußballplatz rumlaufe. Solange das Feuer in mir brennt, höre ich nicht auf.“