Hamburg. Nach 16 Jahren im Traineramt erlebt der 59-Jährige am Sonntag sein letztes Heimspiel. Sein Entschluss hat alle überrascht.

Ob seine Emotionen ihn überwältigen werden, das weiß Ulrich Kahl noch nicht einzuschätzen. Aber dass der Moment ein besonderer sein wird, ist ihm vollkommen klar. „Das wird bestimmt ein Gefühlskarussell“, sagt der Coach der Zweitliga-Volleyballerinnen des Eimsbütteler TV, der an diesem Sonntag (16 Uhr, Sporthalle Hoheluft) gegen den VfL Oythe sein letztes Heimspiel als Cheftrainer erlebt. Nach 16 Jahren im Amt und insgesamt fast 20 als Trainer in der ETV-Volleyballabteilung geht der 59-Jährige nach Saisonende – Auswärtsspiele in Dingden (23. April) und Münster (noch ohne Termin) stehen noch an – in eine ungewisse Zukunft.

Ulrich Kahl hört als Chef der ETV-Volleyballerinnen auf

Sein Abschied ist selbst gewählt und doch erzwungen – und das macht die Geschichte so interessant. Denn die Entscheidung, den aktuellen Tabellensiebten zu verlassen, hat Kahl, den alle nur Ulli nennen, nicht ganz freiwillig getroffen, und sie hat alle im Umfeld des Vereins überrascht. Grund für seine Demission sind atmosphärische Störungen zwischen Coach und Teilen des Teams – wohlgemerkt nicht im menschlichen, sondern im sportlichen Bereich. „Es gibt Spielerinnen, darunter auch Leistungsträgerinnen, die mit meiner Art, Dinge zu trainieren, unzufrieden sind. Und bevor ich riskiere, dass die Unzufriedenen den Verein verlassen und damit die sportliche Entwicklung ins Wanken gerät, gehe ich lieber selbst. Ein Trainer ist leichter zu ersetzen als vier Leistungsträgerinnen“, sagt er.

Ein beachtlicher Schritt ist das, vor allem angesichts der Tatsache, dass die sportliche Entwicklung positiv ist. Im zweiten Jahr nach dem Aufstieg wurde der Klassenerhalt weit vor Saisonende perfekt gemacht, sogar Platz sechs ist noch möglich. „Wenn man von außen draufschaut, mag mein Schritt deshalb verwundern“, sagt Ulli Kahl, „aber mittelfristig würde es zwischen uns nicht gut gehen. Auf dem Level, auf dem wir unseren Sport betreiben, müssen alle mit einem guten Gefühl nach Hause gehen. Das wäre nicht mehr gegeben, weder bei vielen Spielerinnen noch bei mir“, sagt der Coach, der grundsätzlich seine mentale Verfassung mit viel Achtsamkeit behandelt.

"Ich möchte meine Philosophie nicht mehr verändern“

Die Mannschaft hat Kahls Schritt mit großem Respekt aufgenommen. „Seine Verdienste sind riesig, die kann ihm niemand nehmen. Wir können seine Entscheidung nachvollziehen und danken ihm für viele erfolgreiche Jahre. Es gibt keine menschlichen, nur sportliche Gründe. Der Wunsch aus dem Team nach Veränderung ist gewachsen, wir erhoffen uns davon neue Reize und Ideen“, sagt Kapitänin Louisa Krams (24).

Warum er nicht versucht, sein Training so umzustellen, dass die Mannschaft wieder mehr Zufriedenheit und Motivation verspürt, kann Ulli Kahl einleuchtend erklären. „Die Spielerinnen möchten gern mehr in Wiederholungen einzelner Abläufe trainieren, ich aber bin überzeugt davon, dass man besser in Spielsituationen mit permanenter Anschlusshandlung lernt. Ich habe versucht, mein Training umzustellen, aber es ist einfach nicht mein Stil, und ich möchte meine Philosophie nicht mehr verändern“, sagt er.

Über seine Nachfolge ist noch nicht entschieden

Die wachsende Unzufriedenheit, die sich rund um Weihnachten bemerkbar gemacht hatte, habe ihn nachdenken lassen. „Ich bin im fortgeschrittenen Alter deutlich harmoniebedürftiger und kam zu dem Schluss, dass es besser ist, in Wehmut zu gehen als im Groll“, sagt er. Nach dem ernüchternden Berlin-Wochenende mit 0:3-Niederlagen bei VCO und BBSC am 19./20. März hatte er seinen Entschluss Vorstand und Mannschaft mitgeteilt. Es folgten zwei klare Auswärtssiege in Bonn und Leverkusen. „Daran sieht man, dass die Mannschaft befreit ist und wir alle mit der Entscheidung gut leben können“, sagt er.

Über seine Nachfolge ist noch nicht entschieden. Co-Trainerin Ines Laube (32) hätte Interesse und arbeitet aktuell an ihrer A-Lizenz, aber auch eine externe Lösung ist möglich. Kahl selbst, der zusätzlich im ETV mehrere weibliche Jugendteams trainiert, ist offen für alles. „Ich könnte mir eine hauptamtliche Stelle in der Jugend genauso vorstellen wie eine neue Aufgabe als Chefcoach in der Zweiten Liga“, sagt er. Für sein letztes Heimspiel hat er – neben drei Punkten – noch einen Wunsch: „Eine volle Halle, damit ich allen Tschüs sagen kann.“