Hamburg. Thomas Pütz ,Chef des Bundes Deutscher Berufsboxer, spricht über die Krise des nationalen Faustkampfs und den Ausblick auf 2022.

Für sein dröhnendes Lachen, mit dem er Arenen allein beschallen könnte, ist Thomas Pütz bekannt. Doch die Vorausschau auf das, was das Jahr 2022 für seinen Sport bereithält, lässt selbst dem chronisch gut gelaunten Präsidenten des Bundes Deutscher Berufsboxer (BDB) kaum Spielraum für Fröhlichkeit. „Man muss es ganz ehrlich sagen: International sind wir im deutschen Boxen nicht gut aufgestellt. Wir sind nur noch eine kleine Nummer“, sagt der 55-Jährige, der den BDB seit April 2010 führt und im Hauptberuf das Kal­tenkirchener Sicherheitsunternehmen Pütz Security leitet.

Eine Erkenntnis ist das, die zwar nicht überraschend kommt, in ihrer Deutlichkeit aber dennoch all diejenigen schmerzt, die sich im professionellen Faustkampf engagieren. Der einige Jahre zurückliegende Ausstieg der öffentlich-rechtlichen TV-Sender und der damit zusammenhängende Niedergang der einstigen Weltmarktführer Universum und Sauerland wirken nach, die Pandemie trug in den vergangenen 22 Monaten dazu bei, dass das Geschäft einiger Promoter fast zum Erliegen kam.

BDB bisher wirtschaftlich "gut durchgekommen"

„Wir haben zwar in 2021 mehr als 100 Kampfabende in Deutschland unter unserer Ägide gehabt, vieles davon waren aber Kleinstveranstaltungen, um die Sportler aktiv zu halten, mit denen aber kein Geld verdient werden konnte, die sogar eher Verlust gemacht haben“, sagt Pütz. Für den BDB, der sich zu einem guten Teil aus Lizenzgebühren für Veranstaltungen finanziert, könne er immerhin Entwarnung geben.

„Wir sind bislang wirtschaftlich gut durchgekommen, weil wir den Kostenapparat fast auf Null gefahren haben“, sagt er. Ihm sei auch kein Fall bekannt, in dem Promoter oder einzelne Boxer staatliche Hilfe beantragt hätten. „Auch wir als Verband sind von niemandem in dieser Thematik um Hilfe gebeten worden. Klar ist aber, dass die Pandemie allen stark zugesetzt hat.“

„Das Duell der beiden liefert viel Gesprächsstoff"

Als Krisenmanager war Thomas Pütz im vergangenen Jahr an anderer Stelle gefragt. Überlagert wurde 2021 von den Manipulationsvorwürfen, die Halbschwergewichtler Robin Krasniqi (34/München) nach seiner umstrittenen Punktniederlage im Oktober gegen Dominic Bösel (32) vom Magdeburger SES-Team erhoben hatte. „Der Skandal war nicht das Urteil, über das man sicherlich diskutieren konnte, sondern das, was die Krasniqi-Seite daraus gemacht hat“, sagt Pütz, der den Vorwurf der Parteilichkeit und Einflussnahme des BDB weiterhin deutlich zurückweist.

„Es hat auch weder eine Klage noch einen Austritt aus dem BDB gegeben. Ich würde Robin raten, sich die Million, die angeblich für rechtliche Schritte zur Verfügung steht, zu sparen und stattdessen einen Punktrichterlehrgang bei uns zu machen“, sagt er. Auch wenn Krasniqi aus menschlicher Sicht einen dritten Kampf mit Bösel nicht verdient habe, kann Pütz ihn sich sportlich durchaus vorstellen. „Das Duell der beiden liefert viel Gesprächsstoff, und zumindest auf nationaler Ebene ist das einer der Kämpfe, die wir brauchen“, sagt er.

Boxer müssen für die großen Kämpfe ins Ausland

Insbesondere deshalb, weil das sportliche Niveau infolge der Reisebeschränkungen gelitten habe. „Für viele Veranstalter war es schwer, Gegner oder Sparringspartner aus dem Ausland zu verpflichten. Dass sich das in der Qualität bemerkbar macht, ist nicht überraschend“, sagt Pütz, der die Bemühungen der im BDB organisierten Promoter dennoch zu würdigen weiß. „Wir haben viele engagierte Menschen, die im Rahmen dessen, was möglich war, alles versucht haben“, sagt er.

Es mangele allerdings angesichts der coronabedingten Krise diverser Branchen noch mehr als früher an finanzkräftigen Partnern, um sich zumindest in Europa wieder dem aktuellen Marktführer England annähern zu können. „Unsere Boxer müssen, wenn sie große Kämpfe machen wollen, ins Ausland gehen. Das ist schade für die vielen Fans in Deutschland und die Sportler.“

Deutschland fehlt es an Boxtalenten

Allerdings, das räumt der ehemalige Amateurboxer unumwunden ein, fehle es in Deutschland aktuell sowieso an Talenten mit Weltmeisterpotenzial. „Junge Sportler wie Vincent Feigenbutz, Leon Bunn oder Abass Baraou bräuchten viel mehr Kämpfe, um zu sehen, wo sie international stehen. Leider stagnieren sie in ihren Entwicklungen, und das wird sich wahrscheinlich so schnell auch nicht ändern“, sagt er.

Dass der frühere Mittel- und Supermittelgewichtschampion Felix Sturm mit fast 43 Jahren einen letzten Anlauf auf einen WM-Titel plane – der Kölner will am 26. März in der Dortmunder Westfalenhalle einen Ausscheidungskampf beim nachrangigen Weltverband IBO bestreiten –, sei zwar anzuerkennen, „aber ein Zukunftsmodell ist das natürlich nicht“.

Schwergewichtler Agit Kabayel hat Potenzial

Großes Potenzial sieht BDB-Chef Pütz in erster Linie in Schwergewichtler Agit Kabayel (29). Der in 21 Kämpfen unbesiegte Bochumer soll gegen Ex-Cruisergewichts-Weltmeister Marco Huck (37/Berlin) um die vakante EM kämpfen, einen Termin gibt es allerdings noch nicht. „Das wäre ein Duell auf Augenhöhe, das unserem Sport national einen Schub geben könnte“, sagt Pütz.

Potenzial sieht er aber auch in Kämpfen mit Showcharakter wie in den USA mit dem YouTube-Star Jake Paul, die weit über den Sport hinaus Strahlkraft entwickeln könnten. „Wir müssen schauen, wie wir die junge Zielgruppe erreichen. Regina Halmich ist auch nicht wegen ihrer WM-Kämpfe berühmt geworden, sondern durch das Duell mit Stefan Raab. Solange das nicht zum Zirkus ausartet, stehe ich solchen Ideen offen gegenüber“, sagt er.

Boxpräsident glaubt an Klitschko-Comeback

Den größten Hype in diesem Jahr erwartet Thomas Pütz allerdings, sollte sich der langjährige Schwergewichts-Dreifachchampion Wladimir Klitschko (45) zu einem Comeback entschließen. Nach Abendblatt-Informationen arbeitet der 2017 zurückgetretene Ukrainer bereits an einem Rückkampf mit dem britischen WBC-Weltmeister Tyson Fury (33), dem er im November 2015 nach Punkten unterlegen war. „Noch hat Wladimir nicht nach einer Lizenz gefragt, aber ich wäre nicht überrascht, wenn er es täte“, sagt Pütz. Das wäre zwar auch kein Zukunftskonzept – aber immerhin ein Zuschauermagnet für 2022.