Ipswich/Hamburg. Die Weltranglistenerste hat sich in den vergangenen Jahren in ihrer australischen Heimat zum Superstar entwickelt. Nun ist Schluss.

Zum Ende ihrer Rücktrittsbotschaft muss die Nummer eins der Tennis-Weltrangliste dann doch weinen. Ashleigh Barty hatte gut fünf Minuten lang tapfer und mit bemerkenswerten Worten erklärt, warum sie für die Öffentlichkeit völlig überraschend einen Monat vor ihrem 26. Geburtstag ihre Karriere beendet und zukünftig „anderen Träumen nachjagen“ möchte.

Zum Ende des Gesprächs mit ihrer früheren Doppel-Partnerin Casey Dellacqua bedankt die sich bei ihrer Landsfrau, erinnert an die vielen großen Momente und umarmt die Freundin unter Tränen. Da waren die Emotionen dann doch zu groß an diesem besonderen Mittwoch für den Sport.

Tennis: Australiens Premier Morrison rief Barty an

Von Perth bis Sydney verbreitete sich die Nachricht kurz nach der Veröffentlichung auf Instagram wie ein Lauffeuer. Medien sprachen von einer „schockierenden“ Ankündigung, feierten aber auch die „Demut und Anmut“ der beliebten Athletin sowie ihre Courage, auf dem Zenit ihrer beeindruckenden Laufbahn aufzuhören. Australiens Premier Scott Morrison griff sogar spontan zum Telefon und dankte Barty persönlich für ihre Leistungen. „Danke, dass Du die Nation inspiriert hast. Du hast einfach Klasse“, schrieb er auf Twitter.

Das 6:3, 7:6 (7:2) bei den Australian Open am 29. Januar gegen die US-Amerikanerin Danielle Collins war also Bartys letzter Auftritt als aktive Spielerin. Erstmals seit 1978 hatte sie für einen Heim-Triumph in Melbourne gesorgt. Zuvor hatte sie bereits Wimbledon („Das war mein Traum. Der eine große Traum im Tennis“) und die French Open gewonnen. Seit 114 Wochen steht die in Ipswich nahe Brisbane geborene Rechtshänderin zudem an der Spitze der Weltrangliste. Nur drei Spielerinnen hatten eine längere Serie als sie: Steffi Graf (186), Serena Williams (186) und Martina Navratilova (156).

Barty spürte nicht mehr die unbändige Lust auf Profitennis

Insgesamt war sie 121 Wochen die Nummer eins der Welt. 25 der vergangenen 26 Matches gewann sie. Barty steht auf dem Höhepunkt ihrer Tennis-Karriere und ist noch jung. Trotzdem macht sie Schluss - weil sie nicht mehr kann und will.

„Ich habe das nicht mehr in mir. Den physischen Antrieb, dieses emotionale Verlangen und alles, was es braucht, um dich selbst der absoluten Spitze zu stellen. Ich bin verbraucht“, sagte Barty. „Ich habe alles gegeben und das ist für mich Erfolg. Ich bin sehr glücklich damit. Ich weiß, dass Leute das womöglich nicht verstehen. Das ist okay.“

Die Entscheidung sei für sie „hart aber richtig“, betonte sie und fügte hinzu: „Ich werde nie aufhören, Tennis zu lieben.“ Aber es warten andere Träume - nicht umsonst benutzt Barty in ihrer Botschaft kein Wort so häufig wie „dreams“.

Allen voran ist da ihr langjähriger Freund, der professionelle Golfspieler Garry Kissick. Im vergangenen Jahr gab das Paar seine Verlobung bekannt. Barty gilt als bodenständig, als Familienmensch. Zu ihren Zielen gehöre es heute einfach nicht mehr, „um die Welt zu reisen und von meiner Familie, von meinem Zuhause getrennt zu sein“, sagte sie.

„Ash, was kann ich sagen, du weißt, dass ich in Tränen bin, richtig?“, richtete die frühere rumänische Wimbledonsiegerin Simona Halep Worte an das Multi-Sporttalent Barty: „Ich werde dich auf der Tour vermissen. Du warst anders und besonders, und wir haben unglaubliche Momente geteilt. Was kommt für dich als Nächstes? Grand-Slam-Champion im Golf?! Sei glücklich und genieße maximal dein Leben“.

Barty hatte schon einmal eine lange Tennispause eingelegt

Mit 18 Jahren hatte Barty ihre Karriere wegen des Drucks und der zu vielen Reisen schon einmal für fast zwei Jahre unterbrochen und in der Pause professionell Cricket gespielt. „Ich weiß, ich habe das schon mal gemacht, aber in einem ganz anderen Gefühl“, sagte sie nun. „Ich bin so dankbar für alles, was Tennis mir gegeben hat. Es hat mir alle meine Träume erfüllt und mehr.“

Barty erläuterte, dass sie nach der Pause Erfolg nicht mehr über Ergebnisse definiert habe. „In der zweiten Phase meiner Karriere gab es dieses Bewusstsein, dass mein Glücklichsein nicht von den Ergebnissen abhängt. Erfolg für mich ist, dass ich weiß, alles gegeben zu haben“, sagte sie. „Es ist jetzt wichtig, dass ich diese nächste Phase meines Lebens genießen kann als Ash Barty, der Mensch. Nicht als Ash Barty, die Athletin.“

Weltverband huldigt die Leistung von Barty

Klare Worte, die in ersten Reaktionen viel Anerkennung fanden. WTA-Chef Steve Simon würdigte Barty als „einen der großen Champions der WTA“. Die Premierministerin von Queensland, wo Barty zur Welt kam, gratulierte ihr zu ihrer „unglaublichen Karriere“. Barty sei „ein Champion auf dem Tennisplatz und abseits davon“ sowie ein großes Vorbild, so Annastacia Palaszczuk. „Danke, dass Du uns alle dazu inspiriert hast, unser Bestes zu geben.“ Deutschlands Damentennis-Chefin Barbara Rittner twitterte auf Englisch: „Oh nein... Wir werden dich und deine Art, zu spielen vermissen.“ Und von den Australian Open hieß es: „Wir werden immer hier sein, um Dich für das nächste Kapitel deines Lebens anzufeuern.“

Bartys Landsmann Todd Woodbridge, einer der erfolgreichsten Doppelspieler der Tennisgeschichte, erklärte derweil, er halte Barty für eine der talentiertesten Tennisspielerinnen der vergangenen 20 Jahre. Und der Sportreporter Phil Lutton kommentierte im „Sydney Morning Herald“, Tennis sei für Bartys Wesen so natürlich gewesen, „als wäre sie mit ein paar Strängen von Tennissaiten in ihrer DNA“ geboren worden. Derweil ließen erste Forderungen nicht lange auf sich warten, die Margaret Court Arena in Melbourne, den Austragungsort der Australian Open, umzubenennen - in Ash Barty Arena.