Hamburg. Katharina von Kodolitsch, erste Präsidentin im Hamburger Sportbund, ist seit 100 Tagen im Amt. Das Abendblatt zieht eine erste Bilanz.

Als sie die Schutzmaske vom Gesicht zieht, um ihren Cappuccino zu genießen, gibt ein Blick in ihr Gesicht Gewissheit. Zumindest äußerlich haben die ersten 100 Tage im Amt bei der ersten Präsidentin in der Geschichte des Hamburger Sportbundes (HSB) keinerlei Spuren hinterlassen. Katharina von Kodolitsch sieht genauso aus wie die Person, die Mitte November angetreten ist, um mit Verve und frischen Ideen neue Wege zu beschreiten mit dem Dachverband des organisierten Sports, der größten Personenorganisation der Stadt mit knapp 500.000 Mitgliedschaften in 790 Vereinen.

Aber wie hat ihr neues Ehrenamt die 51-Jährige innerlich verändert? Um diese Frage soll es gehen in der 100-Tage-Bilanz, und Katharina von Kodolitsch muss nicht lange überlegen, um darauf eine Antwort zu finden.

HSB: Präsidentin musste viele Hürden überwinden

„Für mich war sehr überraschend, welches Gewicht mein Wort plötzlich hat. Ich muss mich daran gewöhnen, welches Echo meine Aussagen hervorrufen können. Aber zu spüren, dass mir das Amt Kraft und Spielraum gibt, Dinge zu verändern, bereichert mich sehr“, sagt sie. Für eine Frau, die das Licht der Öffentlichkeit nicht braucht, weil für sie der Kampf um die Sache deutlich mehr Bedeutung hat als ihr Ego, ist diese Erkenntnis auch ein Stück weit belastend. „Aber ich versuche, mich dafür zu wappnen, in jeder Lage fundierte Kommentare geben zu können“, sagt sie.

Um das zu schaffen, hat Katharina von Kodolitsch, der Kritiker vor ihrer Wahl Ahnungslosigkeit vorgehalten hatten, die vergangenen Wochen vor allem dafür genutzt, viele Gespräche zu führen. „Ich will verstehen, wie der HSB funktioniert, aber auch, was für die Vereine, Verbände und die Politik wichtig ist“, sagt sie. Ihr Start war, was die Begleitumstände angeht, von Hürden gepflastert.

Corona machte große Treffen unmöglich

Nicht nur, dass die Corona-Pandemie Treffen in größeren Gruppen unmöglich machte („Neujahrsempfänge hätte ich gut gebrauchen können“) und deshalb viele Gespräche in Eigeninitiative angeschoben werden mussten. Dass der HSB nicht nur das Präsidium, sondern auch den Vorstand erneuerte, und dasselbe im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) passierte, trug zu einer schleppenden Übergangsphase bei. „Auch wenn Katharina 100 Tage im Amt ist, sind es faktisch viel weniger, in denen sie bisher wirken konnte. Sie hat dennoch das Beste aus der Situation gemacht“, sagt Daniel Knoblich.

Den neuen hauptamtlichen Vorsitzenden im HSB überzeugt vor allem die menschliche Seite der Präsidentin, über die viele, die mit ihr zu tun haben, sagen, dass sie eine interessierte Zuhörerin sei. Ingrid Unkelbach, Leiterin des Olympiastützpunktes, die Katharina von Kodolitsch am 11. Februar zum Antrittsbesuch empfangen hatte, sagt: „Sie scheut keine Mühen, sich schnellstmöglich in alles einzuarbeiten. Sie hört intensiv zu, gibt sich vollkommen unprätentiös. Ich habe das Gefühl, dass sie von meiner mehr als 20-jährigen Führungserfahrung gern profitiert. Der Austausch mit ihr ist sehr angenehm, wir haben verabredet, uns regelmäßig zu treffen.“

„HSB im Gespräch“ soll für Sichtbarkeit sorgen

Genau dieser Austausch ist ein zen­trales Anliegen für die mit Ehemann und dem 21 Jahre alten Sohn in Alsterdorf lebende Funktionärin. Den HSB sicht- und greifbarer zu machen, das steht auf ihrer Agenda weit oben. Ihr schwebt vor, eine Dialogreihe nach dem Motto „HSB im Gespräch“ aufzulegen, in deren Rahmen sie sich und ihre Arbeit in Vereinen vorstellen möchte.

Die gesellschaftliche Wahrnehmung endlich der gesellschaftlichen Bedeutung des Sports anzugleichen, Kinder wieder vermehrt an den Leistungssport heranzuführen, Themen wie Gleichstellung und Inklusion zu forcieren, eine Kultur der Wertschätzung zu pflegen und das gesamte Handeln des Sports in Hamburg nachhaltiger zu gestalten, sind weitere Punkte auf ihrer To-do-Liste, die sie nie schriftlich fixiert hat.

Fließende Grenze zwischen dem HSB und Privatem

Zunächst jedoch soll auf der Klausurtagung am 5./6. März, zu der sich alle HSB-Gremien in einem Tagungshotel im Hamburger Westen versammeln, ein gemeinsamer Handlungsrahmen gesteckt werden. Als Team zusammenzufinden, das ist für Katharina von Kodolitsch unerlässlich für den Erfolg ihrer Amtszeit. Müsste sie in eins dieser Büchlein, in denen Schülerinnen und Schüler Erinnerungen an ihre Klasse sammeln, ein Lieblingswort eintragen, würde sie wohl Gemeinsamkeit wählen.

„Den größten Spaß macht mir mein neues Amt, wenn ich mit Menschen reden und mit ihnen gemeinsam Ideen entwickeln kann“, sagt sie. Wie viele Wochenstunden sie aktuell in die Verbandsarbeit investiert, kann sie nicht beziffern, „die Grenzen zwischen Privatem, dem HSB und meinen anderen Ämtern sind manchmal fließend“.

HSB: Katharina von Kodolitsch ist auch Vizepräsidentin im Deutschen Ruderverband

Im Deutschen Ruderverband ist Katharina von Kodolitsch als Vizepräsidentin tätig, im Weltverband sitzt sie in der „Kommission Küstenrudern“. Lediglich ihr Amt als Vorsitzende der RG Hansa – dem einzigen Hamburger Verein, in dem sie Mitglied ist –, hat die gebürtige Niedersächsin, die in der „Ruderriege Schaumburgia am Adolfinum Bückeburg“ ihren Herzenssport erlernte und noch immer aktiv rudert sowie Rad fährt, niedergelegt. Die Erfahrungen als Funktionärin helfen ihr nun auch im HSB, sich im Dschungel der Paragrafen, beim Stellen von Anträgen und in Gesprächen mit der Politik zurechtzufinden.

Letztere sieht in Katharina von Kodolitsch ebenfalls bislang eine Bereicherung. „Die neue HSB-Präsidentin verbindet Sachverstand mit Verlässlichkeit. Das ist eine gute Basis für eine Zusammenarbeit, in der es naturgemäß auch mal knirscht“, sagt Sportstaatsrat Christoph Holstein. „Sie hat bei der Entwicklung der Active-City-Strategie schon früh wichtige Beiträge geliefert. Wir profitieren von ihrer Kenntnis und ihrer Erfahrung, die weit über den Tellerrand des Sports hinausgeht.“ Klingt alles sehr freundlich für eine 100-Tage-Bilanz. Ausruhen wird sich Katharina von Kodolitsch darauf nicht, die Arbeit fängt schließlich erst an. Und sie hat sich fest vorgenommen, dass das Amt nicht sie verändern soll. Sondern sie das Amt.