Hamburg. Karin Tries ist bei den Sea Devils Assistenzcoach der Defensive Backs – und die erste Frau im Trainerstab eines deutschen ELF-Teams.

Mit der ersten Liebe des Lebens ist es ja so eine Sache. Vergessen kann man sie nie, wobei manche es sicherlich gern täten. Andere heiraten sie und sind glücklich bis ans Ende ihrer Tage. Und dann gibt es Menschen wie Karin Tries, die dank ihrer Jugendromanze sogar Historisches schaffen. Die 24-Jährige wird in der Saison 2022 in der American-Football-Europaliga ELF im Trainerstab der Hamburg Sea Devils tätig sein, als erste Frau in einem deutschen Club. Und wäre sie vor zehn Jahren nicht mit Marlon Dede zusammen gewesen, hätte es diese Geschichte nie gegeben.

Dede spielte 2013 für die Hamburg Pioneers Football. „Ich kannte den Sport überhaupt nicht, aber habe ihn zu fast jedem Training begleitet, um zuzuschauen, und war sofort total gepackt davon“, sagt die gebürtige Aachenerin, die seit ihrem zweiten Lebensjahr im Norden lebt. Weil sie ihre eigenen sportlichen Aktivitäten – Leichtathletik im HSV, Thaiboxen und Skilanglauf über eine AG ihrer Sportklasse an der Stadtteilschule Eppendorf – fleißig in den sozialen Medien postete, sprach sie Dave Duddeck, damals Coach der Pioneers, 2016 an, ob sie nicht Lust habe, es auch mal selbst mit dem Football zu versuchen.

American Football: Tries arbeitet ehrenamtlich als Trainerin

Hatte sie – und weil ihre erste Saison 2017 gleich mit dem norddeutschen Meistertitel mit dem Frauenteam Amazons endete, war ihre Leidenschaft für Amerikas Lieblingssport nicht mehr aufzuhalten. 2018 gewann die Defensivspielerin, die außerhalb der Line alle Positionen spielt, mit den Snappers, dem geschlechtergemischten Flag-Football-Team der Pioneers, die deutsche Meisterschaft an der Seite von Kenneth Flanders – dem Mann, mit dem sie nun im Trainerteam der Sea Devils die Passverteidigung optimieren soll.

Wie es dazu kam, ist genauso kurios wie ihr Werdegang. Als Trainerin arbeitet Karin Tries seit mehreren Jahren ehrenamtlich auf einem Reiterhof nahe Kiel mit Kindern, dazu betreut sie auch die Skilanglauf-AG an ihrer ehemaligen Schule. 2019 übernahm sie zudem eine Flag-Football-AG an der Stadtteilschule Meiendorf. Eine Trainerlizenz im Football besitzt sie nicht, aber weil diese für Assistenzjobs in der ELF nicht vorgeschrieben ist, schickte sie Flanders im Herbst eine Initiativbewerbung per WhatsApp mit der Frage, ob sie ihn bei der Arbeit mit den Defensive Backs unterstützen könne.

„Es ist eine riesige Ehre“

Nach einigen Gesprächen über die Positionsgruppe und einer Reihe von Aufgaben, die Flanders ihr stellte, stand fest, dass die Sea Devils großes Interesse hatten. „Karin ist ein weiteres gutes Beispiel dafür, dass der Hamburger Football nicht nur viele Spieler-, sondern auch große Trainertalente hervorbringt. Wir sind sehr stolz, mit ihr die erste deutsche Trainerin in der ELF zu stellen“, sagt Geschäftsführer Max Paatz. Europaweit gab es in der vergangenen Saison in Barcelona einen weiblichen Coach im Assistenzbereich. „Im gesamten Hamburger Raum kann man die Trainerinnen im Football, die Jugend eingeschlossen, an zwei Händen abzählen“, sagt Karin Tries.

Was ihr das historische Element ihres Engagements bedeutet, ist schon aus dem Leuchten abzulesen, das sich über ihr gesamtes Gesicht legt, wenn sie darüber spricht. „Es ist eine riesige Ehre. Ich lebe gerade einen Traum, den ich nicht gewagt habe zu träumen“, sagt sie. Dass daraus ein Albtraum werden kann, sollte ihre Fachkompetenz von den Alphatieren in der Männerdomäne Football infrage gestellt werden, fürchtet sie nicht. „Kenneth und auch unser Defensive Coordinator Kendral Ellison haben dem Team klargemacht, dass meine Ansagen genauso viel wert sind wie ihre. Wenn mir jemand dumm käme, würden sie sofort reagieren.“

„Zuckerbrot und Peitsche, das ist mein Motto“

Die Protektion ihrer Vorgesetzten glaubt Karin Tries aber nicht in Anspruch nehmen zu müssen. Ihre Stärke sei ihr feines Auge, „ich sehe teilweise andere Dinge als Kenneth, bin sehr akribisch“, sagt sie. Zudem sei sie eine strenge Lehrerin, die aber, wenn sie das Gefühl habe, 100-prozentige Hingabe und Leistungsbereitschaft zu bekommen, auch sehr viel lobe. „Zuckerbrot und Peitsche, das ist mein Motto“, sagt sie.

Dass zudem niemand Druck auf sie ausübe und von ihr erwarte, dass sie Spieler nach einem Fehler auf dem Feld zurechtweise, helfe zusätzlich. „Unser Cheftrainer Yogi Jones hat zu mir gesagt: Sammle Erfahrungen, wachse daran und habe Spaß. Das werde ich tun“, sagt sie. Die größte Herausforderung werde die Sprache sein. „Ich verstehe zwar alles, aber Ansprachen auf Englisch zu halten ist neu für mich“, sagt sie.

American Football: Tries arbeitet beim Roten Kreuz

Klare Ansagen zu machen, das kennt Karin Tries allerdings aus ihrem Beruf. Die ausgebildete Rettungssanitäterin arbeitet beim Roten Kreuz als Disponentin für die Einsatzfahrzeuge. Ihren Schichtdienst kann sie auf ihre Footballtermine einstellen. „Mit meinem eigenen Trainings- und Spielbetrieb und den Einheiten und Spielen mit den Sea Devils werde ich meine gesamten freien und Urlaubstage für den Football aufwenden“, sagt sie.

Angesichts dieses vollen Terminkalenders ist die Anhängerin der New England Patriots froh darüber, derzeit Single zu sein. „Für einen Partner hätte ich keine Zeit“, sagt sie. Zu ihrer Jugendliebe hat sie immer noch guten Kontakt. „Er freut sich sehr für mich.“