Hamburg. Der Buchholzer ist einer der Top-Assistenten. Sonnabend steht sein 252. Einsatz in der höchsten Spielklasse an. Über seinen Werdegang.

Nach dem Spiel am 10. Dezember in Köln durfte Sascha Thielert zunächst nicht in die Schiedsrichter-Kabine im Rheinenergiestadion. Es gab eine Überraschung vorzubereiten. Patrick Ittrich (42) nestelte an einer Tüte, holte eine Fotomontage von Thielert mit atemberaubendem Sixpack heraus – dann erst konnte der Buchholzer eintreten und wurde lautstark empfangen: „Sascha Thielert, Fußball-Gott!“

Die Partie des 1. FC Köln gegen den FC Augsburg war das 250. Bundesligaspiel Thielerts als Assistent (inzwischen sind es 251). Nur ganz wenige haben mehr. Dazu kommen weitere 100 Begegnungen an der Linie in der Zweiten Liga, der 42-Jährige ist einer der profiliertesten Linienrichter im deutschen Fußball und wurde zu Recht für sein Jubiläum gefeiert. „Er kann viel mehr als nur Abseitsentscheidungen“, lobt Thielerts „Stammschiedsrichter“ Ittrich, „er ist ein starker Assistent, der versucht, den Schiedsrichter immer zu unterstützen und ihn besser zu machen.“

Bundesliga: Thielert wieder unterwegs zu Spitzenspiel

An diesem Sonnabend ist Thielert wieder unterwegs zu einem Spitzenspiel. Er unterstützt den Bremer Sven Jablon­ski, der als einer der kommenden Stars in der Schiri-Szene gehandelt wird. Denn Ittrich fällt aus, hat im Januar noch kein Spiel geleitet – Covid, trotz doppelter Impfung. Die ganze Familie hat es erwischt, „es geht mir nicht gut“, sagt er.

Thielert war Stammassistent von Peter Gagelmann (Bremen) sowie dem Hamburger Fifa-Schiedsrichter Tobias Stieler und arbeitet seit dessen Aufstieg in die Bundesliga vor fast genau sechs Jahren mit Ittrich zusammen, seit 2017 ist er fest in dessen Gespann. „Wir sind dick befreundet, kennen uns seit bald 25 Jahren aus dem Hamburger Fußball“, erzählt Thielert: „Wir haben uns immer gesagt, wenn es einer von uns mal in die Bundesliga schafft, wäre es ein Traum, wenn der andere da mitfahren würde. Diesen Traum haben wir wahr gemacht.“

"Auch wir werden im Spiel beobachtet“

Nun ist es nicht so, dass ein Schiedsrichter einfach sagt: Mein Kumpel hier, der winkt bei mir. Auch für die Assistenten gilt ein knallhartes Leistungsprinzip. „Es gibt eine Bewertung unabhängig von der Beurteilung des Schiedsrichters. Auch wir werden im Spiel beobachtet“, erzählt Thielert, „es gibt ein Bewertungssystem und einen Notendurchschnitt. Man kann auch auf- oder absteigen.“

Für den Assistenten-Pool des DFB gibt es auch Schulungen, Nachbesprechungen, alle paar Wochen Videoanalysen, ein regelmäßiges Coaching. Auch beim obligatorischen Fitnesstest vor einer Saison müssen die 100 Männer und zwei Frauen aus der DFB-Gruppe für die Seitenlinien in den drei Bundesligen schuften und schwitzen. Körpersprache, knappe Abseitssituationen, Kommunikation mit dem Schiedsrichter, wann eingreifen – „der Job ist inzwischen sehr vielfältig“, sagt Thielert. Aber er kann das, was er da tut, ziemlich gut. „Der kleine Iltis wird ja oft unterschätzt“, sagt Ittrich, „er sieht ja nicht unbedingt aus wie ein Topsportler, aber er ist wirklich schnell. Und hat ein Adlerauge.“

Thielert war auch Schiedsrichter

Außerdem kann er sich gut einfühlen in die Denke des Unparteiischen auf dem Feld. Bis 2011 hat er selbst noch in der Zweiten Liga gepfiffen, 24 Spiele sind da zusammengekommen. Diese Karriere aber hat er nicht fortgesetzt, sondern sich schließlich auf den Job mit der Fahne konzentriert. „Ich war damals aber auch schon regelmäßig und öfter als Assistent unterwegs“, erinnert er sich, „irgendwann hatte ich dabei die größere Routine. Ich habe mich als Assistent dann deutlich sicherer und wohler gefühlt.“

Etwa alle zwei Wochen ist er im Einsatz im Laufe einer Saison. Und das, obwohl er noch zu 90 Prozent arbeitet als Geschäftsführer eines Hamburger Mineralölhändlers am Jungfernstieg. „Ich will das so, ich kenne das so“, sagt er und bedauert deshalb auch nicht, dass er kaum international unterwegs ist: „Dann ginge das nicht.“ Denn da ist ja auch noch die Familie, die Frau und zwei Kinder. „Die tragen das zum Glück mit. Wenn ich am Sonnabend unterwegs war, gehört der Sonntag der Familie.“ Und manchmal, erzählt Thielert, wenn im Sommer Pause ist, dann wird er zu Hause schon mal gefragt: „Wann geht es denn wieder los?“

40.000 Euro Grundgehalt plus Einsatzprämie

40.000 Euro Grundgehalt im Jahr kassieren Assistenten in der Bundesliga, dazu eine Einsatzprämie von 2500 Euro. Immerhin. Das ist auch ein ordentliches Zubrot, entspricht aber den Anforderungen. „Es ist alles viel professioneller geworden, vor allem durch die Headsets und den VAR (Video Assistant Referee, die Red.) hat sich unser Job sehr geändert.“

Kommunikation mit dem Schiedsrichter ist jetzt jederzeit möglich: „Pa­trick fragt schon mal, war das Gelb?“ Aber bitte nicht alle durcheinanderreden. Funkdisziplin, das muss man auch lernen. Durch den Kölner Keller hat sich vor allem das Verhalten bei Abseits geändert. „Man hat sich jahrelang den Mechanismus antrainiert, Fahne hoch bei Abseits“, erzählt Thielert von den anfänglichen Problemen bei der Umstellung auf Video-Unterstützung. „Plötzlich hieß es, den Arm erst mal unten lassen, sonst ist die Szene tot.“ Ein eventuell regulär erzieltes Tor wäre dann ungültig. Diese Änderung war nicht leicht, sondern ein Prozess: „Du konzentrierst dich auf die Szene, der Arm zuckt hoch – und dann denkst du: Hoffentlich war das jetzt richtig, sonst habe ich hier ein Problem.“

Ittrich und Thielert schmieden Pläne für Abschied

„Wir liegen auf einer Wellenlänge, er gibt mir guten Input“, sagt Ittrich, „eine seiner Stärken ist, Dinge klar anzusprechen. Für mich ist er in unserem Team absolut gleichberechtigt.“ Dass Ittrich von den Profis in einer Umfrage des „Kicker“ zum zweitbesten deutschen Schiedsrichter gewählt wurde, lag auch an der Gesamtleistung seines Gespanns mit dem Stamm-Assistenten Thielert. „Wir sind lieber beliebt als nicht gerne gesehen“, sagt Thielert, „wir versuchen immer freundlich zu sein und keine Spannungen aufkommen zu lassen.“

Nach all den Jahren kennt er auch seine Pappenheimer auf der Trainerbank oder im Trikot – „die wissen, wie sie mit mir umgehen können, und ich weiß, wie ich mit ihnen umgehen kann“. So macht der Job immer noch Spaß, ist weiter ein Hobby mit einem guten Freund. Läuft. In fünf Jahren allerdings droht die Altersgrenze, 47. Dann ist Schluss. Ittrich und Thielert schmieden dafür schon locker Pläne, und eines scheint sicher: Ein Fußball-Gott geht nicht unbemerkt.